TSV Grafing:Wenn selbst der Meister nicht aufsteigt

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An diesem Samstag können die Grafinger gegen Freiburg die Tabellenspitze wieder übernehmen. (Foto: Marc Geisler)

Grafings Volleyballer liegen auf Platz zwei der 2. Liga. Sportlich würden sie damit in die Bundesliga gelangen. Warum es trotzdem nicht dazu kommen wird.

Von Viktoria Spinrad, Grafing

Man stelle sich vor, der Aufstieg in die Bundesliga winkt - und der Aufsteiger geht nicht hin. Was absurd klingt, ist im Volleyball normal geworden und derzeit Thema beim TSV Grafing, eine der erfolgreichsten Sportmannschaften des Ebersberger Landkreises. 16 Siege in 18 Spielen der zweiten Liga Süd, alle Heimspiele gewonnen, zweiter Tabellenplatz, jetzt geht es ins letzte Drittel der Saison.

Liebäugeln mit der ersten Liga? Fehlanzeige. "Den Schritt können und wollen wir gerade nicht gehen", sagt Manager Johannes Oswald. "Die zweite Liga hat viele Vorzüge", sagt Trainer Alexander Hezareh. Vor einem Jahr kämpfte sein Team bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg, nun will man mit den vier Neuzugängen zwar die zweite Liga gewinnen, aber nicht aufsteigen. Da stellt sich die Frage: Wieso?

Teil der Wahrheit ist, dass Grafing vielleicht weiterkommen wollen würde, aber es nach derzeitigem Stand nicht kann. Ein Grund dafür sind die Hallenvorgaben der Volleyball Bundesliga (VBL). Eine Profi-Halle muss eine Mindesthöhe von neun Metern zwischen Spielfeld und Decke haben - und Platz für 2500 Zuschauer bieten. Vorgaben, die die Jahnsporthalle bei weitem nicht erfüllt. Die fasst lediglich 800 Besucher und ist fast zwei Meter zu niedrig. Für eine vorläufige Ausnahmegenehmigung, mit der etwa der TSV Herrsching seit fast vier Jahren in der Bundesliga spielt, wäre das zwar ausreichend. Allerdings müsste auch die Perspektive gegeben sein, dass eine Profi-Halle im Bau ist, wie VBL-Manager Daniel Sattler erklärt.

Doch das ist nicht in Sicht. Eine entsprechende Profi-Halle sei in Grafing "ein lang gehegter Traum", wie Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) sagt. Bereits 2011 hätte die erste Mannschaft theoretisch in die Bundesliga aufsteigen dürfen. Kurz nach dem Saisonabschluss gab es Beratungen für neue Sportstätten. Der Anschub für einen Neubau blieb indes bis heute aus, auf allen Ebenen klagte man über fehlende Mittel. Im Grafinger Stadtrat ist eine neue Halle seit Jahren kein Thema mehr.

Trainer des TSV Grafing
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"Wir wissen, wo wir herkommen"

Von einer demotivierenden Situation, Frust oder einem undurchlässigen Ligasystem will man beim TSV Grafing, der bis zuletzt sechs Wochen lang die Tabelle anführte, trotzdem nichts wissen. Vielmehr scheint die Erleichterung zu überwiegen, sich in der zweiten Liga eine komfortable Lage erspielt zu haben. "Wir wissen, wo wir herkommen. Jetzt geht es auch mal darum, die Situation zu genießen", sagt Manager Oswald. Wie er verweist auch Trainer Hezareh auf die Vorzüge der zweiten Liga: kurze Wege zu den Auswärtsspielen, drei statt bis zu acht Mal Training in der Woche, eine Liga, die trotzdem fordert. Und: ein harmonisches Team, dessen Jungspieler nebenher noch studieren können.

Zum Beispiel der Kracher-Zugang dieser Saison. "Die erste Liga kommt für mich momentan nicht infrage", sagt Julius Höfer, 25, der ehemalige Erstliga-Angreifer, der gerade wegen der zweiten Liga von Herrsching nach Grafing gewechselt war. Vorbei die Jahre, in denen er zum Auswärtsspiel nach Berlin, Lüneburg oder Solingen anreisen und bis zu acht Mal in der Woche trainieren musste. "Da bleibt nicht mehr viel Zeit. In Grafing bin ich glücklich", sagt der Maschinenbau-Student. Und auch Hezareh gesteht, mit seinen Jobs als Trainer, Skilehrer und vier kleinen Kindern gut ausgelastet zu sein.

Work-Life-Balance statt Bundesliga? Zwar hat die Mannschaft seit dieser Saison eine eigene Scouting-Abteilung - vier Leute, die gegnerische Teams per Video analysieren - sowie seit kurzem einen eigenen Teamarzt, die Professionalisierung läuft also. Doch der Aufstieg würde den Sprung vom Amateur- ins Profigeschäft bedeuten. Der Jahresetat müsste sich langfristig fast vervierfachen, auf etwa 450 000 Euro. Trainer und Spieler hätten keinen Teilzeit-, sondern einen Vollzeitjob, neue Profispieler müssten angelockt werden, TV-Infrastruktur installiert, die Nachwuchsarbeit professionalisiert werden.

Zwar gäbe es etwas Schützenhilfe von der Bundesliga. Aber Manager Oswald sagt, seine Abteilung sei einfach noch nicht so weit. Und in einen anderen Landkreis ausweichen wolle man erst recht nicht: "Wir sind Grafinger und im Landkreis Ebersberg daheim." Am liebsten wäre ihm ein Sponsor, der den Traum einer erstligatauglichen Halle ermöglicht.

Doch ein vorsichtiges Liebäugeln mit der Bundesliga

Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Ohne Aussicht auf einen möglichen Standort für eine solche Halle ist es schwierig, zahlungskräftige Sponsoren anzulocken. Genau bei der Standortfrage schimmert aber doch etwas Hoffnung für den Grafinger Traum. Und zwar, falls die Stadt den Zuschlag für eine landkreisübergreifende Berufsschule bekommen sollte, die in Grafing-Bahnhof entstehen könnte. Dann müsste sowieso eine Ballsporthalle gebaut werden. Bürgermeisterin Angelika Obermayr warnt hier zwar vor zu viel Optimismus: "Inwieweit eine solche Halle tauglich für die erste Bundesliga wäre, wage ich nicht zu beurteilen", sagt sie. Aber mit einer Finanzspritze von Sponsoren?

Viel Zeit zum Träumen bleibt an diesem Wochenende zunächst eh nicht: Am Samstag spielen die Grafinger Volleyballer gegen den Ligasiebten in Freiburg, wo sie schon lange nicht mehr gewonnen haben. Dazu kommt, dass drei Spieler angeschlagen sind. "Das wird knackig", sagt Manager Johannes Oswald. Mit einem Sieg könnte das Team die Tabellenführung zurückerobern - und damit einen weiteren Schritt in Richtung Aufstieg und der Frage machen, ob eine Mannschaft, die die Saison auf einem Aufstiegsplatz beendet, nicht auch aufsteigen sollte.

Der Manager und der Trainer sehen das als Frage der Zeit - und liebäugeln doch vorsichtig mit der höchsten Spielklasse. "Auf lange Zeit sehe ich den Zug nicht als abgefahren", sagt Oswald. Trainer Hezareh fügt hinzu: "Wenn wir drei, vier Jahre oben mitspielen und die Rahmenbedingungen passen, dann sind wir die letzten, die sagen: In die Bundesliga gehen wir auf keinen Fall."

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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