Landwirtschaft:Auf Feldzug

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Beim Besuch des Wildbienengartens besprachen Traudl Höpfner (von links), die beiden Grünen-Landtagskandidaten Gisela Sengl und Thomas von Sarnowski mit Gärtner Niklas Passauer, Volker Seibt und Margit Kricha auch Nistmöglichkeiten für Insekten. (Foto: Christian Endt)

Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen Gisela Sengl besucht einen Ökogärtner aus der Region. Sie kritisiert, dass zu wenig Wissen über biologischen Anbau ohne Pestizide vermittelt werde

Von Jessica Schober, Forstinning

Niklas Passauer ist Gärtner aus Leidenschaft. Dafür macht er sich auch die Hände schmutzig, ja reißt sie sich gar manchmal auf. Der gelernte Tierpfleger hat Blessuren an den Fingern, weil er gerade noch mit einem Brombeerstrauch gerungen hat und später müsse er "endlich mal die Äpfel einsammeln und Saft machen", sagt der 28-jährige Forstinninger. Jetzt steht aber gerade die agrarpolitische Sprecherin der Grünen mitten in seinem Gemüsegarten und sortiert die Dinge, auf Gedeih und Verderb.

Gisela Sengl, die auf dem dritten Listenplatz für die Landtagsgrünen kandidiert, ist aus dem Allgäu hergekommen. Sie steht jetzt an jenem Ort am Rande des etwa 1700 Quadratmeter großen Feldes, der für sie die Kampfzone markiert. "Monokultur gegen Vielfalt", sagt sie und teilt den Acker in zwei Hälften. Sie zeigt auf das Maisfeld zu ihrer Rechten, während sie mit der Hand an einer Sonnenblume aus dem bunten Garten zu ihrer Linken herum friemelt. Es ist der klassische David-gegen-Goliath-Kampf: Ökologischer Landbau gegen konventionelle Landwirtschaft. Nur, dass die Grenze dazwischen nicht immer so klar verläuft.

Denn der Eigentümer, der auf dem Nachbargrundstück einen Landwirt auf konventionelle Art Mais anbauen lässt, ist nicht ausschließlich von der dunklen Seite der Macht. Schließlich habe er auch Niklas Passauer die Fläche verpachtet, auf der jetzt ringsum Blühstreifen gedeihen. "Der Landbesitzer wünscht sich selbst mehr Vielfalt, aber er sagt auch, dass er dafür einfach keine Zeit und Kraft hat", erzählt Passauer. Als er selbst einmal den örtlichen Gartenbauverein besuchte, fühlte sich der Hobbygärtner nicht ganz ernst genommen. Das ist bei der agrarpolitischen Sprecherin, die gemeinsam mit Grünen-Landtagskandidat Thomas von Sarnowski den Wildbienengarten besuchte, anders.

"So ein Maisfeld ist ein stiller Acker, da hört man nichts mehr", beklagt Gisela Sengl. Sie muss es wissen, kommt sie doch selbst von einem 25-Hektar-Biolandbetrieb in der Nähe des Chiemsees, auf dem Gemüse, Getreide und Kartoffeln angebaut werden ("Unsere Kartoffeln sind vielleicht nicht riesengroß, aber dafür geschmacklich sehr gut!"). Man habe in Bayern zuweilen das Gefühl, sagt Sengl, es wachse nur noch Mais und ein bisschen Getreide. Früher hätte jeder Bauer noch seinen eigenen Gemüseanbau gehabt. Mittlerweile sei vielen der Aufwand zu hoch. Während sie durch Passauers Anbaufläche schreitet, fachsimpeln beide über die diesjährige Gemüseernte. Um sie herum wachsen Bohnenkraut, Butternutkürbis, Rosenkohl, Zucchini, Salat. Auch Amaranth wird hier in rotbraunen Büscheln angebaut, unweit davon blüht kniehoch Brokkoli.

Dann spricht Sengl das Thema an, über das sie auch am Abend noch in der Poinger Einkehr sprechen wird: "Glyphosat am Ende - Leben für Biene, Hummel und Co." Sie bemerke da einen Bewusstseinswandel: "Viele Leute sind aufgeschreckt, seitdem die Weltgesundheitsorganisation das Pestizid Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hat", sagt sie. Sengl will glyphosathaltige Mittel im Hausgebrauch und in den Baumärkten verbieten lassen. Eine Landwirtschaft ohne Pestizide sei möglich, dafür brauche es jedoch mehr Wissen und geeignete Maschinen.

"Es trifft die Leute, wenn man morgens keine Vögel mehr zwitschern hört, wenn keine Lärchen mehr da sind", sagt Sengl. Sie vermisse bunte Blumen auf den Feldern. Doch nicht nur bei den Erzeugern, auch bei den Verbrauchern sieht Sengl den Grund dafür: "Wir müssen unseren Blick auf die Landwirtschaft verändern. Die Leute schaffen sich heute alle einen Rasenmäherroboter an und stellen sich Steinmauern in den Garten. Keiner will sich mehr die Hände schmutzig machen."

Am liebsten würde Sengl den Bauern vorschreiben, dass um jeden Acker herum ein Feldrain belassen werden müsse, damit sich auch mehrjährige Pflanzen entwickeln können. "Vielfalt macht immer mehr Arbeit, aber sie macht einen Betrieb auch stabiler als ein hoch spezialisiertes Unternehmen, das sich nur noch auf ein Produkt konzentriert."

Dabei räumt sie ein: "Es gibt bestimmt auch konventionelle Landwirte, die auf eine abwechslungsreiche Fruchtfolge achten." Sie kritisiert vor allem die Ausbildung des landwirtschaftlichen Nachwuchses. Die Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub müsse solche Inhalte viel stärker in der Ausbildung verankern. Es sei wichtig, Biolandbau als gleichberechtigte Methode zu unterrichten.

Gedankenspiele über eine mögliche schwarz-grüne Koalition im Landtag kommentiert Sengl mit einem Lächeln - und zwei konkreten Forderungen. Der ökologischen Landbau gehört für sie in den Lehrplan. Außerdem fordert sie, die Forschungsmittel für ökologische Landwirtschaft zu verzehnfachen. Sie sei zuversichtlich, dass man sich in dieser Sache sogar mit dem Bauernverband einigen könne. Überhaupt träume sie davon, dass Landwirtschaft und Ernährung eigene Schulfächer würden und es an jeder Schule einen Schulacker gebe, auf dem Kinder das Wachsen und Gedeihen der Natur mitverfolgen könnten. So wie bei Niklas Passauer.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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