Satire vor vollem Haus:Seitenhiebe mit dem Holzschlegel

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Münchens Alt-OB und Kabarettist Christian Ude amüsiert beim Jubiläumsabend des Markt Schwabener SPD-Ortsvereins mit Anekdoten aus seiner Politikerlaufbahn

Von Andreas Junkmann, Markt Schwaben

Wenn man im Zusammenhang mit der SPD über eine Komödie spricht, sind eher selten humorvolle Auftritte auf einer Bühne gemeint. Zumeist geht es dann um die innerparteilichen Querelen auf Bundesebene. Am vergangenen Freitag in Markt Schwaben war das aber anders. Die Genossen haben in den Theatersaal am Burgerfeld geladen, um ganz gezielt einen launigen Abend zu veranstalten. Als Höhepunkt der Feierlichkeiten zum hundertjährigen Bestehen hat der Ortsverein den Münchener Ex-Oberbürgermeister Christian Ude mit seinem Kabarett-Programm "Öh ha! Und andere Geständnisse" in die Marktgemeinde geholt. Seit 1966 Mitglied in der SPD, hat der 71-Jährige nicht nur einige Anekdoten aus seiner langjährigen Politikerlaufbahn zu erzählen, sondern scheut sich auch nicht vor dem ein oder anderen Seitenhieb gegen die eigene Partei.

Damit, dass der Theatersaal fast bis zum letzten Platz gefüllt ist, scheint Ude selbst gar nicht gerechnet zu haben. "Das glaubt mir keiner, dass in so einer kleinen Gemeinde so viele Leute gekommen sind. Und dann auch noch zu einer SPD-Veranstaltung!" Da muss er schon noch schnell ein Beweisfoto schießen, ehe er mit einer kleinen Geschichtsstunde ins Programm einsteigt. Zu einem 100. Jubiläum lohne schließlich der Blick in die Vergangenheit, so der Altbürgermeister. Er erzählt vom ehemaligen Vorsitzenden der bayerischen SPD, Georg von Vollmar, der als "brennender Katholik" gerne aufsässige Dorfpfarrer auf Glatteis führte und den sein Brotzeitmesser um ein Haar die politische Karriere gekostet hätte. Das nämlich, so Ude, habe er bei einer Sitzung im sächsischen Landtag verloren, was ihm fast eine Strafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes eingebracht habe.

Auch über seinen Amtsvorgänger Thomas Wimmer und Wilhelm Hoegner, den "Vater der bayerischen Verfassung", hat Ude einige Erinnerungen auf Lager. Etwa wie Jurastudenten den in der Verfassung enthaltenen Paragrafen zum freien Zugang zu Naturschönheiten schamlos ausgenutzt hätten, um ihre Kommilitoninnen zu begrapschen. Christian Ude präsentiert sich während des zweistündigen Auftritts als großartiger Erzähler. Es sind Geschichten, die er wohl schon hunderte Male zum Besten gegeben hat, doch er spricht mit einer Begeisterung, die ansteckend ist und mit der er das Publikum voll erreicht. In der Pause seines Auftritts muss er Autogramme schreiben und für Erinnerungsfotos posieren. Die Markt Schwabener Genossen lieben ihren Christian.

Der rundum gelungene Abend setzt sich nahtlos fort, als Ude dazu übergeht, einige Kapitel aus seinen Büchern vorzutragen und dabei einen Einblick in sein eigenes Wirken als Politiker gibt. Da geht es natürlich um die, wie er selbst sagt, "wichtigste Amtshandlung als Münchener Oberbürgermeister", den Wiesn-Anstich. Das kann doch nicht so schwer sein, habe er sich bei seinem ersten Mal gedacht - zumindest bis zur ersten Panikattacke zwei Tage vor der Fest-Eröffnung.

Ude erzählt von seinen heimlichen Übungsstunden in der menschenleeren Küche der Paulanerbrauerei und der Nacht von Freitag auf Samstag, als er - um einschlafen zu können - gedanklich die 800 Millionen Chinesen zählt, die ihm am nächsten Tag via TV-Übertragung beim Anzapfen zuschauen werden. Die Markt Schwabener Zuhörer sind begeistert und sparen nicht mit Applaus.

Selbst dann nicht, als Ude anfängt auch der eigenen Partei in satirischer Art und Weise den Spiegel vorzuhalten. Während die CSU immer da hingehe, wo ohnehin schon Leute seien, würden die Sozialdemokraten ihre jährlichen Bürgerfeste lieber auf menschenleeren Plätzen veranstalten. "Das Gemeine ist nur, dass die Bürger gar nicht kommen und der Mandatsträger dann verloren herumsteht, anstatt ein Bad in der Menge zu nehmen." Auch das Prozedere von lokalen Parteisitzungen bleibt von Ude nicht verschont. Dort gehe man mit engagierten Neumitgliedern um, wie mit Frühstückseiern: "Sie müssen erst noch abgeschreckt werden."

Nach dem kurzweiligen Auftritt spricht Markt Schwabens SPD-Ortsvorsitzender Manfred Kabisch von "einigen tiefsinnigen Eindrücken", die das Publikum gewonnen habe, und Bürgermeister Georg Hohmann (SPD) überreicht einen Geschenkkorb. Wer Christian Ude am Freitag verpasst hat, kann den Altbürgermeister auch noch am 4. Juli in Grafing erleben - dann zum 100. Jubiläum des dortigen SPD-Ortsvereins.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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