SZ-Serie: Im Schilde geführt, Folge 7:Zornedinger Preußen

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Der Wappensgeber von Zorneding macht sich in der Gemeinde ziemlich rar. Lediglich ein Graffiti am Bahnhof verweist heute noch auf Ludwig den Brandenburger, der hier im Jahr 1361 gestorben ist. (Foto: Christian Endt)

Das Wappen der Gemeinde hat mit dem Ort selbst im Grunde genommen gar nichts zu tun, denn es bildet anstelle von Lokalkolorit den Brandenburger Adler ab. Zu verdanken ist das einem Herrscher auf der Durchreise

Von ANDREAS JUNKMANN

Auch in Zorneding trifft man zuweilen auf Menschen, die der bairischen Sprache nicht mächtig sind. Das ist in einer Zuzugsgemeinde, wie es die Kommune im westlichen Landkreis ist, jedoch nicht weiter ungewöhnlich. Dennoch ist der Ort so etwas wie die preußische Hochburg in der Region, was aber nicht zwingend mit dem dortigen Dialekt zu tun hat, sondern vielmehr mit der engen Verbindung zu einem Adeligen aus dem hohen Norden - die sich auch im Wappen der Gemeinde widerspiegelt.

Auf dem Zornedinger Emblem ist vor weißem Hintergrund ein roter Adler abgebildet, der mit seinen Krallen zwei verkohlte Äste umklammert. Nun gilt der Raubvogel gemeinhin als beliebtes Wappentier und ist deshalb nicht weiter ungewöhnlich. In diesem Fall aber schon: Es handelt sich hier um den sogenannten Brandenburger Adler, der auch auf der dortigen Landesflagge zu sehen ist. Wie also kommt die beschauliche oberbayerische Gemeinde zu einem Wappentier, das eigentlich zu einem etwa 600 Kilometer entfernten Bundesland gehört?

Die Antwort auf diese Frage kann Hans-Joachim Lang geben. Der Zornedinger ist seit einigen Jahren Mitglied im örtlichen Heimatkundeverein und hat sich für das Heimatbuch aus dem Jahr 2013 intensiv mit dem Gemeindewappen beschäftigt. "Das Wappentier kommt daher, weil Ludwig der Brandenburger in der Nähe von Zorneding gestorben ist", sagt der Heimatforscher. Das Emblem habe mit dem eigentlichen Ort also nur recht wenig zu tun. Vielmehr sei es als Zeichen zu sehen für die enge Verbindung von Zorneding mit dem Adelshaus der Wittelsbacher.

Aus eben jenem Geschlecht entstammt nämlich Ludwig der Brandenburger, der als Ludwig V. von Bayern in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gewirkt hat. Mit dessen Vater, Ludwig IV., stellten die Wittelsbacher erstmals den römisch-deutschen König. Neben den angestammten Besitzungen Bayern und Pfalz kamen im Laufe der Regentschaft auch Brandenburg, Tirol und Holland hinzu. Nach dem Tod des Königs gingen die Gebiet an dessen insgesamt sechs Söhne über. Ludwig der Brandenburger bekam zusammen mit zwei seiner Halbbrüder Oberbayern, Tirol und eben Brandenburg zugesprochen.

Ludwig der Brandenburger liegt vermutlich in der Krypta der Münchner Frauenkirche begraben. (Foto: Robert Haas)

Da sich Ludwig vor allem um die Besitzungen Tirol und Oberbayern kümmerte, pendelte er immer wieder zwischen München und Meran. Eine dieser Reisen hat sein Schicksal schließlich untrennbar mit Zorneding verbunden: "Vermutlich auf der Rückreise aus Tirol ist Ludwig hier bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen", erklärt Hans-Joachim Lang. Das war am 18. September 1361.

Exakt 588 Jahre später erinnerte sich offenbar jemand im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München an dieses Ereignis. Von 1949 an liefen nämlich die Verhandlungen über die Schaffung eines Gemeindewappens für Zorneding. Laut Heimatverein habe man damals mangels anderer geschichtlicher Anhaltspunkte auf das Wappen von Ludwig dem Brandenburger zurückgegriffen, das die Gemeinde nun seit 1951 als offizielles Emblem führt.

Bis auf das Wappen hat der Herrscher aber nur recht wenige Spuren im Ort hinterlassen. Bestattet wurde er wohl, zumindest vermutet man das beim Heimatverein, in der Krypta des Münchner Doms, einem Begräbnisort zahlreicher Wittelsbacher. Auch Gemälde oder Statuen sucht man in der Gemeinde vergeblich. Die einzige Spur, die im heutigen Zorneding noch von Ludwig zeugt, ist bezeichnenderweise nicht historisch: Als die Gemeinde im Zuge der 1200-Jahr-Feier die Lärmschutzwand am Bahnhof mit Graffitis zur Ortsgeschichte verzieren ließ, hat der Künstler dort auch Ludwig den Brandenburger verewigt - natürlich stilecht in Ritterrüstung.

Das Zornedinger Wappen. (Foto: Privat)

Der preußische Adler ist aber nur eines der beiden Elemente des Gemeindewappens. Bleibt noch die Frage zu klären, was es mit den Ästen auf sich hat, die der Vogel in den Fängen hat. Hier fließt zumindest ein bisschen direkte Ortsgeschichte mit ein, denn die beiden verkohlten Holzstücke stellen Rodungssymbole dar. Zorneding, das sich wie eine von Bäumen freigeschlagene Insel aus dem Forst heraus entwickelt hat, führte dem Haus der Bayerischen Geschichte zufolge bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 813 noch den Namen "Zornkeltinga". Dabei hat der Bestandteil "Zorn" nicht, wie vielleicht zu vermuten wäre, etwas mit Ärger zu tun, sondern bezeichnet den Vorgang, die Erde aufzuzerren - also das heutige Roden.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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