Prozess vor dem Schöffengericht:Bedroht und abgewatscht

Lesezeit: 2 min

21-Jähriger wird zu acht Monaten Jugendstrafe verurteilt

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Wer schon mal versucht hat, sich detailliert an ein bereits länger zurückliegendes Ereignis zu erinnern, der weiß, dass das manchmal gar nicht so einfach ist. Besonders kniffelig wird es dann, wenn die betreffende Situation ohnehin etwas unübersichtlich war - und dabei auch noch eine gehörige Menge Alkohol geflossen ist. All das kam nun in einem Prozess vor dem Ebersberger Amtsgericht zusammen, bei dem sich ein 21-Jähriger wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten musste. Doch nicht nur die Wahrnehmung des Angeklagten hatte mit der Realität wenig zu tun, auch einige Zeugen sorgten mit erstaunlichen Wissenslücken für Verwirrung im Sitzungssaal.

Dort erhob die Staatsanwältin im Rahmen der Schöffensitzung zunächst folgende Beschuldigungen: Ende Mai vergangenen Jahres sollen zwei Gruppen von Jugendlichen an einem Weiher im nördlichen Landkreis aufeinander getroffen sein. Dabei soll es eine Auseinandersetzung gegeben haben, nachdem aus einer Gruppe der Vorwurf erhoben wurde, die anderen wollten den Mädchen K.o.-Tropfen in die Getränke mischen, um sie anschließend zu vergewaltigen. Dieses wiederum wollte einer der drei jungen Männer offenbar nicht auf sich sitzen lassen und schlug mit einer Bierflasche zu. Nachdem das Opfer am Boden lag, sollen der Angeklagte und ein weiterer Mann darauf eingetreten haben. Außerdem soll der beschuldigte 21-Jährige mehrere Ohrfeigen und einen Schlag mit dem Ellenbogen verteilt sowie später am Abend einen Jugendlichen aus der anderen Gruppe bedroht und nochmals geschlagen haben.

Der Angeklagte allerdings stritt die Vorwürfe zunächst runweg ab. Weder habe er jemanden getreten, noch geohrfeigt oder gar bedroht. Nur der Ellenbogenschlag könne tatsächlich passiert sein, schließlich habe er die ganze Situation ja schlichten wollen, nachdem ein ihm Unbekannter einem jungen Mann eine Flasche auf den Kopf geschlagen hatte. "Ich bin da nur hingerannt, um was zu machen", sagte er vor Gericht. Was genau er dort gemacht hat, konnte die Zeugenbefragung zumindest teilweise aufklären. Der ebenfalls 21-Jährige, der in der polizeilichen Vernehmung kurz nach dem Vorfall noch behauptet hatte, am Boden liegend getreten worden zu sein, war sich während der Verhandlung plötzlich gar nicht mehr so sicher. Bei der Polizei habe er "ein bisschen körperlicher gedacht", sagte er. Eigentlich sei er gar nicht getreten worden. Diese späte Einsicht dürfte ihm nun selbst Ärger einbringen, denn die Staatsanwältin kündigte bereits an, ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung einleiten zu wollen.

Offenbar zu Recht verdächtigt wurde der Angeklagte aber für die Ohrfeigen und den Ellenbogenschlag. Für beides sei er verantwortlich gewesen, wie mehrere Zeugen unabhängig voneinander bestätigten. Dass er später am Abend einem der Jugendlichen damit gedroht habe, ihn abzustechen, räumte der Angeklagte schließlich selbst ein. Zuvor hatte ihn der Vorsitzende Richter Markus Nikol noch gefragt, ob es einen Grund dafür gebe, warum sich die ganze Welt gegen ihn verschworen habe. Immerhin behauptete der Angeklagte fast die komplette Verhandlung über, alle Zeugen würden lügen, einschließlich der Polizeibeamtin, die ihn einfach nicht mögen würde und deswegen vor Gericht falsche Angaben mache.

Darauf, dass der 21-Jährige vielleicht doch nicht so ein Unschuldslamm ist, wie er bis zu seinem späten Geständnis von sich selbst behauptete, deutete bereits sein prall gefülltes Vorstrafenregister hin. Der ohnehin derzeit unter Bewährung stehende Mann hatte sich in der Vergangenheit bereits allerhand Vergehen geleistet, von gefährlicher Körperverletzung über Diebstahl und Betrug bis hin zu Sachbeschädigungen und Bedrohungen. Nicht sehr verwunderlich, dass die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe dem Angeklagten neben Entwicklungsverzögerungen auch ein sehr impulsives und wenig diplomatisches Auftreten attestierte.

Die Staatsanwältin ging sogar noch einen Schritt weiter und erkannte ob der vielen Vorstrafen "eine schädliche Neigung" bei dem 21-Jährigen. Dieser Auffassung folgte schließlich auch das Gericht, das ihn zu acht Monaten Jugendstrafe auf Bewährung verurteilte. Außerdem muss der junge Mann 1100 Euro an die Suchtberatung der Caritas in Grafing zahlen und drei Coaching-Kurse zur Impulskontrolle absolvieren.

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: