Millionen-Frage:Vorwurf der Kreis-FDP wegen Berufsschule: Grafing verteidigt sich

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Eine Berufsschule von innen (Symbolfoto). (Foto: Alessandra Schellnegger)

Es geht um die Frage, wer die drei Millionen Euro für das Baugrundstück zahlen muss. Die Stadt Grafing hat hier eine klare Haltung.

Von Wieland Bögel, Grafing/Ebersberg

Setzt die Stadt Grafing leichtfertig die Chance auf eine Berufsschule im Landkreis Ebersberg aufs Spiel? Diesen Vorwurf hatte vergangene Woche der FDP-Kreisverband erhoben. Hintergrund sind die Verhandlungen zwischen der Stadt und dem Landkreis darüber, wer die gut drei Millionen Euro für das Baugrundstück zahlen muss.

Die Grafinger vertreten den Standpunkt, die Stadt dürfe dies gar nicht, weil sie nicht zuständig sei. Die FDP wiederum meint - kurz zusammengefasst - Grafing müsse zwar nicht zahlen, dürfe aber. Die Grafinger wollten bloß nicht. Was im dortigen Rathaus nicht besonders gut ankommt. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) sagte am Freitag, sie halte solche "Querschüsse" während laufender Verhandlungen für nicht hilfreich.

Das Problem, um das es geht, trägt den Namen "Artikel 75" und ist zu finden in der bayerischen Gemeindeordnung. Dort ist geregelt, wie Kommunen mit ihrem Vermögen - etwa Grundstücken - umgehen müssen. Diese dürfen, so der Gesetzgeber, "in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden". Verschenken oder unentgeltliches Überlassen ist grundsätzlich nicht zulässig. Allerdings gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme. Eine solche kann sein, wenn es der Erfüllung von Aufgaben der Stadt oder Gemeinde dient - und genau darauf zielt der Einwand der Stadt Grafing.

Denn weiterführende Schulen, also Gymnasien, Realschulen und eben auch Berufsschulen, fielen in die Zuständigkeit der Landkreise, erläutert Gerhard Dix vom Referat Bildung und Soziales beim Gemeindetag. Darum hätten die Kreise die Kosten für den sogenannten Sachaufwand, also Bau und Unterhalt der Gebäude sowie den Kauf der Grundstücke, zu tragen: "Ich denke, es ist der Regelfall, dass die Landkreise ihre Schulgrundstücke kaufen." Was laut Obermayr auch in Grafing in der Vergangenheit so war. So habe der Landkreis Ebersberg die Flächen für die Comenius-Förderschule selber gekauft. Die Stadt habe sich lediglich beim Bau der gemeinsam genutzten Turnhalle finanziell beteiligt.

Möglichkeiten, den Artikel 75 großzügiger auszulegen

Allerdings scheint es durchaus Möglichkeiten zu geben, den Artikel 75 großzügiger auszulegen, wie der Blick auf vergangene Schulprojekte zeigt. So gab Kirchseeon vor 15 Jahren für das Grundstück, auf dem heute das Gymnasium steht, etwa 600 000 Euro aus.

Wobei die Gemeinde ein wesentlich größeres Areal erwarb, als für den Schulbau nötig war. Knapp 6000 Quadratmeter konnten anschließend als Bauland wieder verkauft werden. Deutlich mehr investierte vor zehn Jahren die Gemeinde Poing in die neue Realschule in der Gemeinde. Für das Grundstück waren 250 000 Euro fällig, außerdem übernahm Poing rund 750 000 Euro Mietkosten für die Container, in denen die Vorläuferklassen der Schule unterrichtet wurden. Weitere 500 000 Euro betrug der Anteil der Gemeinde an der Mittagsbetreuung.

Doch nicht immer lässt sich der Artikel 75 so freimütig interpretieren: So votierte der Vaterstettener Gemeinderat vor vier Jahren mit großer Mehrheit dafür, der Polizei ein Grundstück für einen Neubau der derzeit in Poing angesiedelten Inspektion zu überlassen. Daraus wurde nichts, der kommunale Prüfungsverband erinnerte die Gemeinde damals in einer Stellungnahme ausdrücklich an das Verschenkungsverbot in der Gemeindeordnung.

Warum bei den Schulen möglich war, was bei der Polizeiinspektion nicht erlaubt ist, könnte noch ein interessantes Thema für die Doktorarbeit eines angehenden Verwaltungsjuristen sein. Die offizielle Begründung für die Grundstücksüberlassung der Städte und Gemeinden war stets, dass diese profitierten, indem sie Standort einer weiterführenden Schule werden. So wie im Fall der beiden zuletzt hinzugekommenen weiterführenden Schulen in Kirchseeon und Poing: hier wurde betont, die meisten Beschulten wohnten eben in der Standortkommune, deren Aufgabenbereich "Bildung" damit zumindest gestreift werde.

Was ausdrücklich nicht für die neue Berufsschule gelten dürfte. Zwischen 2000 und 2500 junge Leute sollen dort einmal unterrichtet werden, unter anderem in verschiedenen kaufmännischen Berufen, auch Logistiker, Mechatroniker und Fachleute für Digitalisierung sollen in Grafing-Bahnhof ausgebildet werden. Dass diese alle aus Grafing und der näheren Umgebung kommen werden, behauptet man auch im Landratsamt nicht. Dort geht man von einem hohen Anteil von Schülern aus dem westlichen Landkreis sowie aus dem Nachbarlandkreis München aus.

Wie sich dies alles in eine realistische Kostenteilung umrechnen lässt, werde derzeit intensiv zwischen Stadt und Landkreis verhandelt, sagt die Bürgermeisterin. Dass das Projekt scheitern könnte, und das gar an den Grafingern, will Obermayr nicht auf sich sitzen lassen: "Wir sind im guten Kontakt und müssen einfach in Ruhe reden, dann finden wir einen Weg, der für beide Seiten akzeptabel ist." Gar nicht akzeptabel sei aber, "wenn über den Verlauf der Verhandlungen in der Öffentlichkeit diskutiert wird".

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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