Ernsthaft daran geglaubt hatten nicht einmal die optimistischen unter den Grafinger Stadträten. Doch seit Dienstagabend ist die Überraschung perfekt: "Wir haben grünes Licht vom Landratsamt für eine Tempo-30-Zone in der Rotter Straße", hat Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) dem Bauausschuss berichtet. Der Vorstoß geht auf eine Initiative der CSU-Fraktion zurück.
Mittel zum Zweck ist die Herabstufung der bislang als Kreisstraße firmierenden Rotter Straße zu einer einfachen Ortsstraße. Bei dieser Straßenklasse haben Gemeinden innerhalb eines bestimmten Rahmens Mitbestimmungsrechte hinsichtlich der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Dazu gehören auch Beschränkungen, die über die sonst in Stadtgebieten geltenden 50 Kilometer pro Stunde hinausgehen. Jetzt ist klar: Grafing wird diese Option ziehen dürfen.
Die Argumentation aus dem Landratsamt sieht der Bürgermeisterin zufolge folgendermaßen aus: Eine Widmung als Kreisstraße sei für die Rotter Straße nicht mehr zwingend notwendig, weil der Grafinger Durchgangsverkehr mittlerweile auch über die Ebersberger Süd- und dann über die Grafinger Ostumfahrung fließen könne. Noch im vergangenen Jahr hatte die im Ebersberger Landratsamt angesiedelte unterere Verkehrsbehörde eine geschwindigkeitsreduzierte Rotter Straße kategorisch ausgeschlossen.
Allerdings war diese Aussage stets vor der Prämisse gefallen, dass die Rotter Straße Kreisstraße bleiben würde. In diesem Fall hätte man eine Temporeduzierung nur beim Umbau des Öxinger Platzes in Aussicht stellen können, so Landrat Robert Niedergesäß (CSU) dazu. Dies sei auch die Haltung des staatlichen Bauamts Rosenheim gewesen, mit dem er die Frage diskutiert habe. Wenn aber die Straße zur Ortsstraße abgestuft werde, dann könne die Stadt selbst über ein Tempolimit entscheiden, "dann geht uns das nichts mehr an".
Ein Türöffner für weitere Tempolimits?
Eine Abstufung sei dann möglich, wenn die Kreisstraße an eine andere qualifizierte Straße - also eine Staatsstraße oder Bundesstraße - angeschlossen werde. Dies sei hier der Fall; der "Wurmfortsatz" vom Kreisverkehr bis zur Innenstadt müsse also nicht mehr zwingend Kreisstraße sein.
Dass die neuerliche Argumentationslinie über die Ostumfahrungsanbindung die Tür öffnet für weitere Tempolimits, hat man im Grafinger Rathaus umgehend erkannt: "Wir planen, die 30 Stundenkilometer in einem Schwung mit der gleichen Beschränkung in der Griesstaße umzusetzen", kündigte Obermayr an. Wie die Rotter Straße ist auch die weiter südlich gelegene Griesstraße eine Zufahrt zur Ostumfahrung. Eine Argumentation, die für die Rotter Straße gilt, lässt sich bei der Griesstraße also kaum negieren.
Auch ein grober Zeitplan steht bereits. Grafings Bauamtsleiter Josef Niedermaier zufolge könnte die Stadt womöglich schon innerhalb von drei Monaten die Schilder für die neue Beschränkung aufstellen. Die Zustimmung des Stadtrats dürfte jedenfalls angesichts aller Tempo-30-Forderungen der vergangenen Monate lediglich eine Formalität darstellen.
Einen kleinen Nachteil muss die Stadt dafür allerdings in Kauf nehmen. Fällt eine Straße an Gemeinden zurück, müssen sie auch künftig für deren Unterhalt aufkommen. Zumindest in der Rotter Straße dürfte dies aber auf absehbare Zeit nicht drohen. Im Zuge der Bebauung des alten Brauereigeländes an der Kellerstraße war sie bis zur Brücke über den Wieshamer Bach komplett saniert worden.
Ob Tempo 30 in der Rotter Straße die Debatte über einen neuerlichen Umbau des Öxinger Platzes wieder eröffne? Der Bürgermeisterin zufolge ist dies nicht der Fall. "Das hat darauf überhaupt keine Auswirkungen", sagte sie der SZ. "Der Öxinger Platz ist fertig und Punkt." Sie verwies auf den Bürgerwettbewerb, der für ein Kunstwerk an der Nordost-Ecke des Platzes laufe. Den Gewinner muss jetzt der Stadtrat küren.