Netzwerken im Landkreis Ebersberg:Die Welt zu Gast in Moosach

Lesezeit: 3 min

Das Festival in München hat Axel Tangerding (rechts) organisiert. (Foto: Christian Endt)

Zum Auftakt eines internationalen Treffens führt Organisator Axel Tangerding Theatermacher aus aller Welt durch die Ateliers im Ort Moosach - und versüßt die Führung mit einem Salat aus der Region.

Von Peter Kees, Moosach

Pavla Petrová ist Direktorin des Arts and Theatre Institutes in Prag sowie der Prag Quadriennale für Performance, Design und Raum. Neben ihr sitzt die in München lebende Kulturjournalistin Veronica Stevala. Sie stammt aus Malta und schreibt unter anderem für die dortige Sunday Times.

An dem langen Tisch in den Moosacher Ateliers bei Maja Ott und Hubert Maier hat eine ganze Reihe von Kulturschaffenden Platz genommen, zwölf Männer und Frauen aus verschiedenen europäischen Ländern. Mitglieder des Kulturkreises Moosach servieren den Gästen bayerisches Abendbrot, Leberkäs, Brezeln, Obazda und Knödelsalat. Dazu wird Bier vom Hobbybrauer und Bühnenbildner Andreas Schroll gereicht, der sein Studio gleich nebenan hat. Vor dem Abendessen gab es eine Führung durch die Ateliers.

Die Theaterleute aus Schottland, Bulgarien, Polen, Deutschland, Spanien, Griechenland, Holland, Malta und Tschechien sind im Rahmen des vom 1. bis 4. November in München stattfindenden IETM (International network for contemporary performing arts) Netzwerktreffens nach Moosach gekommen, auf Einladung von Axel Tangerding, der das gesamte Festival organisiert hat. Zum zweiten Mal findet es in Deutschland statt, zuletzt 2010 in Berlin.

Am Mittwoch führt Tangerding die Besucher aus sämtlichen europäischenLändern durch die Ateliers in der Gemeinde Moosach. (Foto: Christian Endt)

Mehr als 500 Theaterschaffende aus aller Welt kommen zu diesem Treffen zusammen, um sich theoretisch wie praktisch mit dem Thema "Res Publica Europa", mit Europa und der Rolle der Darstellenden Kunst auseinanderzusetzen. Es geht um Postkolonialismus, Diversität und Visionen für die Zukunft. Die Exkursion nach Moosach ist eine von drei "Pre-meeting trips" am Vortag zum offiziellen Festivalstart. Man konnte nach Augsburg fahren, um die dortige freie Theaterszene und das Staatstheater kennenzulernen, nach Nürnberg zu Kinder- und Jugendtheatern oder nach Moosach.

Am Ende der Tour lauschen die Gästeeiner Aufführung im Meta Theater. (Foto: Christian Endt)

Schon damals war München zum wohnen zu teuer

Im Fokus der Betrachtung hier: Kultur auf dem Land. Und so saß man zunächst im Tangerdingschen Theater zusammen und ließ sich die Geschichte des Hauses und seines Machers erzählen, wie Tangerding einst nach Moosach kam, zunächst auf der Suche nach einer billigen Bleibe als Student, da München zu teuer war, und schließlich einen eigenen Spielort errichtete, an dem man bald immer wieder international namhafte Theatergrößen antreffen konnte, etwa den weltberühmten japanischen Nō-Schauspieler und Regisseur Yoshi Oida oder einst sogar den polnischen Theaterreformer Jerzy Grotowski.

In den 1970er-Jahren folgte und entwickelte man in der freien Theaterszene andere Ansätze, als sie damals an den gängigen Stadttheatern üblich waren. Es ging um Energie- und Körperarbeit, um neue Bewegungsansätze. Und so spielte in der Zeit auch die nächtliche Probenarbeit im nahen Wald eine Rolle, um bestimmte Energieformen überhaupt erarbeiten zu können, wie Tangerding erzählte. Seine Zuhörer lauschen beeindruckt. Aus der Münchner freien Theatergruppe "La Mama Munich" wurde das Moosacher Meta Theater. "Für mich ist das hier eine großartige Inspiration", sagt Klaudia Laś aus Krakau, derzeit Erasmusstudentin in München, die mit einigen Leuten in einem alten Haus in der Nähe von Bayrischzell ein ähnliches Projekt plant.

"Moosach war einst ein reines Bauerndorf, inzwischen gibt es hier lediglich noch einen Landwirt", erzählt Tangerding. "Und heute leben hier ausschließlich Künstler?", fragt ein junger Mann aus Schottland schmunzelnd. Auch er arbeitet auf dem Land und so ist sein Interesse an dem Moosacher Theater groß. Über Theaterarbeit, dessen Finanzierung und das Gewinnen von Publikum wird gesprochen, ehe alle gemeinsam durch den Ort gehen, vor der Kirche eine kurze Rast einlegen, um sich am Maibaum die Geschichte vom Meta-Chef erzählen zu lassen, wie hier einst vor 800 Zuschauern eine Beijing Opera aufgeführt wurde.

Voller Neugier betreten alle im Anschluss die Atelierräume des Steinbildhauers Hubert Maier und betrachtete mit großen Augen dessen Skulpturen, ehe sie Maja Otts Hinterglasmalerei zu sehen bekommen sowie die dortigen Gastateliers. Die europäischen Gäste sind beeindruckt. Völlig zu Recht, sind doch sowohl das Meta Theater als auch die Moosacher Ateliers ganz besondere Schätze im Landkreis. Nicht umsonst wird Axel Tangerding immer wieder ausgezeichnet. Eines funktionierte an diesem Tag ganz augenscheinlich: die Netzwerkarbeit. Der Austausch bei Tisch war intensiv.

Zum Abschluss der Exkursion fand eine Aufführung im Meta Theater statt: Der Nō-Meister Akira Matsui und die Schauspielerin Marion Niderländer gaben klassisches Nō-Theater und, in Verschmelzung der Nō-Tradition mit zeitgenössischem Theater, Samuel Becketts "Rockaby". Nach einem Gespräch mit den Darstellern fuhren die Teilnehmer gemeinsam mit dem Bus wieder zurück nach München.

Intensiv und inspirierend war der Tag für die Gäste in Moosach. Tangerdings Meta Theater ist ein außergewöhnlicher Ort, der nicht nur den Landkreis bereichert. Die Arbeit des Theatermachers und Architekten ist beachtlich. Dass dieser Mann nun Theatermacher aus aller Welt nach München geholt hat, die sich mit der Zukunft Europas beschäftigen, verdient großen Respekt.

Im Nachklang zum Münchner IETM-Festival wird am Samstag, 10. November, um 16 Uhr europaweit ein Manifest von Ulrike Guérot, Robert Menasse und Milo Rau verlesen, mit dem symbolisch die Europäische Republik ausgerufen wird. Informationen unter www.ietm.org/munich.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Malerei in Moosach
:Ein Künstler peitscht sich aus der Krise

Horst Siegel stellt seine gepeitschen Bilder zum ersten Mal aus. Über eine Premiere im Alten Bahnhof in Moosach.

Von Anja Blum

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: