Kandidat für den Tassilo 2018:Die Kinderschuhe abgestreift

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Yannick Bernhard ist nicht nur Vorsitzender der "Jüngsten Kultur", sondern bringt sich auch als DJ ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Zornedinger Verein Jüngste Kultur engagiert sich bereits seit zwölf Jahren für Jugendliche.

Von Victor Sattler, Zorneding

Mit seinem zwölften Geburtstag hat der Zornedinger Verein "Jüngste Kultur" die Kinderschuhe ausgezogen und, etabliert wie er ist im Landkreis, eine gewisse Reife erlangt. Jugendliche mit zwölf Jahren sind bereits im besten Alter, um sich mit dem breiten Angebot des Vereins auseinanderzusetzen. Viel älter seien neue Mitglieder teils auch gar nicht, wenn sie zum ersten Mal in die Versammlungen hineinschnupperten, sagt Vorstandsmitglied Moritz Dietz - manche von ihnen noch mit Mutter im Schlepptau. Den Superlativ "jüngst" im Titel werden die Mitglieder aber trotz langjährigen Wirkens beibehalten, denn er bezieht sich nicht darauf, wie der Verein 2006 aus dem Nichts - oder eher: aus dem Wunsch nach mehr Jugendräumen heraus - als Initiative gegründet wurde, sondern auf den besonderen Schwerpunkt, der hier aufs Einbinden jüngster Kulturfans und Fördern neuester Kulturformen gelegt wird.

Kultur kann alles sein, was sich der Mensch selbst gestaltet, so die Überzeugung, "jegliche Art von Kunst und deren Künstler" heißt das offiziell. Eine doppelte Betonung des Kunstbegriffs und der Beziehung zwischen Macher und Produkt - eine Leinwand ohne weitere Vorgaben. Folglich dient auch das halbjährlich veranstaltete Elektrofestival "Electro Open" einem höheren Ziel als nur dem Abfeiern: nämlich jungen DJs und SheJs eine Plattform zu bieten, um sich am Mischpult in Electro und Techno ausprobieren zu dürfen. "Die meisten denken beim Namen unseres Vereins nicht an Party", sagt Dietz und lacht, "aber das ist genau, was ich unter Kultur verstehe. Jeder bringt mit, was er gut kann, und jeder darf sich einbringen." Der 23-Jährige ist für seine ungewöhnlichen Ideen berüchtigt, für die Zukunft schweben ihm etwa "Rodelveranstaltungen", eine "Ausstellung über das Leben" und gemeinschaftliche Familienfeste vor. Den anderen tritt eine kleine Schweißperle auf die Stirn: Familie, echt? Im Verein kann jedes Projekt vorgeschlagen werden und gilt erst mal als diskutierfähig. Manche davon dürfen Luftschlösser sein, anderes steht aber auf festem Boden wie das Zornedinger Jugendhaus, das der Verein 2016 mangels Jugendpfleger für zehn Monate erfolgreich leitete.

Die 20 aktiven Mitglieder um den Vorsitzenden Yannick Bernhard stehen in regem Kontakt mit Pfarreien, Feuerwehr und Volleyballern, kooperieren mit Seniorenbeiräten, Behindertenbeauftragten oder dem Bündnis "Bunt gegen Braun". Auch mit der Gemeinde verstehe man sich blendend, nie würde das Rathaus ihnen Steine in den Weg legen. Ganz im Gegenteil: Der Bauhof transportiert regelmäßig Zäune an den Veranstaltungsort. So ist der Verein, seit er sich 2007 zum ersten Mal eine Satzung gab, immer professioneller und weltmännischer geworden, hat sich vernetzt und eine echte Marke aufgebaut. Vor ein paar Jahren sei das alles so noch nicht möglich gewesen, sagt Dietz, doch jetzt: "Läuft bei uns." Nicht zuletzt für anhaltendes Engagement und ehrenamtlichen Unternehmergeist ist der Verein nun wieder für den Tassilo nominiert, den Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung, der alle zwei Jahre auch an junge Kulturschaffende in der Region verliehen wird.

Die 18-jährige Sarah Möhrlein, seit drei Jahren dabei, muss sich am Tag nach dem Winter Open vorübergehend von der Vereinsarbeit trennen, weil sie für ein Halbjahr in die USA geht. "Jüngste Kultur, das ist ein chaotischer Haufen, der am Ende immer was Cooles auf die Beine stellt!", resümiert Möhrlein zum Abschied. Die vielen Möglichkeiten, kreativ tätig zu werden, im Sommer mit Gesichtsfarben in der Hand über die Wiese des festivalesken Tanztreffs zu laufen und den Gästen einen neuen Anstrich zu verpassen, aber auch viele lustige Anekdoten, etwa von im Tiefschnee feststeckenden LKWs, hätten die Zeit im Verein so prägend für sie gemacht. Doch auch dazulernen kann man eine ganze Menge, hat Möhrlein gemerkt: Obwohl eigentlich keine Freundin der Technik, weiß sie mittlerweile genau, welches Kabel wo rein gehört, einfach durchs Mitanpacken.

Wer solche Erfahrungen machen will, ist bei der Jüngsten Kultur jederzeit willkommen. Große Teile der Planung und Kommunikation laufen über ein Online-Forum ab, was es erlaubt, dass sich die Mitglieder über den ganzen Landkreis verteilen, das aber gleichzeitig auch den Neuzugang erschwert. Yannick Bernhard darf mit seinen 25 Jahren höchstens noch zwei Jahre Vorsitzender und aktives Mitglied sein, so lauten die Regeln. Danach bleiben aber viele dem Verein als Fördermitglieder treu - und Bernhard freut sich auch, das Feld dann wiederum den Jüngsten zu überlassen.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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