Mitten in Ebersberg:Unsichtbare Freunde

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Hollywood und Kinder machen es vor: In Zeiten wie diesen könnte ein imaginärer Begleiter die Lösung sein. Einer wie Toni Ried vielleicht? Oder Josef Peis? Alexander Gressierer gar?

Kolumne von Franziska Langhammer

Manche Filme, die schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben, können dieser Tage an schauerlichem Nachdruck gewinnen. "Only after disaster can we be resurrected", sagt beispielsweise Tyler Durden, einer der Protagonisten im blutdurstigen US-Drama "Fight Club". Brav übersetzt bedeutet das so viel wie: Nur eine Krise kann uns zu neuem Leben erwecken. Darüber kann man jetzt, Entschleunigung hin, neues Biedermeier her, bestimmt lange Diskussionen führen.

Fest steht, dass Tyler Durden selbst der Weg aus der Krise ist. Letztlich nämlich - Spoiler-Alarm für alle, die es in den letzten 20 Jahren nicht geschafft haben, diesen Film zu schauen - stellt sich heraus, dass Tyler nur das anarchische Alter Ego des zweiten Protagonisten ist, eines gelangweilten Angestellten. Tyler ist zwar nur auf Zerstörung aus, fungiert aber als Berater und, ja, auch als Freund.

Nun haben unsichtbare Freunde den Vorteil, dass sie erstens keinen Sicherheitsabstand einhalten müssen und zweitens auch ganz offiziell zu Besuch kommen dürfen, ohne dass man eine Anzeige bei der Polizei fürchten muss. Wohl auch deshalb hat sich die Tochter der Autorin gleich mehrere imaginäre Freunde angeschafft; jetzt, wo der Kindergarten zu ist, kann man nicht genug davon haben. Dazu zählen: der Cousin, Pippi Langstrumpf, Petterson und Findus. Schon beim Zähneputzen in der Früh sind sie dabei, und bleiben sie bis zum Abendessen, muss der Papa schon mal den Tisch für sie mitdecken.

War diese Freundesschar anfangs anstrengend, wird man mit der Zeit nachdenklich: Sollte ich mir auch einen imaginären Freund anschaffen? Einen Toni Ried vielleicht, der mir wie zu Wahlkampfzeiten vor dem Edeka Marzipan schenkt? Oder lieber doch einen Josef Peis, der mit mir Windräder schauen geht? Oder, jetzt wird es abgefahren, mit Alexander Gressierer an der Haustür zu stehen und zu quatschen? Hach, waren das noch Zeiten, als das legal war. Vielleicht reicht es vorerst, zwischen Petterson und Pippi Platz zu nehmen. Und ihnen einen guten Appetit zu wünschen.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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