Moosach:Im Paradies des schwarzblauen Bläulings

Lesezeit: 3 min

Die Gutterstätter Streuwiesen sind als eiszeitliches Flusstal entstanden. Seit 25 Jahren kümmert sich der Landschaftsplegeverein um Teile davon. (Foto: Leo Ott/oh)

Den Gutterstätter Streuwiesen geht es deshalb so gut, weil sie weitgehend in Ruhe gelassen werden. Vertreter von Fachverbänden haben begutachtet, welche Artenvielfalt zwischen Moosach und Bruck gedeiht und was ihre Ebersberger Kollegen vom Landschaftspflegeverband dafür tun müssen

Von Alexandra Leuthner, Moosach

Der schwarzblaue Bläuling fühlt sich so richtig wohl in den Gutterstätter Streuwiesen. Die Macher der wunderbar bayrischen Hörspielreihe "Doctor Döblingers geschmackvolles Kasperletheater" haben dem Schmetterling und seiner Suche nach dem Wiesenknopf eine eigene Folge gewidmet. Tatsächlich hat der Falter eine existenzielle Vorliebe für das Staudengewächs mit dem kleinen, rötlichen Knopf oben drauf, das auf feuchte Wiesen angewiesen ist. Die Gutterstätter Streuwiesen, seit 2007 als europäisches Schutzgebiet ausgewiesen, bieten dem Wiesenknopf, aber auch einer Vielzahl anderer Arten, Schutz und Lebensgrundlage.

Vertreter von Landschaftspflegeverbänden aus ganz Bayern holten sich vor wenigen Tagen nasse Füße in der grünen Senke zwischen Moosach und Pullenhofen. Vom Geschäftsführer des Ebersberger Landschaftspflegeverbands, Josef Rüegg, ließen sie sich Entstehung und Pflege der unterschiedlichen Lebensräume erklären, die Teil des Natura-2000-Gebietsnetzes sind und so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in Bayern leisten. Den Landschaftspflegeverbänden fällt hier die Hauptverantwortung zu. Alle zwei Jahre treffen sie sich zum Bayerischen Landschaftspflegetag. Diesmal fand er in Ebersberg statt. Nach einer Diskussionsveranstaltung im Alten Speicher mit Umweltministerin Ulrike Scharf ging es am Nachmittag hinaus ins Grüne.

Entstanden ist das Niedermoorgebiet als Flusstalmoor beim Rückzug der Gletscherzungen der letzten Eiszeit. Mit sechs Hektar Nettofläche in einem Gebiet von insgesamt 16 Hektar, das sich rechts und links der träge mäandernden Moosach erstreckt, sind die Streuwiesen die größte zusammenhängende Pflegefläche im Landkreis. Um 85 Hektar kümmert sich der Ebersberger LPV insgesamt, darunter sind 35 Hektar Ausgleichsflächen.

Pflege heißt vor allem, einmal jährliche Mahd. Zudem müssen die Flächen von Büschen und Bäumen frei gehalten werden, aber auch von Schilf, das sich gerade in Uferbereichen wie am Rand der Moosach ausbreitet. Übers Jahr haben Pflanzen und Tiere Ruhe. Welche Flächen wann gemäht werden und welche für ein Jahr unberührt, "brach" liegen dürfen, legt der Agrarbiologe Rüegg fest. Wobei er sich am Vorkommen der Arten in den einzelnen Lebensräumen orientiere, erklärte er. So sei es für Kräuter besser, wenn die beiden Bauern im Auftrag des LPV früher im Jahr anrücken, Gräsern tue es gut, wenn sie lange stehen bleiben dürfen. Und hat es viel geregnet, müssen die Arbeiten verschoben worden. "2012 stand hier knöcheltief das Wasser im Oktober, da war an Mähen nicht zu denken."

Dabei müssen sämtliche Maßnahmen bis Februar festgelegt sein, damit Rüegg die Zuschüsse einzeln beantragen kann. Finanziert werden sie vom Land Bayern, wobei trotz laufender Neugründungen von Landschaftspflegeverbänden - 59 sind es derzeit - der Topf nicht entsprechend aufgestockt werde, klagte Rüegg. Ohnehin sei es nicht einfach, Landwirte für die Pflege zu finden. Ohne eine Portion Idealismus gehe das nicht bei 5,10 Euro, die pro Kubikmeter Mähgut gezahlt werden. Nur ein einziger Landwirt von denen, die hier Felder besitzen, pflege sie selbst. Alle anderen haben Pflegeverträge abgeschlossen. Landwirtschaftlich bewirtschaften lassen sich die unregelmäßigen Flächen in dem schmalen Tal kaum, mit breiten Mähmaschinen geht gar nichts, gemäht wird von Hand mit einem Balkenmäher. Das ist anstrengend, vor allem an den Hängen. Und das Streugut, erzählt Bauer Hutterer, sei als Pferdefutter zu feucht, höchstens als Einstreu für Ochsen zu gebrauchen, oder als Auflage auf den Feldern. "Das Problem ist, dass es im Landkreis zu wenig Tierhaltung gibt", sagte der LPV-Geschäftsführer Für Biogasanlagen enthalte das Gras zu wenig Protein. Ideal wäre eine Beweidung mit Schafen oder Ziegen, weshalb er nach einem zuverlässigen Schafhirten sucht.

Und doch ist die Entwicklung der Streuwiesen nach 25 Jahren Bewirtschaftung durch den Pflegeverband eine Erfolgsgeschichte. Das zeigt sich in der Liste der Arten, die Rüegg den Gästen aufzählen konnte, darunter Lungen-Enzian, Sumpfgladiole, Alpenhaargras, Sibirische Schwertlilie und wohlriechender Lauch. Und wo es blüht und duftet, gedeiht auch die Fauna: Abbiß-Scheckenfalter, Mädesüß-Perlmuttfalter und Sumpfschrecke fühlen sich hier ebenso wohl wie Blindschleiche, Ringelnatter und Zauneidechse - letztere allerdings eher im östlichen Teil der Streuwiesen. Hier ist es trockener als im Westen, wo die Moosacher Kläranlage steht - die noch aus einer Zeit stammt, "in der von FFH-Gebieten keine Rede war", erzählte Rüegg. Vor allem die Unterschiedlichkeit der Naturräume mache die Bedeutung der Streuwiesen aus, sagte Rüegg. Von sehr feuchten Bereichen, beschattet von Fichtenwald, der auf den nordwärts gewandten Hängen wächst, bis zu sehr trockenen und sonnenbeschienenen Wiesen, die sich am gegenüberliegenden Rand der Senke hochziehen. Hier riecht es nach Thymian und Wiesensalbei. Hier stehen auch die Reste von Gebäuden, die zum Pullenhofener Steinbruch gehört haben. Vom Tuffstein, der in früheren Jahrhunderten abgegraben und zum Kirchen- und Hausbau verwendet wurde, ragt noch eine Nase aus einem Steilhang. Zeugnisse der Geschichte, die aus kulturhistorischen Gründen erhalten werden - auch so was habe durchaus Platz in einem FFH-Gebiet, sagt Rüegg.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: