Neuer Treffpunkt:"Zorneding ist kein rechtes Nest"

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Zorneding bei Sonnenuntergang. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Ein Ort für rechtsextreme Aktivisten, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Kommunalpolitiker sind beunruhigt über die aktuellen Entwicklungen in Zorneding.

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Nach einer Vereinsgründung von AfD-Mitgliedern mit Unterstützung rechter Extremisten in einem Zornedinger Wirtshaus zeigen sich Gemeindevertreter beunruhigt über den Auflauf rechter Führungsfiguren im Ort. Das vom Verfassungsschutz als "Zusammenschluss am rechten Rand" interpretierte Treffen sieht Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD) als "unsägliche Zumutung" für die Gemeinde. CSU-Gemeinderätin Stefanie Berndlmeier sagt: "Ich bin entsetzt." Und Wilhelm Ficker (Freie Wähler) meint: "Fatal, dass das gerade hier passiert."

Also hier, wo Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende vor zweieinhalb Jahren wegen rassistischer Bedrohungen und Morddrohungen eines Münchners die Gemeinde verließ - und diese fortan um ihren guten Ruf zu kämpfen hatte.

Hoch umstritten sind auch manche der Aktivisten, die sich am 26. August zur Gründung eines Grenzschutz-Volksbegehrens in der Zornedinger Gaststätte zusammenfanden. Dabei - wenn auch offiziell keine Vereinsmitglieder - waren zwei vom Verfassungsschutz beobachtete: Michael Stürzenberger, führender Kopf des Münchner Ablegers der Dresdner Pegida sowie Gernot Tegetmeyer von Pegida Nürnberg.

Ebenfalls umstritten ist der zweite Vorsitzende des gegründeten Vereins, Jürgen Elsässer. Sein rechtspopulistisches Compact-Magazin gilt als Sprachrohr für die AfD und die islamfeindliche Pegida-Bewegung. Hier wurde auch schon mal von der Verdünnung "der ethnischen Wolfssubstanz der Teutschen" gewarnt; Elsässer selber wirft die Bundeszentrale für politische Bildung das Nähren von Feindbildern, Verschwörungstheorien und Hassparolen vor.

Wieso gerade wieder Zorneding?

Mit von der Partie war darüber hinaus Werner Göpel. Der Initiator des Bürgerentscheids zur Moschee in Kaufbeuren bezeichnet den Koran als "Lizenz für Gewalt, Terror, Kampf, Krieg und Töten" und den Islam als "tickende Zeitbombe". Federführend beim Trägerverein des Volksbegehrens ist Brigitte Fischbacher, die Bundestagskandidatin 2017 der AfD für Ebersberg und Erding. Auf SZ -Nachfrage betont sie, dass die beiden als Extremisten eingestuften Unterstützer keine Vereinsmitglieder seien.

"Es sind zwei von mehreren hundert Aktivisten, die derzeit im ganzen Land fleißig Unterschriften sammeln." Dieses "bürgerschaftliche Engagement" stehe jedem offen - "egal, wo er politisch steht". Wo sie selber politisch steht, machte Fischbacher im Februar unmissverständlich klar. Da postete sie ein Video, das die Schuld am Zweiten Weltkrieg einer angeblichen jüdisch-kapitalistischen Verschwörung zuschiebt; unter anderem kommt Adolf Hitler zu Wort. Kurzum: das krasse Gegenteil der gemäßigten Normalität, nach der man sich in Zorneding sehnt.

Wieso gerade wieder Zorneding? "Manche haben sich sicherlich durch die Wortwahl vor zwei Jahren im rechtslastigen Lager bestätigt gefühlt", vermutet Ficker (FW). Dass es in Zorneding selber auch Einzelne gibt, die Aussagen der Volksbegehren-Unterstützer "nicht unbedingt befremdlich fänden", meint auch Poschenrieder. Im Großen und Ganzen aber ist man sich einig: "Zorneding ist kein rechtes Nest", wie Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sagt. Die Statistik gibt ihm Recht: Im vergangenen Jahr wählten 9,2 Prozent die AfD; der Bundesschnitt lag bei 12,6 Prozent. Zudem sind auf einem Foto vom Treffen keine Zornedinger zu sehen.

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Warum lässt ein Wirt das zu?

Die Antwort dürfte deutlich banaler ausfallen. Initiatorin Fischbacher wohnt im nahegelegenen Baldham. Das betroffene Zornedinger Wirtshaus hat sich so zu einer Art Stammkneipe für die AfD entwickelt. Und nun zum Schauplatz eines Schulterschluss zwischen Nicht-Extremisten und Extremisten sondergleichen. Zum Startschuss für ein Volksbegehren, dessen Forderungen (umfassende Kontrolle aller Grenzübergänge; personelle Aufstockung des Bayerischen Grenzschutz) sich grundsätzlich in demokratisch legitimen Sphären bewegen - wäre da nicht die nahtlose Verschmelzung mit verfassungsschutzrechtlich relevanten Extremisten. Warum lässt ein Wirt das zu?

Ein Freitagmorgen in Zorneding. Der betroffene Wirt steht vor seinem Lokal. "Zu mir kommen alle. Egal, ob Sozialdemokraten oder AfDler", sagt er. Dass sich an besagtem Sonntag quasi die Crème de la Crème der rechten Szene bei ihm einfand, "das wusste ich nicht". Zwar habe er bei der ersten AfD-Anfrage noch Zweifel gehabt. "Aber ich sehe das pragmatisch", sagt er. Weder habe er etwas mit der rechten Szene zu tun, noch habe er etwas gegen Flüchtlinge. Er deutet entlang seines Biergartens. "Die kommen schließlich auch zu mir." Wo seine inhaltliche rote Grenze liegt? "Wichtig ist mir, dass die sich benehmen. Und das tun sie. Solange das gewährt ist, sind bei mir alle gleich."

Eine Einstellung, die Gemeindevertreter anprangern. Bürgermeister Mayr sagt: "Er weiß leider nicht, was er da losgetreten hat. Ich werde da mal einwirken." Auch seine Parteikollegin Berndlmeier kritisiert: "Ein bisschen Nachdenken hätte schon geholfen". Poschenrieder berichtet, das Lokal wäre heuer eigentlich für ein Weihnachtsessen mit Gemeinderäten an der Reihe gewesen. "Aber wir müssen jetzt ein Zeichen setzen, dass wir solche Leute in geballter Form nicht in der Gemeinde haben wollen."

Andere Pläne hat derweil Vereins-Vorsitzende Fischbacher. Sie kündigt auf Nachfrage zu weiteren Treffen in Zorneding an: "Wir werden vermutlich Anfang November ein Treffen machen, um den Stand unseres Volksbegehrens zu bilanzieren."

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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