Mitgliederkartei auf dem Prüfstand:Linke nehmen ihre Kartei unter die Lupe

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Mit dem 55-jährigen Werbetechniker Klaus Bodnar als Vorsitzendem will der Kreisverband Ebersberg-Erding einen Neuanfang wagen.

Barbara Mooser

Karteileichen - dieser Begriff macht die Mitglieder der Linken in Bayern momentan ziemlich wütend. Schließlich stehen Partei und Bundesvorsitzender Klaus Ernst seit Wochen wegen dieses Themas in der Kritik. Ernst werden aus den Reihen der eigenen Partei Tricksereien bei der Mitgliederkartei des Landesverbandes vorgeworfen, um die Zahl der Delegierten aus Bayern so zu erhöhen. "Sehr unerfreulich" sei diese Sache, sagt dazu Klaus Bodnar. Seit drei Monaten führt der 55-jährige Werbetechniker aus Erding den Kreisverband Erding-Ebersberg der Linken - und auch für ihn heißt es erst einmal: aufräumen.

Wer ist nur noch eine Karteileiche, wer fühlt sich der Linken wirklich zugehörig? Diese Frage muss auch der Kreisverband Ebersberg-Erding momentan klären. (Foto: ddp)

Dazu gehört eben auch die Überprüfung, ob es auch im Kreisverband Karteileichen gibt. Momentan könne er nicht sagen, wie viele Mitglieder man habe, bedauert der Vorsitzende: "Da muss ich mir selbst erst einmal einen Überblick verschaffen." 27 Mitglieder hatte der Kreisverband nach eigenen Angaben Ende 2009 noch. "Im Moment sind wir dabei, alle anzusprechen, ob sie sich noch zugehörig fühlen", sagt Bodnar.

Bis Ende September soll dann auch geklärt werden, was es mit ausstehenden Beitragsrückständen im Kreisverband auf sich hat. Überhaupt muss bei der Finanzverwaltung des Verbands einiges nachgeholt werden. Für die ersten fünf Monate des Jahres gab es beispielsweise keine richtigen Abrechnungen. "Unser bisheriger Kreisschatzmeister hatte von Finanzen wenig Ahnung. Er hat sich selbst als Notlösung bezeichnet", so Bodnar. Allerdings habe auch der Landesverband nicht die nötigen Daten geliefert. Jetzt müsse die neue Schatzmeisterin Ingrid Brockmann das Versäumte nachholen. Doch auch sonst haben Bodnar und seine Mitstreiter - außer ihm und Brockmann gehört auch der Taufkirchener Manfred Steiner dem Vorstand an - alle Hände voll zu tun, um einen Neuanfang im Kreisverband zu schaffen.

Denn in den vergangenen Jahren haben sich die Linken in Ebersberg und Erding heillos zerstritten. Anfang des Jahres deutete sogar der Landesverband an, dass eine Auflösung möglicherweise unvermeidbar sei. Heute existiert der Kreisverband immer noch, doch von den Köpfen, die man früher mit den Linken hier verband, sind nur noch wenige aktiv. Der Ebersberger Josef Schleipfer hat nach internen Auseinandersetzungen Ende 2009 den Vorsitz hingeworfen.

Auch der Ottenhofener Johannes Böhm, Schleipfers Stellvertreter, sagt, er sei "derzeit nicht aktiv". Er hatte zwar nochmals für den Vorstand kandidiert, aber ohne Erfolg: "Es gab zu wenig Gemeinsamkeiten." Der Aßlinger Dieter Hartdegen, der im Bundestagswahlkampf 2005 als Direktkandidat für die Linkspartei angetreten war, engagiert sich inzwischen im Kreisverband München-Mitte. "Ich kann dort mehr inhaltlich mitarbeiten", sagt er. Persönliche Querelen untereinander hätten für seine Entscheidung keine Rolle gespielt - die habe es damals noch nicht gegeben.

"Es gab zu wenig Gemeinsamkeiten."

Klaus Bodnar selbst ist erst im September 2009 zur Linken gestoßen und will mit den Streitereien von früher nichts mehr zu tun haben. "In letzter Zeit haben wir uns mehr mit uns selber als mit politischen Inhalten beschäftigt. Das hat mich sehr gestört", sagt der Vorsitzende. Dies soll sich nun ändern. Doch auch organisatorisch muss laut Bodnar noch einiges passieren. Vor allem müsse sich der Kreisverband endlich eine richtige Satzung geben. "Die Satzung, die wir momentan haben, stammt noch von der WASG", erläutert Bodnar. Die Suche nach neuen Mitgliedern gehört zu seinen weiteren Zielen. Man wolle sich auch in den Gemeinden stärker verankern, erläutert er. Bisher ist die Linke laut Bodnar vor allem in den größeren Orten vertreten und im Landkreis Erding deutlich stärker als im Landkreis Ebersberg.

Ganz einfach werde die Mitgliederwerbung nicht, davon ist Bodnar überzeugt. Viele fühlten sich enttäuscht - zum einen von den Querelen auf lokaler Ebene, aber auch von dem Streit um den Bundesvorsitzenden. Ein Urteil über Ernst könne er sich zwar mit dem momentanen Wissensstand nicht erlauben, so Bodnar. Besser wäre es aber gewesen, diese Konflikte nicht vor den Augen der Öffentlichkeit auszutragen, sagt er. Sein Parteikollege Hartdegen ist überzeugt, dass Probleme bei der Zusammenführung der Karteien der WASG und der Linkspartei hinter den Abweichungen stecken: "Zu sagen, das sei politisch gewollt, halte ich für Unsinn."

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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