Moosach:Faszinierende Klangwelten

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Max Bauer und Andrea Kilian beziehen in ihren performativen Vortrag über die Geschichte des Geräuschmachens auch den Untergang der Titanic mit ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Andrea Kilian und Max Bauer erzählen im Meta Theater Moosach die Geschichte des Geräuschemachens und lüften dabei so manches Geheimnis

Von Peter Kees, Moosach

Kokosnussschalen, die ein galoppierendes Pferd imitieren, eine mit Erbsen gefüllte Blechtrommel, die Meeresrauschen entstehen lässt, eine Kiste mit zerbrochenem Glas, die das klirrende Geräusch von zu Boden fallenden Glasscherben nachahmt, ein altes Celluloid-Filmband, das die Illusion knisternden Feuers erzeugt, diverse Flöten, Autohupen, Glocken, Wasserschläuche: All das und viele Requisiten mehr nutzt der Ebersberger Geräuschemacher Max Bauer bei seiner Arbeit. Gemeinsam mit der Regisseurin und Sprecherin Andrea Kilian wird er auf der Bühne des Meta Theaters in Moosach an diesem Samstag noch einmal die Geschichte und die vielen Aspekte seines Berufsstandes erzählen: Klangcollagen, live erzeugte Geräusche, zugespielte wie live gesprochene Textpassagen vermischen sich da zu einer faszinierenden Klangwelt. "Die Kunst des Geräuschemachens" ist der Vortrag betitelt.

Die Ursprünge dieser Zunft liegen weit zurück. Schon auf der Bühne des antiken Theaters wurden Geräusche als dramaturgisches Mittel eingesetzt. In einen bronzenen Kessel, dem "Bronteion", wurden aus Lederschläuchen oder aus einem aufgespannten Fell Steine oder Bleikugeln geschüttet, um donnerartige Geräusche zu erzeugen. Auf diese Weise kündigte man das Erscheinen der Götter, aber auch Katastrophen, Erdbeben und Stürme an. Das künstliche Erzeugen von Donner, so erzählen Kilian und Bauer, spielte auch später noch eine zentrale Rolle im Theater, etwa in den Mysterienspielen des Mittelalters, vor allem aber im Theater des Barock. Noch heute wird das Donnerblech gerne eingesetzt.

Bauer und Kilian arbeiten aber nicht nur analog mit allerlei Gegenständen. Sie bedienen sich auch zeitgemäßer Medien. Mikrofone, Verstärker, Sampler oder Loopstationen verzahnen sich mit live erzeugten Geräuschen und Worten. Nicht nur mit der Kunst des Geräuschemachens faszinieren Bauer und Kilian das Publikum - auch die Dramaturgie der Klangreise wird packend gestaltet.

Max Bauer hat 15 Jahre lang die Geschichte seines Berufs recherchiert, in Archiven gestöbert, geforscht und dabei ein Wissen zusammengetragen, das, wie er selbst sagt, so beispielsweise im Internet nicht zu finden sei. Aus diesem Material haben die beiden ihr Stück gestrickt: Man wird von der Antike bis in die 1930er Jahre geführt, erfährt etwas über Philosophie und Entwicklung der Geräuschemacherei auf der Theaterbühne - im 19. Jahrhundert beispielsweise verfügten alle größeren Theater über Vorrichtungen zur Erzeugung von Naturphänomenen wie Sturmwind, Regen, Vogelstimmen, Eisknacken, Erdbeben oder Vulkanausbrüchen - und wird nolens volens in die Geschichte des Films geleitet, deren Anfang 1895 im Berliner Varieté Wintergarten liegt, gefolgt von öffentlichen Filmvorführungen in Paris und Amerika. Gerade Stummfilme brauchten für ihre Dramaturgie künstlich erzeugte Geräusche. Von der Stummfilmzeit geht es in dem Vortrag bis zur Geburt des Tonfilms 1927.

Was Bauer und Kilian da aufführen, ist weit mehr als ein Vortrag, auch der Begriff Performance trifft es nicht ganz: Ihre Aufführung ist eine Schule des Hörens, eine gelungene Collage aus Theater, Hörbild und Radiofeature vom Allerfeinsten. Da sitzt Bauer an seinem Geräuschetisch und zaubert mit Dingen, die woanders auf dem Müll landen; und neben ihm agiert mit großer Wandlungsfähigkeit und hoher darstellerischer Präsenz Andrea Kilian. Höhepunkt des Abends wird die Vertonung eines Stummfilms sein - des eine Viertelstunde dauernden Science-fiction-Streifens "Die Reise zum Mond" von Georges Méliès aus dem Jahre 1902. Darin wird die Geschichte von sechs Astronauten erzählt, die mit einer von einer Kanone abgeschossenen Kapsel zum Mond fliegen, wo sie Schneeschauer, riesige Pilze und einen Angriff der Mondbewohner erleben. Faszinierend, wie Bauer und Kilian diese märchenhafte, klangsinnliche Expedition ins All umsetzen und dabei manches Berufsgeheimnis lüften.

Die Kunst des Geräuschemachens, ein performativer Vortrag von und mit Andrea Kilian und Max Bauer, ist noch einmal am Samstag, 15. Oktober, um 20 Uhr im Meta Theater in Moosach zu erleben. Der Eintritt kostet 14, ermäßigt zehn Euro.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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