Musik:Die Klänge von Winnetou

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Ein wenig wirkt es, als hätten sie sich verlaufen, doch Mitch Walking Elk und Wade Fernandez verwandeln die Schulaula schnell in eine Filmkulisse. (Foto: Christian Endt)

Mitch Walking Elk und Wade Fernandez in Moosach

Von Konstantin Schätz, Moosach

Als die zwei Indianer die Bühne der Montessori-Schule in Niederseeon betreten, ist es, als wären sie auf dem Weg zu ihrem Auftritt nicht nur einmal falsch abgebogen. Denn eigentlich könnte man sich die beiden amerikanischen Musiker eher in einem dunklen Pub vorstellen, in dem Erwachsene ihrer Rock-, Blues- und Folk-Musik lauschen. Doch als der tätowierte Mitch Walking Elk zum Warmwerden ein Blues-Solo auf seiner Westerngitarre anspielt und Wade Fernandez nach seiner Indianerflöte greift, schauen sie mehr als 20 Kinder mit großen Augen an. Die wenigsten sind älter als zehn Jahre.

Etwa zwei Stunden lang spielen sie hier vor einem Publikum, das aus Schülern, deren Eltern und einigen Musikbegeisterten besteht, die einfach nur gekommen sind, um die Indianer zu sehen, die mit ihrem Native-American-Blues und -Rock schon den Nammy Award gewinnen konnten. Ein Preis, der die Musik von US-Native-Americans würdigt.

Als der aus Wisconsin kommende Wade Fernandez vom Volk der Menominee mit einer mit Lederstriemen versehenen Indianerflöte das Programm beginnt, kehrt absolute Stille ein. Mitch Walking Elk vom Volk der Cheyenne unterlegt die Melodie mit einem Klopfen auf seiner Gitarre und ahmt damit das Geräusch von Trommeln nach. Bei geschlossenen Augen versetzt einen die Musik, die durch die Aula hallt, in die Kulisse eines Winnetoufilms und lässt einen die Friedenspfeife förmlich riechen.

Geraucht wurde bei der Veranstaltung freilich nicht, doch auch Chili con Carne trug zur passenden Stimmung bei. Zubereitet hatten das Gericht unter anderem die beiden Kindern von Wade Fernandez, die bereits seit einer Woche Gäste an der Montessori-Schule sind und dort noch weitere Tage verbringen werden: Der Besuch von Cedar und Wade (Junior) Fernandez in der Projektstufe soll den Schülern ermöglichen, ihre Englischkenntnisse zu verbessern und die Kultur der amerikanischen Ureinwohner kennenzulernen.

"We're counting in Menominee now", kündigt Wade Fernandez den Auftritt seiner beiden jugendlichen Kinder an. Seine Tochter Cedar hebt ihre Hand mit ausgestrecktem Daumen in die Luft, um den Zuschauern zu zeigen, dass sie gleich das Wort "Eins" in der aussterbenden Sprache der Menominee vorstellen wird: "Nekot" sagt sie ins Mikrofon. Das Publikum wiederholt das Wort begeistert. "Niis" lehrt Cedar dem Publikum, während sie zwei Finger in die Höhe hält. Als sie bei dem Wort "Sechs" ankommt und ihr Bruder Wade den Unterricht übernehmen will, bricht Gelächter im Publikum aus. Denn der junge Amerikaner muss feststellen, dass das Halten eines Mikrofons sich nicht mit dem Anzeigen der Zahl "Sechs" vereinbaren lässt. Seine Schwester muss deshalb kurzerhand einen Mikrofonständer ersetzen.

Nicht alles läuft an diesem Nachmittag rund. Das aber macht gerade den Charme des Konzerts aus. So muss der völlig übermüdete Mitch Walking Elk, der mit einem Jetlag kämpft, wie er nach dem Konzert erzählt, wegen eines Krampfs in den Fingern zwischenzeitlich aufhören, Gitarre zu spielen. Doch kein Problem für Fernandez, der die kratzige, tiefe Stimme seines Kollegen kurzerhand mit ein paar Riffs auf seiner E-Gitarre, die an Carlos Santana erinnern, begleitet und die Rocknummer so zu einem guten Ende führt. Improvisation ist ohnehin Stichwort des Tages für die beiden Freunde, die sich im vergangenen Jahr nur ein einzige Mal gesehen haben.

Am Ende legen die Indianer für diesen Nachmittag die Gitarren weg und Wade greift erneut zur Flöte. Nur noch wenige Kinder sind in der Aula zu sehen, als eine indianische Melodie den Abend beendet. Bis zu dieser Pause sind die jungen Zuhörer dem Programm aufmerksam gefolgt. Nun aber nutzen sie die letzten Minuten, um auf dem Schulhof zu spielen, während die Eltern noch einmal in ein fremdes Land entführt werden.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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