SZ-Adventskalender:Am Existenzminimum

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Viele Renten reichen noch nicht einmal für eine S-Bahn-Karte, geschweige denn eine Brille oder einen Ausflug ins Café

Von Christina Seipel, Ebersberg

Weihnachten stellt für so manchen Rentner im Landkreis Ebersberg eine finanzielle und psychische Belastung dar. Neben der Einsamkeit, wenn der Partner fehlt, reicht das Geld oft nicht mal mehr dafür, den Enkeln Geschenke zu kaufen. "Und schenken möchten sie trotz finanzieller Not." Darin sind sich Martina Kasper von den Sozialpsychiatrischen Diensten Ebersberg und Jutta Hommelsen vom Landratsamt einig. Als Mitarbeiterin des Zentralen Sozialdienstes berät Hommelsen Menschen in psychosozialen Krisen und schwierigen Lebenssituationen. Die Klienten, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, werden immer mehr, berichtet sie: "Die Fallzahlen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen und steigen weiter an."

Das Geld aus der Grundsicherung sei "sehr wenig zum Leben, speziell in einem Landkreis mit hohen Lebenshaltungskosten wie Ebersberg", sagt Hommelsen. "Da bleibt nicht viel übrig." Manchmal reiche es nicht einmal für notwendige Anschaffungen wie einen neuen Kühlschrank. Jutta Hommelsen erlebt solche Fälle immer wieder. Wenn Menschen erkranken oder pflegebedürftig werden, ist die finanzielle Situation noch prekärer. Eine Klientin, die an Krebs erkrankt ist, könne sich nicht einmal den speziellen Nagellack leisten, der verhindert, dass sich ihre Fingernägel während der Behandlung auflösen. Sonderausgaben wie diese, so notwendig sie sein mögen, sind in der Grundsicherung im Alter nicht vorgesehen. Mit knapp 400 Euro im Monat, die Rentner zur Miete dazu bekommen, lassen sich gerade die Grundbedürfnisse decken. Für medizinische Leistungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, wie Brillen, oder Zuzahlungen für Medikamente, müssen manche Rentner lange sparen.

Betroffen sind vor allem Menschen, die im berufsfähigen Alter nicht lange genug in die Rentenkasse einzahlen konnten, beziehungsweise keine private Rentenvorsorge getroffen haben. Das sind zum Beispiel Selbständige. Längere Ausfälle aus dem Berufsleben lassen Rentenansprüche ebenso schrumpfen. Oft wiesen die Arbeitsbiografien der Betroffenen Unterbrechungen auf, bedingt durch längere Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Krankheit, auf, so Hommelsen. Besonders häufig betroffen seien Frauen, die für die Kinderversorgung ganz aus dem Erwerbsleben ausgestiegen sind, oder nur in Teilzeit weiterarbeiten konnten. Doch auch viele Menschen, deren Rente knapp über dem gesetzlich geregelten Anspruch auf Grundsicherung im Alter liege, lebten am Rande des Existenzminimums. Die Gründe, die sie im Alter in die Armut schlittern lassen, sind vielschichtig. Oftmals ist es eine Kombination aus verschiedenen Faktoren: zu wenig Rente, keine Ersparnisse, teure Mieten und hohe Nebenkosten, die aus eigener Tasche bezahlt werden müssen. Zur Armut komme häufig die soziale Isolation. "Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist schwierig", berichtet Hommelsen. Vielen Rentnern fehlt das Geld, um an sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Manche könnten sich nicht einmal die Fahrt mit der S-Bahn leisten: "Die Menschen vereinsamen relativ schnell."

Ähnliche Erfahrungen hat auch Martina Kasper, Sozialpädagogin in der Gerontopsychiatrischen Fachberatung der Sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg, gemacht: "Beziehungsmangel ist ein häufiges Problem." Die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben aber sei wichtig für das "Seelenheil. Um ihre Klienten, die alle auch an einer psychischen Erkrankung leiden, in das soziale Leben zu integrieren, geht sie mit ihnen auch mal Kaffee trinken. "Es hilft, wenn sie einen Anlass haben, sich herrichten zu können."

Die Sozialpsychiatrischen Dienste Ebersberg unterstützen Betroffene mit verschiedenen Hilfs- und Betreuungsangeboten. Durch Spenden, die auch aus dem Adventskalender der Süddeutschen Zeitung stammen, konnten zum Beispiel Spiele und Musikinstrumente finanziert werden. Manchmal sind es aber auch die einfachen Dinge, die das Leben der Betroffenen leichter machen, wie Winterschuhe oder ein Beitrag für ein Seniorenbett. Einen Weg aus der Isolation finden Betroffene auch im Rahmen von Ausflügen. Bei einem Besuch auf dem Christkindlmarkt in Wasserburg hatten sie am Freitag Gelegenheit ihre finanziellen Sorgen und psychischen Leiden für einen kurzen Moment zu vergessen.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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