Corona im Landkreis Ebersberg:Durchhalten zum Wohl der Bewohner

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Die Bewohner von Seniorenheimen zählen nach wie vor zu den vulnerablen Gruppen in der Corona-Pandemie. Ihr Impfstatus ist deswegen besonders im Fokus. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Die ausgeweitete Testpflicht bringt Pflegeheime an ihre Grenzen. Am Sinn der Maßnahmen bestehen keine Zweifel - doch es fehlt mehr denn je an Personal.

Von Michaela Pelz

Die Testungen strengen uns in einem Ausmaß an, das ist Wahnsinn. Meine Mitarbeiter rackern sich ab, es kostet uns unglaublich viel Kraft und Energie", berichtet Lydia Wörlein, Einrichtungsleiterin des Awo-Seniorenzentrums in Kirchseeon, deren allumfassende Erschöpfung schon morgens um halb neun durch den Telefonhörer fast greifbar ist.

Ihre Aussage bezieht sich auf die seit 15. November gültige Verordnung des Landratsamtes, nach der in den sechzehn Pflege- sowie sechs Behinderteneinrichtungen des Landkreises Ebersberg nun folgendes gilt: Sämtliche Bewohner werden dreimal die Woche getestet, geimpfte oder genesene Mitarbeitende oder Ehrenamtliche zweimal. Ungeimpftes Personal benötigt an jedem Tag, an dem es die Einrichtung betritt, einen Schnelltest. Bei Externen, egal ob Angehörige, Handwerker oder Dienstleister, ist der Impfstatus wiederum nicht von Belang, sie müssen immer einen Test vorweisen, wobei der Schnelltest maximal 24 Stunden, der PCR-Test 48 Stunden gültig ist. Auch Vor-Ort-Tests unter Aufsicht sind erlaubt, wo dies mit geschulten Kräften und passender Montur möglich ist.

Die Umsetzung dieser Regelungen ist ein gewaltiger Kraftakt, sowohl zeitlich als auch personell. Gleichzeitig stehen die befragten Einrichtungen angesichts der aktuellen Entwicklungen aber auch voll hinter den Schutzmaßnahmen, obwohl im Schnitt 98 Prozent der Bewohner mindestens zweimal geimpft sind und zum Großteil bereits einen Booster erhalten haben. Beim Personal reicht die Quote von "guten 60 Prozent" im Glonner Marienheim und 70 Prozent im Haus Maria Linden in Vaterstetten über 95 Prozent im Haus Bartholomäus in Zorneding und im Kirchseeoner Awo-Seniorenzentrum. Dort wurde laut Leiterin Wörlein den restlichen fünf Prozent aufgrund von Vorerkrankungen von einer Impfung abgeraten. Ganze 100 Prozent Impfquote erreicht der Reischlhof in Ebersberg.

Dort, wie auch in Vaterstetten und Zorneding, hätten sich schon seit Juni 2020, also lange vor der aktuellen Verordnung, auch die geimpften Mitarbeiter regelmäßig freiwillig testen lassen, wie Einrichtungsleiterin Anke Möglinger erzählt. Trotzdem fahre sie "jeden Tag mit Bauchschmerzen in die Arbeit", weil man immer damit rechnen müsse, dass etwas passiere. Zu dieser nervlichen Dauerbelastung gesellt sich nun der mit der Testung verbundene Zeitfaktor: "Für unsere 48 Bewohner haben wir gestern insgesamt drei Stunden gebraucht. Das ist eine große Zeitsumme, die uns zugemutet wird und für die wir kein extra Personal haben." Zumal man etwa bei gerontopsychiatrischen oder dementen Menschen, welche die Testung kognitiv nicht nachvollziehen können, großes Fingerspitzengefühl brauche.

Im Haus Maria Linden, einer Einrichtung für ältere Menschen mit geistiger Behinderung oder seelischer Erkrankung, sind 40 bis 50 der 80 Mitarbeiter so ausgebildet, dass sie sich und andere testen können. Das ist gut. Nicht gut ist das aktuelle Problem mit der Lieferung von Schnelltests. "Zum Glück stellt mir das Gesundheitsamt, von dem ich mich gut unterstützt fühle, welche zur Verfügung", sagt Leiter Michael Liebmann. Ihm setzt die mit Corona verbundene Bürokratie gewaltig zu. Außerdem sucht er händeringend Fachkräfte. Wie alle.

Weil man die Testungen "allein nicht schaffen würde", hat Stefan Schmidt eine externe Firma beauftragt und befristet einen Studenten eingestellt. Dadurch kann der Leiter von Haus Bartholomäus auch Besuchern die Möglichkeit bieten, sich während der Öffnungszeiten an Ort und Stelle testen zu lassen.

Das bleibt für Hubert Radan derzeit noch ein unerfüllbarer Wunsch. Der Leiter des Glonner Marienheims ist schon froh, dass er jemanden hat, der die Zutrittsvoraussetzungen an der Tür kontrolliert. Um die zu erhalten, musste neulich zum Beispiel der 92-jährige Ehemann einer Bewohnerin in einem Testzentrum eineinhalb Stunden Schlange stehen. Das würde Radan den Menschen gern ersparen. "Wir suchen für unseren Empfangsdienst, aber auch für die Tests Leute aus dem medizinischen oder Gesundheitsbereich, denen wir für zwei bis drei Monate einen Vertrag anbieten können."

In Ebersberg hingegen setzt man auf Ehrenamtliche: Im Reischlhof lassen sich am Wochenende Angehörige die Zertifikate zeigen. Für eben diese Verwandten, die sich vielfach ausdrücklich zum Wohl ihrer Ehepartner, Mütter, Väter, Geschwister haben impfen lassen, wünscht Leiterin Möglinger sich allerdings, man würde das mehr honorieren und nicht alle über einen Kamm scheren. "Warum brauchen ungeimpfte Besucher keinen PCR-Test? Ins Kino kommt man ohne nicht mehr rein, aber ins Pflegeheim."

Als Konsequenz der Maßnahmen haben manche Einrichtungen ihre Besuchszeiten reduziert, andere bitten die Familien, sich auf ein bis zwei wichtige Bezugspersonen zu beschränken. "Enkel und Schwiegersohn sieht man dann halt via Facetime auf dem Tablet", so Schmidt. Dennoch bedauert er wie alle anderen auch die Einschränkung des sozialen Lebens und die mangelnde Durchmischung, die dazu führt, dass man statt einer "eher fünf Weihnachtsfeiern" bereichsweise im großen Saal abhalten müsse. Darum appelliert der Mann, dem, wie er sagt, von Anfang an Aufklärungsarbeit ein Anliegen gewesen sei und der sich selbst täglich vor der Arbeit testet, auch ausdrücklich an alle: "Lasst euch impfen, lasst euch endlich impfen!"

Eines aber ist klar: Obwohl die Mitarbeitenden in den Heimen ausgelaugt und erschöpft sind durch die Umsetzung sich ständig ändernder Regelungen, das durchgängige Tragen von FFP2-Masken und die dadurch erschwerte Kommunikation, auch mit Kolleginnen und Kollegen, steht das Personal zusammen und lässt sich, vor allem dort, wo es sich wie in Kirchseeon um ein "langjähriges, stabiles Team" handelt, nicht erschüttern. Selbiges gilt sogar für die Bewohner, die zum Beispiel in Zorneding verlauten lassen: "Wir haben schon weit Schlimmeres mitgemacht als so ein kleines Stäbchen in der Nase!"

© SZ vom 23.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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