Mitten in Ebersberg:Obacht! Overtourism

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Dass der Landkreis attraktiv ist für Urlauber, ist ja schön und gut. Doch zu viele müssen es auch wieder nicht werden

Kolumne von Wieland Bögel

Das Paradies und sein Gegenteil liegen oft nahe beieinander: Was für die einen als Urlaubsparadies gilt, ist für jene, die da wohnen, die reinste Hölle. Der Fachausdruck ist Overtourism, und viele schöne Orte auf der Welt könnten ein Lied davon singen, würde es nicht vom Tuten der Ozeanriesen, vom Grölen besoffener Ausflügler oder dem nervenaufreibenden Geräusch, das Abertausende Rollkoffer auf Kopfsteinpflaster erzeugen, übertönt. Das Tückische am Overtourism aber ist, dass man ihn erst bemerkt, wenn es zu spät ist - weshalb man im Landkreis wachsam sein sollte.

Dieser, so war es nun wieder in der Sitzung des zuständigen Kreistagsausschusses Thema, soll und will ja mehr für den Tourismus tun. Unter anderem gibt es eine Personalverstärkung im Landratsamt, die eben dieser Tourismusförderung zugute kommen soll. Bereits jetzt scheint sich der Tourismus in der Region sehr positiv zu entwickeln, wie Oswald Pehel vom Tourismusverband Oberbayern-München (TOM) vorstellte. Seit 2013 ist der Landkreis als Premium-Mitglied dabei, weshalb einige Sehenswürdigkeiten in der aktuellen TOM-Broschüre auftauchen. Ob es unbedingt mehr werden müssen, stellte nun die SPD-Kreisrätin und Zornedinger Vizebürgermeisterin Bianka Poschenrieder zur Debatte - sie verwies darauf, dass jetzt schon zu manchen Zeiten in Zorneding keine Zimmer zu bekommen seien und die Leute sicher nicht zu viele Touristen wollten.

Was ja stimmt: Man stelle sich vor, Menschenmassen aus aller Herren Länder wälzen sich durch die historischen Gassen Ebersbergs, Filmfans spielen die legendäre Verfolgungsszene zwischen Tatort-Kommissar Gustl Bayrhammer und Franz Xaver Kroetz auf einem Bahndamm bei Vaterstetten nach und der halbe Zauberwinkel Poing wird an ebenso trinkfeste wie sangesfreudige Rucksacktouristen untervermietet. Nicht schön. Ob die Finanzen des Landkreises denn wenigstens vom Tourismus direkt profitieren könnten, wollte Martin Lechner (CSU) wissen, etwa über eine Kurtaxe. Im Prinzip ja, aber nicht auf Landkreisebene, so die Antwort des Experten, denn diese ist eine kommunale Abgabe. Zudem sei das Tourismusaufkommen dann doch noch etwas zu niedrig dafür.

Falls sich das einmal dramatisch ändert, bliebe vielleicht noch die venezianische Lösung. Die Lagunenstadt erhebt inzwischen Eintritt - möglicherweise werden ja bald auch an der B304 und der A94 Zahlstellen aufgebaut, denn das Paradies gibt es halt nicht zum Nulltarif.

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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