SZ-Serie: Der Start ins Amt:Neue Fußstapfen

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Auch wenn Kirchseeons neuer Bürgermeister Jan Paeplow ein Quereinsteiger in die Kommunalpolitik ist, hat er für seine Amtszeit einen klaren Plan. (Foto: Christian Endt)

Jan Paeplow hat als Bürgermeister von Kirchseeon ein großes Erbe anzutreten. Davon will sich der 44-Jährige aber nicht abschrecken lassen - im Gegenteil. Er möchte im Markt seine eigenen Spuren hinterlassen

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Als Udo Ockel das erste Mal zum Bürgermeister von Kirchseeon gewählt wird, ist sein heutiger Nachfolger gerade 26 Jahre alt. Seit diesem Mai nun lenkt Jan Paeplow die Geschicke der Marktgemeinde, in der er ein entsprechend großes Erbe anzutreten hat, schließlich war sein Vorgänger 18 Jahre lang im Amt. Davon will sich der 44-Jährige aber nicht abschrecken lassen: "Der Udo hat große, aber eigene Fußstapfen hinterlassen. Jetzt möchte ich meine eigenen Fußstapfen hinterlassen", sagt er selbstbewusst. In den ersten Wochen und Monaten seiner Amtszeit allerdings lief dieses Vorhaben coronabedingt noch etwas schleppend an, wenngleich Paeplow bereits einige Projekte auf den Weg gebracht hat.

Als die Kirchseeoner Bürgerinnen und Bürger Ende März zur Wahlurne beziehungsweise vielmehr zum Briefkasten geschritten sind, hatten sie Möglichkeit, sich zwischen dem erfahrenen Lokalpolitiker Klaus Seidinger von der Unabhängigen Wählergemeinschaft oder dem "Newcomer" Jan Paeplow zu entscheiden. Die Wahl fiel mit 58,5 Prozent der Stimmen auf den Kandidaten der Christsozialen - und damit für Innovation statt Tradition. Mit guten Ideen und der nötigen Überzeugungskraft wolle er die Marktgemeinde in eine gute Zukunft führen, hatte Paeplow im Wahlkampf versprochen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit aber musste er feststellen, dass es von der guten Idee bis zu deren Umsetzung mitunter ein steiniger Weg sein kann.

Vor allem die Corona-Pandemie hat den neuen Kirchseeoner Rathauschef, wie alle seine Kollegen, natürlich kalt erwischt. "Im Wahlkampf hat man viele Ideen. Aber man muss sehen, was Corona aus diesen Ideen gemacht hat", sagt Paeplow. Die Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt seien schließlich noch nicht abzusehen. Es sei eben eine Situation, die vorher keiner gekannt hat und die entsprechend Entscheidungen erfordere, die man so vorher noch nie treffen musste. "Aber trotzdem will man ja die Erwartungen, die an einen gestellt werden, auch erfüllen. Das ist schon ein Spagat", so Paeplow.

Auch wenn der Start in die Amtszeit - obwohl nicht selbst verschuldet - ein nicht ganz reibungsloser war, hat der gebürtige Lauchhamer (Brandenburg), der seit 2008 in Kirchseeon lebt, die Entscheidung, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, zu keiner Zeit bereut. Es sei schließlich wie in einer Ehe: in guten wie in schlechten Zeiten. "Gerade wenn es nicht so gut läuft, muss man da sein", ist Paeplow überzeugt. Für andere da zu sein ist ohnehin eines seiner Leitmotive in der täglichen Arbeit. Er sei ein sehr sozialer Mensch, sozusagen das S in CSU, sagt er über sich selbst. Der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ist ihm daher besonders wichtig, selbst wenn es bloß ein kleiner Plausch auf der Straße ist.

Eine Frage, die er dabei in jüngster Zeit häufig hört, ist die, ob er sich schon in sein neues Amt eingelebt habe. "Ich antworte dann immer: gibt's diesen Tag überhaupt, an dem man sich eingelebt hat?" Bisher sei kein Arbeitstag wie der andere gewesen, von Routine könne gerade in Corona-Zeiten ohnehin keine Rede sein. Und auch sonst seien die Themen so vielfältig, dass man ständig vor neuen Herausforderungen stehe. "Aber das ist auch das Spannende an dem Job. Deswegen wollte ich ihn ja machen", sagt Paeplow.

Der 44-Jährige hat für das Amt einen radikalen Schnitt in seinem Leben in Kauf genommen. Paeplow war zuvor Pressesprecher bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd. Diese Tätigkeit musste er genauso hinter sich lassen wie seine vielen Kollegen. "Ja klar vermisst man die", sagt der neue Bürgermeister, der vor allem bedauert, dass es - auch wieder wegen Corona - keinen richtigen Abschied aus dem alten und keinen richtigen Einstieg in den neuen Job gegeben habe. "Es war ein Übergang, der keiner war", sagt Paeplow. Aber zumindest einer, auf den sich der zweifache Familienvater innerlich bereits frühzeitig vorbereitet hatte, denn als er sich zur Wahl gestellt habe, habe er natürlich gewusst, welche Konsequenzen das mit sich bringen könnte.

Doch das alles ist inzwischen Geschichte, und der Blick zurück liegt Paeplow ohnehin nicht so. Er ist jemand, der etwas bewegen möchte, einer, der einen klaren Plan verfolgt. Für sich selbst hat er bereits eine Projektliste mit Dingen angelegt, die er in seiner Amtszeit erreichen will. "Das ist auch mein eigener Anspruch, was ich in den nächsten sechs Jahren vorweisen möchte." Obwohl Corona dabei etwas auf die Bremse drückt, sind einige der Punkte bereits in der Umsetzung. So sei man etwa dabei, die Betreuung von Grundschulkindern nach der Schule vom kommenden Schuljahr an neu zu organisieren. Zudem treibe man den Digitalisierungsprozess in der Gemeinde weiter voran.

Doch der neue Bürgermeister wird sich in seiner Amtszeit auch mit deutlich größeren Themen beschäftigen müssen - einem davon hat er sich bereits gewidmet: Wie Paeplow sagt, habe er erste Gespräche mit den Eigentümern des Geländes geführt, auf dem früher das Bahnschwellenwerk stand und das in den vergangenen Jahren immer wieder überplant werden sollte. Was genau der Inhalt dieses Treffens war, will der 44-Jährige nicht verraten, nur so viel: "Ich bin guter Dinge, dass wir was Positives erreichen." Die Fläche südlich der Bahntrasse wird immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, neuen Wohnraum im Markt zu schaffen. Bisher sind entsprechende Vorstöße aber immer im Sand verlaufen, ein Durchbruch in dieser Angelegenheit könnte daher Paeplows größter Coup in seiner Amtszeit werden.

Weitere Schwerpunkte in den kommenden sechs Jahren werden die Grundstücksverhandlungen am Bundeswehrgelände, die Sanierung der Schule in Eglharting und womöglich ein neues Feuerwehrhaus sein. Selbstverständlich kann der Bürgermeister bei all diesen Projekten nicht alleine entscheiden, sondern ist auf die Zusammenarbeit mit dem Marktgemeinderat angewiesen. Dieser ist seit der Kommunalwahl nicht nur von 20 auf 24 Mitglieder angewachsen, auch die Debattenkultur hat sich merklich verändert. War das Kirchseeoner Gremium bisher vor allem für seine harmonische Entscheidungsfindung bekannt, ist der Wind in den Diskussionen deutlich rauer geworden. Für Paeplow ist das aber nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen: "Jeder soll seine eigene Meinung haben. Wichtig ist, dass wir insgesamt gute Lösungen für Kirchseeon finden. Es geht dabei nicht um das Empfinden des Einzelnen." Eine lebhafte Debatte sei aber auf jeden Fall begrüßenswert.

Jan Paeplow wird in den kommenden Jahren viele dieser Debatten leiten. Auf eines dürfte der neue Bürgermeister dabei besonderen Wert legen: "Ich mag es nicht, wenn man sagt: Das haben wir doch schon immer so gemacht, deswegen machen wir es auch weiterhin so." Denn Paeplow weiß: Wer stehen bleibt und nur zurückblickt, der hinterlässt keine Fußstapfen.

© SZ vom 27.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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