Literatur:Ideen für trübe Tage

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Dank Petra Johann, Markus Kühn, Claus Regnault, Bernhard Schäfer, Bernd Hertling und Michael Skasa gibt es in Grafing immer genügend Lesestoff. (Foto: Christian Endt)

Zur Woche der unabhängigen Buchhandlungen stellen sechs Grafinger Autoren ihre Werke vor

Von Wieland Bögel, Grafing

Wenn draußen die Tage kürzer und die Nebel dichter werden, bietet sich drinnen die Beschäftigung mit spannenden Büchern an. Oder mit deren Autoren, wie nun in der Buchhandlung von Katharina Slawik. Sie hatte zur Woche der unabhängigen Buchhandlungen sechs Grafinger Autoren eingeladen, sich und ihre Werke den Lesern vorzustellen.

Den Anfang machte einer, der diese Vorstellung eigentlich gar nicht nötig hat. Michael Skasa, Journalist und Radiomoderator, der unter anderem 40 Jahre lang seine Hörer mit der beliebten "Sonntagsbeilage" unterhielt. Im Erzählband "Nix g'habt - und so viel erlebt" hat er die Erinnerungen Grafinger Bürger an die Nachkriegszeit gesammelt. Einige seiner eigenen Erinnerungen an diese Zeit hatte Skasa nun für die Lesung mitgebracht, etwa wie er im Krieg als kleiner Bub aufs Land - eben nach Grafing - zu den Großeltern und "zu Hühnern und Bayern" geschickt worden war. Wobei letztere sein Interesse an der Lyrik geweckt hätten, waren sie doch höchst einfallsreich darin, seinen Namen zu verballhornen. Dass die Zeiten hart waren, weiß Skasa mit leichten Worten und rückblickend mit Humor zu schildern, ohne aber verklärende Nostalgie aufkommen zu lassen. Etwa, dass er als einziger mit kurzen Hosen zur Kommunion antreten musste, weil es für einen Anzug ebenso wenig gereicht hat, wie für eine aufwendige Kerze. Auch das Geheimnis seiner bis heute guten Gesundheit lüftete der Autor: dies liege am Schulsport. Der sei so unangenehm und abschreckend gewesen, dass er seitdem "sportlich abstinent" gelebt habe, wodurch ihm sowohl Gelenkschäden wie krankhaft vergrößerte Herzkammern erspart blieben.

Medizinisches, wenn auch aus einem ganz anderen Blickwinkel, hatte Bernd Hertling mitgebracht. Der Historiker und Heilpraktiker widmet sich der Geschichte und Mythologie von Heilpflanzen. Etwa der auch "Meerzwiebel" genannten Skilla Maritima - deren Name an das aus der Odyssee bekannten Ungetüm Skylla erinnert. Dieses, so Hertling, war der Legende nach ursprünglich eine schöne Nymphe, in die der Meergott Glaukos verliebt war - auf den wiederrum die Zauberin Circe ein Auge geworfen hatte. Um die Konkurrenz auszuschalten, mischte die eifersüchtige Hexe einen Zaubertrank in das bevorzugte Badegewässer der Nymphe, deren Unterleib sich daraufhin in ein hundeartiges Monster verwandelte - ihr Oberkörper glich aber weiter dem einer schönen Frau. Ähnlich zweigeteilt ist auch die Pflanze Skilla, sie besteht aus einer eher unansehnlichen Zwiebel und einer sehr schönen Blüte. Dass diese gegen manche Herzkrankheit helfen soll, passt ebenfalls ganz gut zum Liebesdrama, das sich um ihren Namen rankt.

Um die Entstehung von Geschichten ging es auch bei Petra Johann, allerdings nicht um Mythen und Legenden, sondern Kriminalromane. Vier davon hat die promovierte Mathematikerin Johann bereits verfasst - und zwischen ihren beiden Betätigungsfeldern durchaus Gemeinsamkeiten ausgemacht. Sowohl Mathematiker wie Krimiautoren brauchen Phantasie genau wie Logik - "nur Menschen und Beziehungen stören in der Mathematik eher, im Krimi braucht man sie dagegen sehr." Etwa in ihrem neuesten Buch "Die Einsamkeit des Todes", in dem es um ein sehr unterschiedliches Brüderpaar und das mysteriöse Verschwinden der gemeinsamen Geliebten geht.

Verschwinden war auch das Thema von Markus Kühn - allerdings nicht von Personen, sondern von Vermögen. Der einzige Sachbuchautor der Runde stellte seinen Ratgeber für Geldanlage vor. Dieser, so Kühn, bleibe beim Unterhaltungswert sicher hinter den Werken seiner Kollegen zurück, der Nutzwert für die Leser sei aber nicht zu unterschätzen. Dass auch Sachbuchautoren Unterhaltung nicht ganz fremd ist, zeigte er anschließend mit seiner modernisierten Version der biblischen Legende von den drei Talenten.

Um Verluste ganz anderer Art ging es bei Claus Regnault, der Anwalt im Ruhestand und Musikkritiker bezeichnete sich ganz bescheiden als "altersbedingter Erinnerungs-Aufschreiber". Eine davon ist eine Bombennacht im Herbst 1943, als der damals 15-Jährige die Zerstörungen seiner Heimatstadt München hautnah erlebte. Regnault schilderte die beklemmende Stimmung im Luftschutzbunker, die Erleichterung, wenn das eigene Haus noch stand, genau wie die Feuersbrünste, die einstige Schmuckstücke des Stadtbildes, wie das Opernhaus in eine Inszenierung ihrer eigenen Zerstörung verwandelten.

Noch weiter zurück in die Geschichte ging Bernhard Schäfer, genauer ins Jahr 1861. "Als Historiker hat man nicht die Phantasie, selber ein Buch zu schreiben", so der Leiter des Grafinger Stadtmuseums, darum seien diese ja auch immer auf der Suche nach Quellen, die dann aber durchaus interessant und unterhaltend sein könnten. Etwa der Bericht über Gesundheit und Lebensbedingungen der Bevölkerung des Landgerichtsbezirks Ebersberg, verfasst von Ludwig Schwaiger, dem Physikus, damals eine Art Amtsarzt, des Landkreises.

Die mehrere hundert Seiten lange Quelle hat Schäfer in moderne Sprache und Schrift übertragen, sowie mit der Biografie des Verfassers versehen und in ihren historischen Kontext eingeordnet. Etwa, dass ein solcher Bericht damals aus mehreren Gründen als sinnvoll erachtet wurde. Schließlich war einerseits "die Revolution noch nicht allzu lange her", da wollte man in München schon wissen, ob irgendwo etwas im Argen lag. Zum anderen galt das Medizinwesen der Gegend als nicht gerade vorbildlich, Schäfer zitiert aus einem Bericht des Joseph Ritter von Hazzi, der Anfang des 19. Jahrhunderts noch beklagt hatte, wie "medizinische Pfuscher das Leben der Einheimischen aufs Spiel setzen".

Derart schlimm war es wohl zu Schwaigers Zeiten nicht mehr, er weiß zu berichten, dass die Bewohner des Landkreises meist einigermaßen gesund und wohlgenährt sind - besonders im südlichen Teil, nördlich des Forstes seien dagegen die Folgen der härteren Arbeit und des schlechteren Essens zu beobachten. Außerdem sprachen die Ebersberger vor 150 Jahren gerne dem Bier zu, was nicht selten "Grobheit und Lärmsucht" zur Folge hatte. Auch Grafing ist Schwaiger eine genauere Betrachtung wert. Der Ort sei geprägt von "lebhaftem Gewerbe", locker bebaut und die Einwohner könnten es sich leisten, zu wenigen in großen Häusern zu wohnen. Ansonsten fallen dem Physikus die vielen Nebeltage in Grafing auf - ob die Bewohner diese schon damals mit Bücherlesen verbrachten, ist allerdings nicht überliefert.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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