Wirtschaft im Landkreis Ebersberg:Weniger Arbeit, mehr Fachkräfte?

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Auch im Landkreis Ebersberg suchen viele Unternehmen händeringend Personal. (Foto: Caroline Seidel/dpa)

Einige Unternehmen im Landkreis werben mit einer Vier-Tage-Woche um Mitarbeiter. Dabei geht es zwar auch um eine arbeitnehmerfreundliche Work-Life Balance - aber nicht nur.

Von Lino Herrmann, Ebersberg

Wenn man im Jobangebot der Agentur für Arbeit nach der Option "Vier-Tage-Woche" sucht, erscheinen im Landkreis Ebersberg gut 60 Stellenanzeigen. Geschaltet von Kfz-Betrieben, Zahntechnikern, Möbelhäusern oder dem Gastgewerbe. Das Schlagwort fällt in allen möglichen Bereichen, um leichter neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Es ist ein neues Konzept, das in einer sich wandelnden Arbeitswelt und in Zeiten des Fachkräftemangels nun offenbar auch bei mittelständischen Betrieben immer wichtiger wird. "Man muss sich grundsätzlich über neue Modelle Gedanken machen", sagt auch der Ebersberger Kreishandwerksmeister Johann Schwaiger.

Den Angestellten wird dabei die Option geboten, nur noch vier anstatt fünf Tage die Woche zu arbeiten. Inwiefern sich dadurch das individuelle Arbeitsvolumen tatsächlich ändert, hängt vom Bedarf, der Personaldecke und den persönlichen Vorstellungen ab. Das Modell kann bedeuten, dass man die bisherigen 40 Wochenstunden in Vollzeit auf nur mehr vier Tage verteilt, oder, wie üblich bei einer Vier-Tage-Woche, die Arbeitszeit auf 32 Stunden reduziert. In Betrieben, die nicht an eine fixe Anzahl an Wochenstunden gebunden sind, wie unter anderem im Handwerk oder in der Baubranche, werden die Betriebsstrukturen so angepasst, dass die Arbeit möglichst an vier Tagen erledigt werden kann.

Neue Arbeitsmodelle sollen Fachkräfte anziehen

Generell gilt jedenfalls: Die Option auf eine Vier-Tage-Woche soll das Arbeiten attraktiver machen. Das bestätigen auch Unternehmen gegenüber der IHK München und Oberbayern, "die mit dem Angebot von flexiblen Arbeitszeitmodellen offene Stellen leichter besetzen konnten", wie ein Sprecher der IHK mitteilt. Ein Ansatz, den nun eben auch Betriebe aus dem Landkreis immer stärker verfolgen.

Während es einerseits natürlich um "Mitarbeiterzufriedenheit" gehe, so Tobias Baer vom Poinger Fliesenlegerbetrieb Fliesenix, steht andererseits einfach im Vordergrund, "irgendwie Leute ranzukriegen", wie Zahntechnikermeisterin Anja Heinrici aus Grafing betont. Beide Betriebe bieten aktuell die Option auf die Vier-Tage-Woche. Gerade Heinrici, die erst seit Kurzem mit dem neuen Modell wirbt, hofft, damit die benötigten Fachkräfte anlocken zu können. Wer die Arbeitszeit in den vier Tagen insgesamt verkürzen wolle, müsse dann aber selbstverständlich auch mit einem entsprechend angepassten Gehalt rechnen, so Heinrici.

Auch Zahntechnikermeisterin Anja Heinrici aus Grafing wirbt neuerdings mit einer Vier-Tage-Woche um Fachkräfte (Foto: privat)

Sowohl sie als auch Baer vom Poinger Fliesenlegerbetrieb versuchen damit, bestehenden und potentiellen Mitarbeitern entgegenzukommen. Kein Wunder, denn laut Kreishandwerksmeister Schwaiger gibt es "momentan keinen Betrieb, der nicht Facharbeiter sucht". Deshalb gelte es, so IHK und HWK, moderne Arbeitsmodelle aufzugreifen, um neue Beschäftigungsgruppen anzusprechen sowie bestehende Mitarbeiter zu halten und darüber hinaus den konkurrierenden Betrieben aus der Stadt München etwas entgegenzusetzen.

Die Vier-Tage-Woche ist nicht immer mit dem Arbeitsalltag vereinbar

Doch was in der Theorie zunächst nach einem arbeitnehmerfreundlichen Modell klingt, ist nicht selten schwer mit dem tatsächlichen Arbeitsalltag zu vereinbaren. Vor allem gilt das für Branchen wie der Gastronomie oder dem Handwerk, wo das Personal knapp und der Arbeitsbedarf hoch ist. Inwiefern sich eine Vier-Tage-Woche hier tatsächlich umsetzen lässt, hängt vom laufenden Betrieb ab. Bei Fliesenleger Baer wird beispielsweise nur jede zweite Woche zur Vier-Tage-Woche. Denn um ein solches Modell mit all seinen Vorteilen wirklich zu "leben", wie Kreishandwerksmeister Schwaiger es ausdrückt, bräuchte es mehr Zeit und vor allem mehr Personal. Nur dann können Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber davon profitieren. Bis dahin bleibt es in vielen regionalen Betrieben ein verzweifelter Versuch, irgendwie Personal anzuheuern.

Dass die verkürzte Woche aber kein Allheilmittel für den Fachkräftemangel ist, musste das Grafinger Autohaus Hartman erfahren. Im Sommer 2022 versuchte es mit einer großen örtlichen Anzeige für die betriebliche Vier-Tage-Woche auf sich aufmerksam zu machen. Ende des Jahres musste der Betrieb schließen - aufgrund von Personalmangel.

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