Veranstaltung zum Umweltschutz:Sturm und Andrang

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Volles Haus in Zorneding: Etwa hundert Besucher kommen am Dienstagabend im Gemeindesaal der Christophoruskirche zur Präsentation von Initiator Wolfgang Poschenrieder. (Foto: Christian Endt)

Ein Arbeitskreis zur Energiewende in Zorneding schlägt vor, im Ortsgebiet zwei Windräder zu bauen. Im voll besetzen Gemeindesaal gibt es Zuspruch - aber auch Kritik und Alternativvorschläge

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Da sind die süßen Flamingos, die im Wasser nach Krabben suchen. Aber auch eine niedliche Eule und ein majestätische Falke flackern von emotionaler Musik unterlegt auf der Wand auf. Gefolgt vom Gürteltier, einem kleine Igel, einem Eisbären und Löwenbabys, unterlegt mit Botschaften wie "Die Zukunft liegt in unseren Händen" oder "Weil es unsere Welt ist".

Es sind Szenen aus einem Youtube-Video, die die Besucher am Dienstagabend im Gemeindesaal der Zornedinger Christophoruskirche verfolgen, einige von ihnen im Stehen. Mit etwa hundert Besuchern ist der Raum so voll, dass die Stühle nicht reichen. Die Gäste wollen mehr erfahren, nicht über Flamingos oder Löwenbabys, wohl aber über die beiden im Zornedinger Süden angedachten Windräder, die ja auch ihren kleinen Beitrag zur großen Herausforderung Naturschutz liefern sollen.

Konkret schlägt das "Energie-Forum", also der Zornedinger Arbeitskreis zur Energiewende, zwei Windräder im Zornedinger Süden vor. Diese sollen als Projekt "von Zornedingern für Zornedinger" genossenschaftlich realisiert werden und unter Einbezug des Gemeinderats auch der Abstandsregel der Staatsregierung ("10 H") trotzen. Es ist kein einfaches Unterfangen, das zudem noch ganz am Anfang steht und bei der Informationsveranstaltung am Dienstagabend Fragen aufwirft: Wäre Photovoltaik nicht sinnvoller? Was ist mit Schall und Schatten? Und würde es das Windenergie-Projekt überhaupt durch den Gemeinderat schaffen?

Bevor diese Fragen zur Sprache kommen, hat Initiator Wolfgang Poschenrieder Befürwortern und Kritikern nicht nur mit Flamingos, sondern auch mit Fakten zum Thema eingestimmt. Zum Beispiel mit einem Diagramm, das die CO₂-Konzentration zeigt. "Oh", sagt eine Zuschauerin erschrocken, als Poschenrieder auf die Linie deutet, die derzeit exponentiell nach oben durch die Decke schießt. Seine Botschaft: "Wir müssen jetzt handeln."

Wie man im Landkreis Ebersberg erfolgreich handelt, wissen Werner Stinauer und Hans Zäuner. Die beiden Brucker haben aus einer Schnapsidee heraus das einzige Windrad im Landkreis geschaffen - mit Geduld, Hartnäckigkeit und jener Überzeugungsarbeit, die sie nun auch beim Schwesterprojekt in Zorneding leisten wollen. Zäuner zufolge generiert das Windrad im Brucker Moos jährlich dreinhalb bis vier Millionen Kilowattstunden. "Moderne Anlagen erzeugen fast dreimal so viel Strom", sagt er. In Zorneding könnte die Rechnung so ausschauen: Bei 4600 Haushalten bräuchte Zorneding mit einem durchschnittlichen Haushalts-Stromverbrauch von 3000 Kilowattstunden im Jahr also nahezu 14 Millionen Kilowattstunden. Selbst wenn zwei moderne, größere Windräder jeweils nur doppelt so viel Strom wie das Hamberger Windrad erzeugen würden, wäre der Bedarf schon gedeckt.

Von Vorteil ist, dass der Landkreis nach dem Fukushima-Unglück bereits einen Plan für Windkraft-Konzentrationszonen aufgestellt hat. Ein Teil der Voruntersuchungen würde also wegfallen, die restlichen soll die Gemeinde finanzieren.

Langwierig ist so ein Windrad-Projekt natürlich trotzdem, wie das Brucker Beispiel veranschaulicht. Zuerst haben 16 Nachbarn eine Genossenschaft gegründet, dann mussten sie diverse Gutachten einholen. Mit 19 Aktenordnern zur Prüfung für die Träger öffentlicher Belange marschierte man schließlich zur Genehmigungsbehörde - dem Landratsamt - um dann nicht die erhofften sechs Monate, sondern fünf Jahre auf das Windrad zu warten: Eine Bürgerinitiative und Vogelschützer hatten gegen den 77-seitigen Genehmigungsbescheid geklagt, wenn auch ohne Erfolg.

"Wer könnte sich vorstellen mitzumachen?", ruft Poschenrieder in die Runde, knapp die Hälfte reckt die Hand hoch. Im Publikum sitzen auch Kritiker. "Wäre Photovoltaik nicht sinnvoller?", will ein Mann wissen. Der Grünen-Fraktionssprecher Helmut Obermaier rechnet vor, dass man zum Erreichen der Energie von einem Windrad sämtliche Zornedinger Dächer mit Solarzellen zupflastern müsste: "Windkraft ist deutlich rentabler", so Obermaier. Was sich mit einer einfachen Rechnung bestätigt: Von 14 Millionen Kilowattstunden für Zorneding ausgegangen und sechs Quadratmetern Photovoltaik pro 1000 Kilowattstunden, bräuchte man für Zorneding 84 000 Quadratmeter Solarzellen - das sind mehr als zehn Fußballfelder.

Was ist mit Schall und Schatten? Die Befürworter erklären, dass das Hamberger Windrad akustisch nur dann leicht wahrnehmbar sei, wenn der Wind entsprechend kommt - "und die neuen Anlagen sind noch leiser", so Zäuner. Zudem gebe es eine Regelung, wonach einem Anwohner am Tag maximal dreißig Minuten Sonnenlicht entgehen dürfen - die Hamberger Anlage ist entsprechend ausgerichtet. Spielt der Gemeinderat denn mit? "Nageln Sie mich nicht auf eine Mehrheit fest", so Bürgermeister Piet Mayr (CSU), schließlich sei Wahlkampf. Das Gremium müsste angesichts der 10H-Regelung einen Teilflächen-Nutzungsplan aufstellen. Grüne, SPD und Freie Wähler dürften dafür eine Mehrheit mobilisieren. Zunächst aber haben die Initiatoren noch einen schwierigen Gang vor sich: Nach einer informellen Mitgliederversammlung müssen sie mit den Grundstücksbesitzern sprechen, die ihnen das Land verpachten könnten.

Interessenten können sich mittels Kontaktformular auf www.energie-forum-zorneding.de melden.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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