Mitten in Ebersberg:Katzenjammer beim Arbeitsfrühstück

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Es ist schön, nach langer Zeit im Homeoffice die Kollegen wieder zu sehen - wenn da nur nicht diese musikalische Untermalung wäre.

Glosse von Alexandra Leuthner

Ist es der weiße Hai? Droht Gefahr? Sollen uns diese unheilschwangeren Töne irgendetwas sagen?

So ein gemeinsames Arbeitsfrühstück kann ja eine schöne Sache sein, vor allem nach den Jahren, die man im Homeoffice verbracht hat. In denen man das Gesamtbild der Kollegen Konferenzen-sortiert und in Kacheln aufgesplittet vor sich hatte. Manch ein Kollege zunehmend verblassend in den Unschärfen seines Hintergrundbilds - oder den mangelnden Durchlaufgeschwindigkeiten seines Internetanschlusses.

Immerhin aber war man sicher. Vor den Verlockungen des Süßigkeitenvorrats im Bürokühlschrank ebenso wie vor allzu viel Nähe, die, wie wir gelernt haben, gefährlich sein kann, wenn pandemische Entwicklungen im Gange sind. Dass da mal ein Kleinkind aus der Kachel rechts unten krähte, oder ein Kollege nur in der Schlafanzughose vor dem Bildschirm saß - geschenkt. Aus distanzierter Perspektive konnte man das getrost belächeln. Gleich würde man auf den Button "Verlassen" klicken und wäre wieder zurück in der ungestörten Komfortzone, alle Störgeräusche ausblendend. Angriffe aufs psychische und physische Wohlbefinden drohten höchstens noch von den Rasenmähern eins, zwei, drei und vier aus der Nachbarschaft. Aber da konnte man das Fenster zumachen.

Nicht so an diesem Vormittag. Mit den Kollegen. Ganz öffentlich im Café. Oben drüber nur der Himmel. Und die Musikschule. Und dort drin ganz sicher der Weiße Hai. Beziehungsweise die berühmten zwei Töne im tiefen Bass, die dem ahnungslosen Schwimmer - und der konzentrierten Kollegenrunde - den Angriff des Unholds ankündigen: unheilvoll, drängend, accelerando. Das Unglück unvermeidbar, die Töne unverkennbar. Oder doch nicht? In diesem Fall konnte man sich nicht ganz sicher sein, ob die tief und ausdauernd gestrichenen Saiten eines mindestens haigroßen Streichinstruments nicht eher das nächtliche Jammern einer verliebten Katze darstellen sollten. Oder die Ouvertüre einer Sinfonie in Zwölftonmusik. Eine angeblich musikkundige Kollegin schüttelte weise den Kopf angesichts all der schmerzlich verzogenen Mienen im Kreise, Tonleitern würden da geübt, man solle sich keine Gedanken machen. Machte man sich aber doch. Ob demnächst doch ein Zahnarztbesuch fällig werden würde, überlegten die einen. Ob es eine Abmachung gebe zwischen Musikschule und Café, Gästen, die zu lange säßen, die Flötentöne zu blasen, die anderen. Sobald der letzte Schluck getrunken, die Rechnung bezahlt - und der Tisch wieder verlassen war, gaben jedenfalls auch Sharky und all seine Spießgesellen Ruhe.

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