Demonstration in Ebersberg:Viele gegen den Faschismus

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Viel mehr Menschen als zunächst erwartet, wollten am Sonntagnachmittag in Ebersberg Flagge zeigen. (Foto: Christian Endt)

2500 Menschen kommen zu einer Kundgebung gegen rechts in die Kreisstadt. Politiker, Pfarrer, Bürgerinitiativen und junge Leute rufen gemeinsam dazu auf, nie wieder Faschisten die Macht zu überlassen.

Von Alexandra Leuthner

Es hatte sich ja am Vortag der Ebersberger Kundgebung gegen Rechts abgezeichnet, dass es mehr Teilnehmer werden würden als die 200, mit denen das Bündnis Bunt statt Braun und Respekt@Poing zunächst gerechnet hatten. Was aber dann auf dem Marienplatz in Ebersberg los war, sprengte alle Erwartungen. Trotz Bahnstreik und schönstem Ausflugswetter hatten sich Polizeiangaben zufolge zweieinhalbtausend Menschen eingefunden, um für Demokratie, gegen Ausgrenzung und Rassismus, vor allem aber gegen die AfD zu protestieren.

Wer sich um kurz nach 16 Uhr aufmachte, um zum Marienplatz zu laufen, fand sich da schon unversehens in einem Strom aus Menschen wieder, die alle das gleiche Ziel hatten, das in unterschiedlichen Worten etwas später von allen Sprechern formuliert wurde: Stärke zu demonstrieren und den Feinden der Demokratie die Macht der bürgerlichen Mitte entgegenzusetzen. "Die Rechten sind in den letzten Jahren immer lauter geworden, jetzt sind wir an der Reihe", rief Christina Tarnikas, Sprecherin für Respekt@Poing.

Rund 2500 Menschen haben Ende Januar in Ebersberg klare Kante gegen Rechtsradikalismus gezeigt, nun ziehen die Kreistagsfraktionen nach. (Foto: Christian Endt)

Nach den Demonstrationen des vergangenen Wochenendes, die allein in München mehr als 200 000 Menschen auf die Straße gebracht hatten, hat jetzt auch Ebersberg ein Zeichen gegen einen Rechtsruck gesetzt. Ausgelöst hatten die Proteste Berichte des Recherche-Netzwerks Correctiv über ein Geheimtreffen von Mitgliedern der AfD und der konservativen Werteunion im November mit Unternehmern, bei denen Pläne für eine massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund öffentlich wurden. Im Hinblick auf das Superwahljahr mit Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, wo die AFD ihre Machtbasis hat, rief Tarnikas: "Haltet dagegen!"

Nicht weniger eindringlich waren die Worte der beiden Ebersberger Kirchenvertreter. So appellierte der evangelische Pfarrer Edzard Everts an die Menschen, zusammenzustehen, den Wert des Einzelnen zu erkennen und zu schützen. "Es gehört zusammen, was verschieden ist", sagte er und übergab sein Mikrofon mit diesen symbolträchtigen Worten an seinen katholischen Kollegen Josef Riedl, der zur Diskussion und zum Miteinander aufrief. Demokratie brauche ein gemeinsames Ringen, das manchmal nicht so leicht sei. Und in Erinnerung an Deportationslisten der Nationalsozialisten, ausgearbeitet für den Fall des Endsiegs, auf denen auch sein Großvater gestanden haben, rief er: "Wehret den Anfängen!"

Vor dem Landratsamt hatte nur ein Bruchteil der Demonstrierenden Platz, die vom Marienplatz hergezogen waren. (Foto: Christian Endt/© Christian Endt)

Bewegende Augenblicke kreierten besonders zwei junge Leute, die Poetry-Slamerin Judith Fröhlich und der Kirchseeoner Gymnasiast Nepomuk: An die Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer und Max Mannheimer erinnernd, sagte Fröhlich, aus ihren Geschichten müssten wir lernen und uns für die Menschlichkeit entscheiden, "es gibt keine falsche Herkunft". Er habe Angst, wenn er höre, dass Leute seines Alters auf einer Party rassistische Reden hielten und "Heil Hitler" schrien, sagte der Gymnasiast und wiederholte mit Inbrunst den Spruch, der auch auf vielen der hochgehaltenen Schilder zu lesen war: "Nie wieder ist jetzt."

Tief gerührt zeigte sich auch die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher, die lange warten musste, bis sie auf den Stufen des Landratsamts gemeinsam mit ihrem Landtagskollegen Thomas Huber (CSU) sprechen konnte. Längst nur ein kleiner Teil der Menge fand dort Platz. Sie sei nicht überrascht über das Ausmaß rechter Gesinnung, das bei der AfD jetzt deutlich geworden sei. Im Landtag, wo sie als demokratisch gewählte Partei sitze, beweise sie schon lange, dass sie eine Partei sei, die genau jene Demokratie und die Vielfalt unserer Gesellschaft ablehne. Huber betonte, dass alle demokratischen Parteien gemeinsam gegen die Feinde der Demokratie kämpfen müssten.

Man könne schnell bei einer AfD-Regierung auf schwarzen Listen stehen, mahnte Marthe Balzer.

Bunt statt Braun-Sprecherin Marthe Balzer war es, die mit einem überraschenden Geständnis und einem sehr persönlichen Appell die Veranstaltung an ihrem Ausgangspunkt, dem Ebersberger Marienplatz, beendete, nachdem die Menschenmenge wieder zurückgezogen war. Nach einem Jahr, das für sie eine ganze Reihe von privaten Schockmomenten bereitgehalten habe, nicht zuletzt die Nachricht vom Hamas-Überfall auf Israel, bei dem drei Verwandte einer sehr engen Freundin ums Leben gekommen waren, sei sie in eine behandlungsbedürftige Depression gefallen. Und gehöre damit wohl nun zu jenem Teil der Bevölkerung, die in den Augen der AfD und namentlich des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke eine untragbare Belastung seien. Höcke hatte etwa die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung als ein "Ideologieprojekt" bezeichnet, von dem das Bildungssystem befreit werden müsse. So schnell könne es gehen, mahnte Balzer, und man gehöre zu jenen, die bei einer AfD-Regierung auf schwarzen Listen stünden.

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