Kandidat für den Tassilo 2018:Historiker aus Leidenschaft

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"Ich befrage Leute, wühle in Archiven und organisiere Ausstellungen, die die Grafinger betreffen", so beschreibt Bernhard Schäfer seine Arbeit. (Foto: Christian Endt)

Der Jakobneuhartinger Bernhard Schäfer bewahrt Vergangenes für die Zukunft.

Von Carolin Schneider, Grafing

Wenn sein Vater früher Geschichten über vergangene Ereignisse erzählt hat, war Bernhard Schäfer Feuer und Flamme. Er lauschte andächtig - Geschichten über Burgen hatten es ihm besonders angetan. Der Höhepunkt waren Ausflüge zu den alten Festungen, wo sich der kleine Bub direkt in die Vergangenheit träumen konnte. Schäfer ist nun größer und älter geworden - inzwischen träumt er nicht mehr von Rittern und Burgen -, doch er ist immer noch fasziniert von den Dingen, die in der Vergangenheit geschehen sind. Seiner Arbeit als Archivs- und Museumsleiter in Grafing kommt das große Interesse an Geschichte zugute. Doch das ist es nicht allein, was Bernhard Schäfer zu einem würdigen Kandidaten für den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung macht.

Es sind die Dinge, die er neben seiner Arbeit macht, beinahe jeden freien Augenblick, oft bis tief in die Nacht, aber immer mit großer Freude und Begeisterung. Wer alle Ehrenämter von Bernhard Schäfer aufzählen möchte, braucht Zeit: Er ist Vorsitzender des Historischen Vereins im Landkreis Ebersberg, Kreisarchivpfleger, Berater der Kreisdokumentation, Vorsitzender des Heimatvereins Frauenneuharting und Mitglied im Vorstand des Verbands Bayerischer Geschichtsvereine. Plötzlich unterbricht Schäfer seine Aufzählung. "Das reicht", sagt er und winkt bescheiden ab. Ungesagt bleiben weitere kleine Aufgaben, die der 51-Jährige ehrenamtlich macht. Bescheidenheit ist eben ein gutes Wort, um Bernhard Schäfer zu beschreiben: Er erzählt sachlich, was er macht, und erwähnt nebenbei, dass die Anerkennung eher denjenigen gebührt, "die viel mehr machen". Obwohl er derjenige ist, der neben Arbeit und Ehrenamt kaum noch Zeit für Freizeit hat. Manchmal komme tatsächlich der Moment, in dem er sich denke: Das auch noch? "Jeder Tag hat halt nun mal nur 24 Stunden", gibt Schäfer zu bedenken. Dass da ab und zu die Zeit knapp wird, ist klar.

Warum er sich trotzdem so viel engagiere? Sofort erscheint ein Lächeln auf Schäfers Gesicht: "Die Begeisterung für die Geschichtsarbeit", sagt er nur. Diese ist ihm wahrlich anzusehen. Während er über sich selbst nur wenig preisgibt, kommt er ins Erzählen, sobald es um seine Arbeit oder sein Ehrenamt geht. Ihm gefalle es, den eigenen Lebensraum zu erkunden. Außerdem wolle er das Geschichtsbewusstsein stärken. Das beginne schon in der Schule. "Der Bayerische Verband der Geschichtsvereine spielt auch bei der Neugestaltung der Lehrpläne eine Rolle", erklärt Schäfer. Gemeinsam tragen sie Sorge dafür, dass das Fach Geschichte nicht zu kurz komme an den Schulen Bayerns. So sei ein Projekt, an dem Schäfer mit dem Verband Bayerischer Geschichtsvereine zurzeit arbeitet, eine Ausstellung über die Parlamentarier des ersten bayrischen Landtages. Die historischen Vereine wurden dazu aufgerufen, Informationen über Abgeordnete des Landtages, die in ihrer Region lebten, zu sammeln. Die Idee sei es, daraus ein Schulkooperationsprojekt zu machen, bei dem Schüler mit Unterstützung der Vereine die Abgeordneten in den Blick nehmen. Schäfer hatte in Ebersberg doppeltes Glück. Es lassen sich zwei Männer finden, die Teil des ersten Landtages waren: Anton von Hofstetten, Schlossherr auf Falkenberg, und Anton Grandauer, Wirt und Posthalter in Zorneding. Und auch die Schulen meldeten sich schnell freiwillig: Während sich Schüler des Gymnasiums in Kirchseeon um Anton von Hofstetten kümmern, sammeln Gymnasiasten aus Vaterstetten Informationen über Anton Grandauer. "Das freut mich sehr", so Schäfer. "Denn so kann Geschichtsarbeit auch spannend sein!"

Schäfer selbst kommt es gar nicht in den Sinn, dass Geschichtsarbeit nicht spannend sein könnte. Für ihn sei seine Arbeit so gar nicht trocken. "Es geht ja nicht nur darum, Objekte zu erfassen und Archivarien mit Signaturen zu versehen", erklärt er. Die Arbeit, die er mache, sei so viel mehr: Er erforscht, ermittelt, stellt dar und kümmert sich so darum, dass historische Ereignis auch für die Zukunft festgehalten werden. "Meine Arbeit ist sehr vielfältig", so Schäfer. "Ich befrage Leute, wühle in Archiven und organisiere Ausstellungen, die die Grafinger betreffen." Wenn Schäfer von seiner Arbeit redet, klingt er entspannt und begeistert zugleich. Im Museum bewegt er sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit, wie es andere in ihrem Wohnzimmer tun.

In jedem Jahr gibt Bernhard Schäfer eine Schriftensammlung heraus. "Land um den Ebersberger Forst" heißt sie, darin Geschichten rund um Politik, Kunst und die Gemeinden im Landkreis. "Wenn es um die Jahrbuch-Redaktion geht, sitze ich auch mal bis tief in die Nacht am Schreibtisch", gibt der Museumsleiter zu und zuckt mit den Schultern. Es scheint ihm nichts auszumachen, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, um jährlich ein Buch herauszubringen. In diesem Jahr erscheint Band 20, denn so lange gibt es den Historischen Verein des Landkreises bereits. "Für einen Historiker sind 20 Jahre Schall und Rauch", erklärt Schäfer jedoch. Deshalb sei für das Jubiläum nichts geplant. Man wolle einfach so weiter machen wie bisher und nicht etwa mit einer Feier an die Öffentlichkeit gehen.

Bernhard Schäfer ist sowieso einer, der seine Aufgaben hauptsächlich im Stillen erledigt und darum keinen Lärm macht. Das sei schon immer so gewesen. Der 51-Jährige hat Geschichte und Politikwissenschaften in München studiert. Anders als viele Studenten lebte er aber während dieser Zeit nicht in der Großstadt, sondern weiterhin in Jakobneuharting, wo er aufgewachsen ist und auch heute noch lebt. "Den großen Sprung habe ich nie gewagt", gibt er zu. "Aber ich hatte einfach nie das Bedürfnis, wegzugehen." Wozu auch, findet er doch auch um ihn herum immer wieder spannende neue Dinge zu entdecken und erforschen.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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