Rathauskonzert in Haar:Wie perlender Champagner

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Erfrischende Klaviermatinee mit Ronald Brautigam

Von Ulrich Pfaffenberger, Haar

Im vierten Anlauf hat es Kurt Schneeweis dann doch hinbekommen, dass Ronald Brautigams Auftritt bei den Rathauskonzerten Vaterstetten stattfinden kann. Mehr als ein Jahr nach der ursprünglichen Terminierung, dank der Gastfreundschaft des Kleinen Theaters Haar und der Umwidmung in eine "Klaviermatinee" kam die Begegnung der treuen Freundinnen und Freunde anspruchsvoller Kammermusik mit dem international gefragten niederländischen Pianisten am Sonntagvormittag zustande.

Mit einem Mozart zum Auftakt ließ Brautigam den passenden sonntäglichen Sonnenstrahl scheinen. Niemand, dem die zwölf Variationen C-Dur über die französische Volksweise "Ah, vous dirai-je, Maman" kein Lächeln aufs Gesicht und ins Gemüt zaubern - und sei es schon wegen der vorweihnachtlichen Anmutung der Melodie, auf die wir hierzulande "Morgen kommt der Weihnachtsmann" singen. Zehn Minuten, die einem Tag eine fröhliche Prägung geben, einem Konzert erst recht.

Dazu passt, dass Ronald Brautigam einer ist, der ohne Umschweife zum Kern der Komposition vordringt. Kurze Verneigung, Platznehmen auf dem Klavierhocker, die Hände auf die Klaviatur und das Spiel beginnt. Der Pianist strahlt eine Zuversicht und Präsenz aus, die weit über das hinausgeht, was man als "Routine" bezeichnen könnte. Das Stück, das Instrument, er: eine Dreieinigkeit von natürlicher Größe, mit Begeisterung für den Ideenreichtum Mozarts ausgelebt.

Dass er auf das erste Stück, das wie eine Fingerübung erscheint, mit Schuberts Sonate A-Dur Nr. 20 ein komplexes Werk folgen ließ, vertiefte den Eindruck von einem Künstler, der Entscheidungen trifft, weil er über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt und weiß, wo die Fundamente für die Brücken liegen, die er musikalisch schlägt. Sein Weg direkt ins Herz der Komposition ist geradlinig und aufrichtig. Manierismen sind Brautigam fremd, sein kräftiger Anschlag ist frei von Zweideutigkeiten. Luthers Maxime "Gott helfe mir, ich kann nicht anders" findet ihre Entsprechung in seinem Spiel - und das ist gut so. Denn diese Sonate, wie Hanspeter Krellmann in seinem letzten Programmheftbeitrag anmerkt, "peitscht Gemüter hoch und besänftigt Seelenlagen zugleich".

Das Konzert mit Beethovens Sonate Es-Dur Nr.18 ausklingen zu lassen, fügte sich in jeder Hinsicht in den sonntäglich-emotionalen Rahmen ein. Wie maßgeschneidert für diesen Solisten, temporeich, vielschichtig angelegt, lädt sie ein zum Spiel mit offener Leidenschaft und klarer Ansprache. Ein Morgen wie perlender Champagner, angeregter Applaus für eine singuläre Erscheinung in der Geschichte der Rathauskonzerte.

© SZ vom 05.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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