Ernährung:Versteckte Vitamine im Lieblingsessen

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Gemüse schmeckt gar nicht mal so schlecht, wenn es in Köttbullar versteckt ist. Das stellen die Kinder beim Kochen mit Sternekoch Stefan Marquard fest. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Starkoch Stefan Marquard zeigt bei einem Kurs in der Grundschule an der Karl-Sittler-Straße in Poing, wie gut Mensaessen schmecken kann. "Wir kochen das, was die Kinder sowieso lieben, aber eben gesünder", sagt er.

Von Vera Koschinski, Poing

Zerkochte Nudeln, wässrige Tomatensoße und eine Masse, die dem Geschmack nach zu urteilen ebenso gut Fleisch wie Gemüse sein könnte, ist das Bild, das viele Kinder in ihren Schulkantinen auf ihren Tellern geboten bekommen. Weil ein solches Essen doch häufiger im Restebehälter als in den Mägen der Kinder landet, entlädt sich der Hunger nachmittags zu Hause umso ausgiebiger an Süßigkeiten und Fast Food. Genau das will Sternekoch Stefan Marquard mit Unterstützung der Versicherung "Knappschaft" unter dem Motto "Sterneküche macht Schule" ändern. Für das Kochtraining hatte sich auch die Grundschule an der Karl-Sittler- Straße in Poing im vergangenen Jahr beworben. Mit Erfolg: Am Freitag durfte sie den Sternekoch bei sich in der Kantine empfangen. In den mehr als fünf Jahren, in denen das bundesweite Projekt nun schon umgesetzt wird, hat Stefan Marquard bereits mehr als 100 Schulen besucht.

Bei den Soßen wird auf Milchprodukte und Eier verzichtet

Jedes sechste Kind und über die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland sind heute übergewichtig, wobei ein Viertel der Erwachsenen an Adipositas leidet. Anfang 2017 startete die Aktion als Präventionsprojekt der Krankenkasse. Schulen seien einer der wichtigsten Lebensräume für Kinder, sagt Gisbert Frühauf, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Knappschaft München. "Wir müssen so früh wie möglich anfangen, eine Grundlage zu legen, um Kindern zu zeigen, dass Essen lecker und auch gesund sein kann." Den langwierigen, gesundheitlichen Folgen einer ungesunden Ernährung könne dadurch entgegengewirkt werden.

Dafür sei es wichtig, nicht nur gesund, sondern auch kindergerecht zu kochen, sagt Stefan Marquard. "Wir kochen das, was die Kinder sowieso lieben, aber eben gesünder." Als Kinderkochbuchautor und Familienvater schüttelt Marquard in Poing dafür einige Tricks aus seiner Kochschürze: In Beilagen, Soßen und selbst den Fleischspeisen ist Gemüse ein Muss. Am Freitag standen Köttbullar mit Kartoffelbrei und Soße als Hauptgericht auf der Speisekarte, wobei die Bällchen aus Fleisch sowie verschiedenem Gemüse geformt wurden.

Auch die Beilagen bestünden zu 50 Prozent aus Gemüse, und für die Soßen werde nur mit Kartoffelstärke und Hafermilch, statt mit Milchprodukten und Eiern gearbeitet. So kämen die Kinder um die Vitamine gar nicht herum. "Egal, was wir herrichten, das Auge isst mit", mahnt Schulrektorin Verena Heigl. Aber Kindern Gemüse schmackhaft zu machen, das fange schon bei der Zusammenarbeit in der Küche an. Nach den Erfahrungen Stefan Marquards sei es vor allem wichtig, "eine gleiche Gangart und eine gemeinsame Sprache mit den Kindern zu entwickeln". Dafür müsse man die Kinder als vollwertige Mitglieder eines Kochteams behandeln. Mit einer gewissenhaften Schneideschulung sei das auch trotz der scharfen Küchenmesser möglich. Dafür spricht der Fakt, dass kein einziger Tropfen Blut bei den Vorbereitungen in der Küche vergossen wurde.

Das mögen Kinder immer: Ketchup und Majo, hier in einer gesunden Version. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Auch Wolfgang Marquard, der Bruder des Sternekochs, ist mit von der Partie, er bereitet mit den Kindern Pralinès zu... (Foto: Peter Hinz-Rosin)
... und lässt sie dabei auch selbst abschmecken. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Neben dem Überschuss an Fertigprodukten in den Supermärkten und dem Mangel an Zeit im Alltag zum Kochen beobachtet Verena Heigl aber noch eine weiteres Phänomen, das der gesunden Ernährung der Kinder im Wege steht: die mangelnde Esskultur innerhalb der Familien. Immer weniger Familien würden sich die Zeit nehmen, sich bei einem gesunden, selbst gekochten Abendessen mit den Kindern an einen Tisch zu setzten. Doch gerade für Kinder sei das gemeinsame Beisammensitzen und Unterhalten während des Essens besonders wichtig. Auch eine gemeinschaftliche Esskultur möchte die Poinger Grundschule den Kindern im Rahmen des Projekts vermitteln. "Wenn wir es schaffen, die Kinder stark zu machen, öffnen sich vielleicht auch die Eltern solchen Themen gegenüber."

Schon im Schulvertrag steht, dass regionales Essen angeboten wird

Wichtig ist den Beteiligten nach eigenen Angaben aber auch die nachhaltige Veränderung der Kochkultur in den Schulen. Und das in vielerlei Hinsicht. Für die nachhaltigen Qualifikation des Kochpersonals in den Schulen bietet Stefan Marquard neben seinem Besuch eine nachträgliche Schulung über seine Webinare an. Zudem könne man sich durch eine effektive Nutzung der vorhandenen Schul- beziehungsweise Cateringküchengeräte wie dem Dampfgarer nicht nur Vitamine erhalten, sondern auch Energie beim Kochen sparen.

Trotz einer meist weniger günstigen Auswahl an frischen Produkten, biete das die Möglichkeit, auf das begrenzte Essensbudget der Schulen Rücksicht zu nehmen. Dass regionales und saisonales Essen in der Poinger Grundschule priorisiert wird, erfahren die Eltern der Schüler bereits beim Durchblättern des Schulvertrags. Und da scheinen auch die jungen Köche zuzustimmen, die sich, dem gesunden Gemüse zum Trotz, ihr Kottbüllar genüsslich schmecken lassen, während sie Stefan Marquard beim Abschied fröhlich nachwinken.

Der Kochtag hat den Buben und Mädchen aus der Schule an der Karl-Sittler-Schule viel Spaß gemacht. Für das Personal in der Mensa bietet Marquard noch Webinare zur Vertiefung an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
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