Kulturpolitik in Vaterstetten:Mangel als Chance?

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Der Vaterstettener Kulturbeirat hat seine Arbeit aufgenommen. Die Ziele sind mehr Abstimmung und ein "runderes" Kulturprogramm, aber auch neue Veranstaltungsräume will man erschließen.

Von Johannes Korsche, Vaterstetten

Es gibt ja dieses fiese Sprichwort: Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis. Nun ginge es natürlich zu weit, diesen Spruch auf den Vaterstettener Kulturbeirat zu übertragen. Schließlich ist der Beirat dadurch entstanden, dass Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) Referenten für einzelne Themen suchte - und Kulturreferentin Christl Mitterer (CSU) dann eben das Gremium gründete. Ratlosigkeit aber hat dabei wohl keine Rolle gespielt. "Wir haben viele Ideen", sagt jedenfalls Mitterer. Trotzdem: Es mutete schon ein wenig komisch an, dass mit der Gründung eben dieses Beirats im vergangenen Jahr die örtliche Kulturszene einen herben Dämpfer erfahren musste: Die Gemeinde strich das Budget für die weithin bekannten Vaterstettener Rathauskonzerte von elf auf vier Veranstaltungen im Jahr gehörig zusammen.

Inzwischen hat der zehnköpfige Kulturbeirat seine ersten Sitzungen hinter sich, es trafen sich Vertreter der Vaterstettener Pfarreien, der Musikschule, der Volkshochschule und der Gemeinde. Wer Christl Mitterer und Kay Rainer, im Rathaus für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen zuständig und ebenfalls Mitglied des Kulturbeirats, zuhört, bekommt den Eindruck: Die Vaterstettenerinnen und Vaterstetterner könnten von dem neuen Gremium profitieren. So gibt es nun einen Newsletter, der über Kulturtermine informier, Interessierte können sich dafür auf der Homepage der Gemeinde anmelden. Indes: Das "Kernproblem", wie Rathauskonzert-Intendant Kurt Schneeweis, ebenfalls Mitglied im Kulturbeirat, den fehlenden Kulturraum in der Gemeinde nennt, wird wohl weiter ungelöst bleiben.

Mitterer erklärt, dass in der neuen Turnhalle der Grundschule an der Wendelsteinstraße eine mobile Bühne aufgebaut werden könne, so dass dort auch kulturelle Veranstaltungen stattfinden könnten. Das sei dann zwar "akustisch nicht ein Gasteig" oder "ein Kulturtempel, wie ihn sich viele wünschen", aber durch die Parkplätze und die Gastronomie im direkten Umfeld eigne sich die Halle sehr gut für Veranstaltungen. Außerdem habe sie, gemeinsam mit Rainer schon eine Excel-Tabelle angelegt, mit allen möglichen Veranstaltungsräumen, die teils noch unentdeckt im Gemeindegebiet schlummerten. Zum Beispiel einen leeren Pferdestall, in dem Konzerte stattfinden könnten. Im Beirat sollen sich die Kulturschaffenden also ach zu diesem Thema austauschen, geeignete Räume anbieten und vorschlagen können. Die Idee von Mitterer und Rainer: "Aus dem Mangel eine Chance machen."

Es gehört zu den traurigen Folgen der Vaterstettener Finanzlage, dass man bei Mangel sogleich an das zusammengestrichene Budget für die Rathauskonzerte denken muss. Immerhin, Schneeweis ist "sehr zuversichtlich", auch mit den geringeren Mitteln hochkarätige Künstler für die Konzertreihe gewinnen zu können. Statt 60 000 Euro darf er nur mehr 18 000 Euro für die Gagen pro Jahr ausgeben. Aber wer weiß, "vielleicht wird es ja auch wieder aufgestockt", hofft Schneeweis mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie. Nur, um sich selbst gleich an die Greensill-Bank zu erinnern und die etwa 5,5 Millionen Euro, die dort vielleicht unrettbar angelegt waren.

Rainer im Vaterstettener Rathaus will positiv bleiben: "Gewisse Kürzungen bringen Kreativität mit sich." So könnte sich in Zukunft der Fokus auf Künstler von Weltrang richten, die ohnehin in der Nähe wohnen. Auf diese Weise fielen schon mal Hotelübernachtungen und Anreisekosten weg. Trotzdem: "Das Kulturbudget ist viel zu niedrig", betont Mitterer. Auch der "hiesige Musiker muss von etwas leben". Denn was viele Künstler derzeit finanziell durchleiden - "da geht's ans Eingemachte". Auch die Gemeinde Vaterstetten müsse über neue Finanzierungsmodelle nachdenken. Dabei denkt Mitterer an Firmensponsoring, private Spender und vermehrt an staatliche Fördertöpfe.

All diese Arbeit im Kulturbeirat soll, so wünscht sich Mitterer, dazu führen, dass ein Vaterstettener oder Baldhamer, wenn er das Wochenende plant, nicht direkt das Programm der großen Häuser in München googelt, sondern ein für seine Altersklasse passendes Angebot in seiner Gemeinde findet. Deswegen habe man bereits den Hashtag "lebendiges Vaterstetten" für die Sozialen Medien etabliert, unter dem die verschiedensten Kulturinstitutionen ihr Programm teilen sollen. Zudem sollen sich die Veranstalter künftig nicht mehr gegenseitig das Publikum streitig machen: Dass an einem Abend ein Rathauskonzert und ein Chorkonzert um Zuhörer konkurrieren, soll dank der Absprachen im Kulturbeirat nicht mehr vorkommen. Und das Kulturangebot solle insgesamt "runder" werden, sagt Mitterer.

Kay Rainer gibt ihr recht. "Für die 20 bis 35-Jährigen fehlt ein Programm", genauso wie für die jungen Familien, die immer mehr in die Gemeinde ziehen. Künftig wolle man aber diese genauso ansprechen wie den - vielleicht etwas älteren - Liebhaber klassischer Kammermusik. Zugleich "wollen wir die Hochkaräter haben", beeilt sich Mitterer hinzuzufügen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, die Rathauskonzerte seien angezählt. Überhaupt werde die Gemeinde nicht in das Angebot eingreifen, betonen Mitterer und Rainer. Aber: "Wir können Anstöße geben."

Für die kommende Zeit wird ohnehin die Corona-Pandemie weiterhin den Veranstaltungskalender diktieren. So hoffen alle, dass das Rathauskonzert des niederländischen Pianisten Ronald Brautigam am 25. April im Bürgersaal Haar stattfinden kann. Geplant werde derzeit vieles, "wir müssen ja was in der Hinterhand haben", sagt Rainer, aber letztlich bestimmt die Infektionslage, was möglich ist. Konkreter wollen die Verantwortlichen nicht werden. Aber "wenn wir im kommenden Jahr alle zusammen was Großes stemmen", sagt Rainer, "dann wäre das ein guter Start für den Kulturbeirat".

© SZ vom 24.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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