Mitten in Ebersberg:Manchmal doch ein Ponyhof

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So manche Extremsituation scheint bei einigen Menschen für eine Verschiebung in den altersgemäßen Eigentümlichkeiten zu sorgen, so erlebt vor wenigen Tagen am Klostersee

Kolumne von Franziska Langhammer

Das mit dem Alter ist so eine Sache. Früher waren die Attribute klar verteilt: Mehr durchlebte Jahre hieß mehr Lebenserfahrung hieß mehr Weisheit; ein jüngeres Lebensalter ließ hingegen Sturm und Drang und so manche Kapriolen erwarten. Das lässt sich nun nicht bei allen bestätigen, gibt es doch auch Neugeborene, die faltentechnisch ungelifteten Neunzigjährigen Konkurrenz machen, oder ältere Semester, die ihren zweiten oder dritten Frühling durchleben. Doch auch so manche Extremsituation scheint für eine Verschiebung in den altersgemäßen Eigentümlichkeiten zu sorgen, so erlebt vor wenigen Tagen am Klostersee.

Die Sonne scheint warm, die Stimmung ist gut, der Keks in der Hand bröselig und bewegungsfreudig. Anders ist es nicht zu erklären, warum sich die Brösel plötzlich den Weg zwischen den Fingern hindurch bahnen und im Wasser landen, genau vor den Schnäbeln dreier schnatternder Entenmännchen. Der Sohn, anderthalb, findet das natürlich superlustig und schnattert: "Mehr! Mehr!" In diesem Moment ertönt eine Stimme von hinten, an Autorität nicht zu überbieten: "Hey! Antn deaf ma fei ned fuadan!" Zusammenzucken, ein vorsichtiger Blick zurück. Dort hat sich ein etwa neunjähriger Junge aufgebaut, die Hände in die Seiten gestemmt. Recht hat er, natürlich. Eine zaghafte, sehr schlagfertige Antwort: "Ich weiß..." Doch der Junge lässt nicht locker: "Warum deans as dann?" Wenigstens siezt er noch. Ein kleiner Triumph. Kleinlaut wird zurückgegeben: "Ähm..." Endlich lässt er ab, zieht von dannen, und dem kleinen Sohn wird sogleich erklärt, warum es natürlich nicht erlaubt ist, Enten zu füttern.

Szenenwechsel, eine Woche später im Märchenwald in Wolfratshausen. Nach ein paar Runden mit der Hase-und-Igel-Bahn wird bei den Pferden angestanden. Keine echten natürlich, Karussell-Pferde, auf denen man auf einer Schiene entlang durch den Wald reiten kann. Die Jungs vor uns in der Schlange sind schon aufgeregt, dem kleinen Sohn wird erklärt: "Schau mal, wir kriegen dann das schwarze Pferd." Da schaltet sich wieder eine Stimme von hinten ein: "Ist es Ihnen wichtig, dass Sie das schwarze Pferd bekommen?" Verblüfftes Umdrehen. Eine Frau, vielleicht Anfang Vierzig, steht dort, ganz ohne Kind. "Nein, wieso?" Die Frau antwortet, nicht ohne Stolz: "Weil ich das gerne nehmen würde." Natürlich wird ihr sofort Platz gemacht. Sogleich setzt sie sich auf den schwarzen Vierbeiner und reitet beschwingt von dannen. Selbst von hinten sieht sie etwas fröhlich aus. Noch etwas verwundert nehmen wir das nächste Pferd, ein braunes. Auch ok. Los geht die Runde durch den Wald, der Kleine jauchzt. Und auch die Mama hat was dazu gelernt: Das Leben ist vielleicht doch manchmal noch ein Ponyhof. Ganz altersunspezifisch.

© SZ vom 18.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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