Musik:Leuchtende Innigkeit

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Durchsonnte, schöne Musik präsentieren Pianistin Evgenia Rubinova und Oboist Albrecht Mayer in der voll besetzten Baldhamer Kirche Maria Königin. (Foto: Christian Endt)

Oboist Albrecht Mayer und Pianistin Evgenia Rubinova begeistern beim Rathauskonzert im Exil

Von RITA BAEDEKER, Vaterstetten

Geiger haben den Bogen, den sie vom Frosch bis zur Spitze für Melodiebögen und Klangfarben einsetzen können. Bläser brauchen für all das einen langen Atem. Einer, der so viel Atem hat, dass er alle drei Romanzen für Oboe und Klavier, Op. 94, von Robert Schumann ohne Pause spielen kann, ist Albrecht Mayer aus Bamberg, mit zahlreichen Preisen ausgezeichneter Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker. Früher, so erzählt er dem Publikum in der voll besetzten Kirche Maria Königin in Baldham, hieß es, man solle die Romanzen nicht hintereinander aufführen. "Man hatte wohl Angst, der Solist würde auf der Bühne kollabieren." Von Schumann weiß Mayer dann noch zu berichten, dass er die schönste Musik dann schrieb, wenn es ihm am schlechtesten ging.

Der Schönheit und Ausdruckskraft dieser Lieder ohne Worte nach zu urteilen, muss es Schumann beim Komponieren richtig dreckig gegangen sein. Die Satzbezeichnungen "einfach und innig" beschreiben den Charakter dieser Musik genau. Albrecht Mayer und die das romantische Feuer immer wieder entfachende und nährende Pianistin Evgenia Rubinova bringen die Stücke zum Leuchten.

Schöne Musik, durchsonnt und voller Leben, steht auf dem Programm dieses Rathauskonzerts im Exil. Gespielt wird zu Beginn die Sonate für Violine und Klavier e-Moll von Mozart in der Fassung für Oboe und Klavier, und zum Schluss die Frühlingssonate von Beethoven, ebenfalls in der Fassung für Oboe und Klavier. Wobei Albrecht Mayer, wie er in der Pause betont, die originale Violinstimme spielt, mit winzigen Veränderungen, die dem geringfügig unterschiedlichen Tonumfang von Geige und Oboe geschuldet sind. "Ein Stück wie die Frühlingssonate ist heilig, da gibt es nichts zu verändern." Es gehe auch nicht darum, Violinstücke aufzuführen, weil es für Oboe wenig Literatur gebe. "Wir wollen einfach nur Highlights spielen, wenn möglich in der Urtextversion."

Die unter die Haut gehende Klangsinnlichkeit der Oboe, wie man sie in ihrer ganzen Fülle im zweiten Satz der 9. Symphonie von Antonin Dvorak, "Aus der Neuen Welt", erleben kann, bringt Albrecht Mayer auch bei Camille Saint-Saens Sonate für Oboe und Klavier Op. 106 zum Ausdruck. Als "Dialog zwischen Schäfer und Schäferin" kündigt er den zweiten Satz, das zauberhafte Andantino, an. Voll sehnsuchtsvoller Emotion erklingt der einleitende Ruf, der Klang der Oboe, die hier ganz in ihrem Element schwelgen darf, zielt direkt ins Herz. Das Klavier antwortet jeweils mit "männlicher" Vehemenz.

Evgenia Rubinova, Pianistin von Weltrang und für farbige Klanggebung und souveräne Interpretation gleichermaßen gerühmt, hat an diesem Abend zwei Solostücke zu spielen, die den Zuhörern schier den Atem rauben. Das eine sind Beethovens "Zwölf Variationen über den russischen Tanz aus dem Ballett Das Waldmädchen" von Paul Wranitzky, einem Zeitgenossen Mozarts. Nach einem Auftakt mit perlenden Läufen wird in Klangbild und Rhythmus bald der folkloristische Ursprung der Musik hörbar. Das Ballett selbst, so berichtet Evgenia Rubinova, werde nicht mehr aufgeführt, auch sie kenne es nicht, während die Musik selbst zum populären musikalischen Erbe Russlands gehöre. "Beethoven hat in seiner Bearbeitung den tänzerischen Grundpuls auf wunderbare Weise beibehalten", schwärmt sie.

Ihr zweites solistisches Bravourstück ist das "Capriccio alle Turca" über Motive aus "Die Ruinen von Athen" von Beethoven. In seinem Capriccio zitiert Liszt den Marsch aus Beethovens Orchestermusik zur Einweihung eines Theaters. Er schuf aus der Vorlage eine Tour de Force aus wilder Chromatik, Klangstrudeln und einer zügellosen Raserei, der die Ruinen von Athen kaum standhielten. Rubinova erhält für dieses virtuos-spektakuläre Zauberkunststück donnernden Applaus.

Beethovens herrliche viersätzige Frühlingssonate, in der die Natur zu heiteren aufstrebenden Melodien erwacht, schließt den Kreis der Musikschöpfungen des Abends. Zarteste Klangfarben und ausdrucksstarke Motive entlockt Mayer, dessen langer Atem hier wieder gefordert ist, seiner Oboe. Die Luft reicht dann auch noch für einen "Rausschmeißer". Es erklingt der letzte Satz einer Sonate von Francis Poulenc, die Sergej Prokofjev gewidmet ist, ein schräges lustiges Stück, streckenweise geeignet für Tröte und Brummkreisel, im Mittelteil dann lyrisch, fast romantisch. Lang anhaltender jubelnder Applaus - und draußen wartet eine laue Sommernacht.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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