Vor dem Amtsgericht Ebersberg:Außer Kontrolle

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Um ihre exzessive Kaufsucht finanzieren zu können, ergaunert sich eine 27-jährige Frau mehr als 20 000 Euro

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Sie wollte dazugehören, mit anderen mithalten können, einfach akzeptiert werden. Nun steht die 27-Jährige vor einem Scherbenhaufen, und wäre um ein Haar sogar im Gefängnis gelandet. Dazwischen nämlich lagen Jahre, in denen die junge Frau aus dem mittleren Landkreis ein Gebilde aus Lügen um sich herum aufgebaut hatte - das nun vor dem Ebersberger Amtsgericht endgültig eingestürzt ist. Dort musste sich die Angeklagte wegen einer Vielzahl an Fällen von Betrug und Veruntreuung verantworten, in denen sie insgesamt mehr als 20 000 Euro erbeutete.

Der Staatsanwalt hatte beim Verlesen der Anklageschrift gut zu tun, die Vorwürfe gegen die Frau auf der anderen Seite des Sitzungssaales waren schließlich zahlreich. Zwischen den Jahren 2017 und 2019 hatte die Angeklagte demnach in einem Autohaus im nördlichen Landkreis als kaufmännische Angestellte gearbeitet. In dieser Zeit soll sie regelmäßig Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet haben - sei es dadurch, dass sie bezahlte Rechnungen nachträglich stornierte, Buchungen nicht abwickelte oder schlicht Bargeld aus der Kasse nahm. Die Beträge reichen von etwas mehr als 100 Euro bis hin zu Summen jenseits der 4000 Euro. Insgesamt, so der Staatsanwalt, sei dem Autohaus dadurch über die Jahre ein Schaden von mehr als 16 000 Euro entstanden.

Doch damit nicht genug, denn auch außerhalb ihrer Arbeitsstelle soll sich die Frau laut Anklage unrechtmäßig bereichert haben. In über 20 Fällen soll sie elektronischen Kartenzahlungen unmittelbar nach Abbuchung von ihrem Konto widersprochen und sich dadurch teure Restaurantbesuche, Markenkleidung und eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio ergaunert haben. Insgesamt hat sich somit ein zusätzlicher Schaden von mehr als 4000 Euro angehäuft, so dass die Gesamtsumme aller Vergehen bei über 20 000 Euro liegt.

Vor Gericht räumte die Frau ohne große Umschweife alle Verwürfe ein. Sie habe inzwischen auch damit begonnen, das Geld zurückzuzahlen. Richter Markus Nikol wollte es aber dann doch etwas genauer wissen und fragte, warum es überhaupt so weit gekommen sei. Unter Tränen gab die 27-Jährige daraufhin an, sie habe sich schon immer als Außenseiterin gefühlt und einfach dazugehören wollen. "Ich wollte mit den anderen mithalten können", sagte die Frau. Sie habe gedacht, es komme auf Äußerlichkeiten an.

Das habe irgendwann zu einer "exzessiven Kaufsucht" geführt, wie aus dem psychiatrischen Gutachten zu erfahren war. Besonders in den Hochphasen ihrer manischen Depression habe die Frau die Kontrolle verloren. Die Angeklagte selbst erzählte, sie habe damit begonnen, wahllos Sachen zu kaufen, die sie eigentlich gar nicht gebraucht habe. "Ich wollte den anderen beweisen, dass ich auch toll bin." Inzwischen sehe sie aber ihre Fehler ein und es tue ihr sehr leid. Seit einiger Zeit befinde sie sich auch in Therapie. "Ich hab' das Gefühl, das hilft und das tut mir gut."

Mit Blick auf die Vorstrafen der Frau ist das auch nur zu hoffen, denn die 27-Jährige ist in der Vergangenheit bereits mehrfach einschlägig auffällig geworden. Nach einigen Geldzahlungen wurde sie wegen Betrugs bereits zwei Mal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Außerdem ist die Schuldenlast als Folge der vielen Gerichtsverfahren mit etwa 60 000 Euro erdrückend. Auch deshalb habe sie immer wieder Geld im Autohaus gestohlen, so die Frau. Deren ehemaliger Chef sagte vor Gericht, er sei noch nie so hintergangen worden. Die Entschuldigung der Angeklagten wollte der Geschäftsführer deshalb nicht annehmen.

Vom Gericht aber bekam die Frau noch eine allerletzte Chance. Sie wurde zu einer Bewährungsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die inzwischen gute Sozialprognose ermögliche hier ausnahmsweise noch eine Strafaussetzung, so Richter Nikol. Allerdings muss die Frau die 16 000 Euro an das Autohaus zurückzahlen und ihre restlichen Schulden monatlich mit mindestens 400 Euro abstottern. Regelmäßige Termine beim Schuldnerberater sollen sie dabei unterstützen.

© SZ vom 03.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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