SZ-Serie: Kunst im Rathaus:Europa schaut über die Schulter

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Das Büro des Vaterstettener Bürgermeisters Georg Reitsberger ist wie ein komprimiertes Abbild der Gemeinde: kunst- und kulturbeflissen

Von Theresa Parstorfer, Vaterstetten

Auch ein expressives Porträt von Martin Ritter ist unter den Werken in Reitsbergers Büro. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama hatte eine Vorliebe für die Grafikdrucke von Edward Ruscha, Helmut Schmidt bevorzugte nordische Künstler wie Emil Nolde. Und was hängt über den Schreibtischen unserer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister? Dieser Frage geht die SZ Ebersberg in der Serie "Kunst im Rathaus" nach: ein kleiner Rundgang durch die Amtsstuben im Landkreis.

Ihr Kleid hebt Europa mit einer Hand in die Höhe. Damit es nicht nass wird, denn die junge Frau steht im Wasser. In der anderen Hand hält sie eine Leine, an deren Ende ein Stier die Hörner Richtung Himmel reckt. Dort, aus dem Himmel, kommt das Tier auch her, denn kein normaler Stier, sondern der Göttervater Zeus ist das. Der verliebte sich laut griechischer Mythologie bekanntlich und sehr zum Ärgernis seiner Frau Hera des Öfteren in sterbliche Frauen - und in diesem einen Fall soll er dadurch maßgeblich zur Gründung Europas beigetragen haben. Modern und farbenprächtig hat die Hobby-Künstlerin Heike Schmidt-Pfeil diese altbekannte Geschichte in einem Gemälde interpretiert. Schillernd, beinahe vibrierend, leuchten die Blätter der Bäume im Hintergrund von der Leinwand und aus dem Blau der kleinen Wellen um Europas nackte Beine springen fliegende Fische.

Allerhand Kunst ziert das Büro von Bürgermeister Georg Reitsberger: unter anderem ein "Vaterstettener Dorfleben" von Helga Keller. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einen ganz besonderen Platz hat dieses farbenfrohe Kunstwerk. Denn wenn die Künstlerin gerade nicht malt, arbeitet sie im Vorzimmer des Vaterstettener Bürgermeisters. Und ihr Chef Georg Reitsberger hat sich so über das Geschenk seiner Mitarbeiterin gefreut, dass er es direkt hinter seinem Schreibtisch aufgehängt hat. So kann Europa ihm bei der täglichen Arbeit über die Schulter schauen. Doch nicht allein ist die junge Dame mit dem Stier damit in Reitsbergers Büro. Insgesamt neun Bilder und einige Skulpturen leisten dem Bürgermeister bei seinen täglichen Aufgaben Gesellschaft.

Reitsberger hält hier stolz eine Gemeinschaftsarbeit des "Farbkreises Vaterstetten" in die Kamera. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Ein Loher darf natürlich nicht fehlen", sagt Reitsberger und zeigt auf das größte Kunstwerk im Raum. Für den Anzinger Maler typische großflächig, leicht verwischt aufgetragene Farben bilden eine sonnige Landschaft. Angeschafft hat dieses Kunstwerk bereits Reitsbergers Vorvorgänger Peter Dingler. Ebenso wie gleich zwei Werke von Martin Ritter, dem lange Zeit in Baldham lebenden Künstler. Viele seiner Werke werden als künstlerischer Nachlass von einem Verein verwaltet. Bald soll das ehemalige Wohnhaus des Künstlers mit einer Dauerausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Wie ein komprimiertes Abbild der Gemeinde selbst erscheint da das Bürgermeisterbüro, denn man sei in Vaterstetten durchaus "kultur- und kunstbeflissen", sagt Reitsberger. Wie viele Gemälde insgesamt sich im Rathaus bereits verteilt befänden, wisse er gar nicht. Denn bei der Brandschutzsanierung des Gebäudes haben einige Werke ihren Platz verloren und müssen im Keller zwischengelagert werden.

Unschwer zu erkennen: eine Karikatur von Franz Eder, die Bürgermeister Georg Reitsberger darstellt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wenn Reitsberger ehrlich ist, hat er sich vor seinem Amt als Bürgermeister persönlich nicht sonderlich für Kunst interessiert. Das gibt er mit einem Augenzwinkern zu - und deutet auf eine Karikatur zwischen den beiden Fenstern seines Büros. Mit einem breiten Grinsen hat der Künstler Franz Eder hier den Bürgermeister gezeichnet, wie er sich mit einer Hand auf seinen Traktor schwingt. "Ich und mein Bulldog", sagt Reitsberger, "das ist immer Thema". Mittlerweile ist es ihm allerdings neben dem Bulldog auch wichtig, Kunst und Künstler zu fördern. So hat er sich vor einiger Zeit auch zum ersten Mal selbst für die Anschaffung eines Kunstwerkes eingesetzt.

Ein aus 20 einzelnen quadratischen Leinwänden zusammengesetztes Kollektiv-Kunstwerk ist das. Eine Gruppe von Künstlern des Vaterstettener Farbkreises hat die Arbeit, die das Rathaus in verschiedenen Maltechniken zeigt, geschaffen. In einer der regelmäßig stattfindenden Rathausausstellungen des Farbkreises hat Reitsberger das Gemälde zum ersten Mal gesehen und dann dafür gesorgt, dass das Motiv gewissermaßen auch zum Ausstellungsort wird: Das Mosaikbild des Rathauses ist inzwischen im Lichthof desselben zu bewundern.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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