Religion:Aufklären gegen Vorurteile

Lesezeit: 2 min

Der Pfarrer der Baldhamer Petrikirche, Gereon Sedlmayr, wirbt für ein besseres Verständnis zwischen Christen und Muslimen und befasst sich in einer Vortragsreihe mit Inhalten des Koran

Interview von Johannes Hirschlach

Kaum ein Buch steht im Zentrum so vieler kontroverser Debatten wie der Koran. Dabei wüssten viele Menschen gar nicht, was in dem Buch stehe, sagt Gereon Sedlmayr. Der 52-Jährige ist Pfarrer der evangelischen Petrigemeinde in Baldham. Der promovierte Religionswissenschaftler hat den Koran mehrmals intensiv gelesen. Mit einer Vortragsreihe möchte er seinen Zuhörern nun einen objektiven Blickwinkel auf die heilige Schrift des Islam ermöglichen.

SZ: Herr Sedlmayr, die westliche Welt neigt dazu, den Koran mit der Bibel vergleichen zu wollen. Macht das Sinn?

Gereon Sedlmayr: Es ist immer so, dass Vergleiche hinken. Sie sind in gewisser Weise notwendig, können den Texten aber auch ihre Eigenständigkeit nehmen.

Was hat denn die heilige Schrift der Muslime, was die Bibel nicht hat?

Der überwiegende Teil des Korans versteht sich in seiner literarischen Position selbst als unmittelbar von Gott gesprochenes Wort. Die Bibel ist ein Zeugnis von Menschen, die überzeugt waren, von Gott angesprochen worden zu sein.

Der Koran ist also direkter?

In theologischer Hinsicht ja. Literarisch gesehen, ist die Bibel direkter und leichter zu verstehen - gerade auch wegen der erzählerischen Passagen.

Bedarf es für den Koran mehr Erklärung als für die Bibel?

Für unseren christlich geprägten Kulturkreis auf jeden Fall. Und zwar, um bestimmte Dinge überhaupt einordnen zu können, sprachliche Redeformen zu begreifen.

Wie meinen Sie das?

In der Bibel ist es für uns zum Beispiel normal, manche Gesetzestexte aus dem Alten Testament von der eigentlichen Botschaft der Bibel getrennt zu betrachten.

Sie meinen Passagen wie im fünften Buch Mose, in dem zur Steinigung störrischer Söhne aufgerufen wird?

Genau. Für uns ist es selbstverständlich, in der eigenen Kultur zu differenzieren. Gegenüber dem Fremden ist es dagegen leichter, sich pauschal und dann ablehnend zu äußern. Wenn der Koran nur als Großes und Ganzes gesehen wird, gibt es Schwierigkeiten. Viele Muslime dagegen, die Korantexte in der Kinderzeit auswendig gelernt haben, achten feinfühliger auf bestimmte Aspekte im Text, die uns leicht entgehen.

Sollte sich die Gesellschaft also intensiver mit dem Koran auseinandersetzen?

Meiner Überzeugung nach ist es grundsätzlich wichtig, sich mit den großen religiösen Texten zu beschäftigen. Wir sollten auch mehr in der Bibel lesen, in den indischen Upanischaden oder den Reden des Buddha.

Was möchten Sie den Zuhörern mitgeben?

Eine profunde Grundkenntnis, die sie in die Lage versetzt, sich weiter mit dem Koran befassen zu können.

Hilft Aufklärung gegen Ressentiments?

Ja, sonst hilft nichts gegen Vorurteile.

Die Vorträge sind jeweils am Freitag, 11., 18. und 25. November, sowie 2. Dezember im Gemeindesaal der Petrikirche von 17 bis 18.30 Uhr zu hören. Anmeldung im Pfarramt. Um eine Spende von 25 Euro für den Förderverein wird ersucht.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: