Prozess in Ebersberg:Krank statt kriminell

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Um seine Drogenprobleme in den Griff zu bekommen, soll ein 29-Jähriger in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Das Leben des heute 29-Jährigen ist bereits auf die schiefe Bahn geraten, als er gerade einmal 13 Jahre alt war. Damals kam er zum ersten Mal in Kontakt mit Drogen, die ihn seither nicht mehr losgelassen haben. Heute ist er von der Sucht gezeichnet. Wie sehr, das zeigte sich nun bei der Fortsetzung eines Prozesses am Ebersberger Amtsgericht, bei dem es für den Mann aus dem mittleren Landkreis um Handel und Besitz von Betäubungsmittel gehen sollte. Doch die Vorwürfe aus der Anklageschrift waren an diesem Mittwochvormittag eigentlich kein Thema mehr in der Schöffenverhandlung um den Vorsitzenden Richter Markus Nikol. Vielmehr ging es darum, wie man den jungen Mann aus seinem Teufelskreis befreien kann.

Er selbst hatte das in der Vergangenheit bereits versucht, war aber immer wieder gescheitert. Zuletzt hatte sich der Angeklagte im März vergangenen Jahres in eine Suchttherapie begeben, die Ergebnisse der damaligen Untersuchung sind erschreckend: Wie dessen Verteidiger nun aus einem Gutachten verlas, habe man bei einer Untersuchung in der Klinik einen Wert für Cannabinoide im Blut festgestellt, der sich oberhalb des messbaren Bereichs befand. "Es gibt da einen sehr kranken Teil in Ihnen", sagte der Rechtsanwalt zu seinem Mandanten.

Warum in der Fortsetzung der Verhandlung vor allem der medizinische Aspekt im Fokus stand und nicht die Tatsache, dass bei dem 29-Jährigen eine erhebliche Menge an Drogen gefunden wurde, lag daran, dass seit dem ersten Verhandlungstag vor rund einem Monat schon wieder der nächste Zwischenfall passiert ist. Erst vor wenigen Tagen wurde der Angeklagte schwer unter Drogen stehend auf einem Roller im Nachbarlandkreis Erding gestoppt. Nicht nur, dass er viel zu schnell unterwegs war, er hatte auch noch ein Päckchen mit zehn Gramm Marihuana bei sich.

Seinem eigenen Verteidiger haben sich dadurch die Augen geöffnet. "Ich sehe bei meinem Mandanten keine erhebliche kriminelle Energie, sondern einen erheblichen Drogenmissbrauch." Ihm gelinge es aus eigener Kraft nicht, ein straffreies Leben zu führen. Der Verteidiger spielte dabei auf die zahlreichen Vorstrafen an, die für den 29-Jährigen bereits vermerkt sind. Diese würden sich zwar alle im unteren Bereich bewegen, was die Qualität angehe, aber die Frequenz sei eben sehr hoch. Außerdem, so der Rechtsanwalt, habe der Angeklagte bei all seinen Taten unter Drogen gestanden.

Für seinen Mandanten beantragte er deshalb ein psychiatrisches Gutachten, das zeigen soll, dass eine geschlossene Unterbringung womöglich der bessere Weg wäre, als eine erneute Haftstrafe. Eine solche hätte dem jungen Mann nämlich gedroht, wäre er erneut verurteilt worden. Immerhin hatte die Polizei in dessen Wohnung Rauschgift gefunden. Zudem soll er mit einer Menge Handel getrieben haben, deren Wirkstoffgehalt die sogenannte nicht geringe Menge um das 8,8-fache überschritt. Das bestätigten auch mehrere Zeugen, ein erneuter Aufenthalt in der Gefängniszelle wäre quasi unausweichlich gewesen.

Bereits nach seiner bisher letzten Haft sei er aber eher noch mehr abgerutscht, so der Verteidiger des 29-Jährigen. Dass bei diesem eine Drogensucht vorhanden sei, habe sich bereits am ersten Verhandlungstag gezeigt, der Schweregrad aber sei erst nach dem erneuten Rückschlag so richtig klar geworden. Das sahen auch der Staatsanwalt und Richter Nikol ähnlich. Beide wollten aber noch einmal vom Angeklagten selbst wissen, ob ihm die Tragweite des Beschlusses klar sei. "Zwischen einem freiwilligen Entzug und der Unterbringung in einer Anstalt ist schon ein Unterschied", so Nikol in Richtung des 29-Jährigen. Dieser aber entgegnete, er wolle diesen Schritt jetzt gehen. Nun muss ein Psychiater feststellen, ob der Mann für eine Unterbringung in eine geschlossene Anstalt tatsächlich in Frage kommt. Das Verfahren ist derweil ausgesetzt.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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