Speditionen in der Corona-Krise:Lkw-Fahrer genießen Respekt

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Ignaz Fuchs (rechts) und sein Sohn bemerken Veränderungen in der Krise. Statt Gaststätten steuert ihr Fahrer Igor Kalat jetzt Getränkemärkte an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Warme Mahlzeiten und Dusch-Gutscheine: Die Spediteure im Landkreis, die die Bevölkerung mit Gütern versorgen, freuen sich über unbürokratische Politik und Anerkennung von Kunden und Anwohnern

Von Ulrich Pfaffenberger, Grafing

"Als die Wirtschaften noch geöffnet waren, haben wir das Bier dorthin gefahren. Jetzt bringen wir's in die Getränkemärkte." Für Ignaz Fuchs, Inhaber der gleichnamigen Spedition in Nettelkofen, haben sich in einem zentralen Geschäftsbereich nicht nur die Routen der Lkw verschoben, sondern auch die Gewichtungen: "Lebensmittel sind systemrelevant, da haben wir Zuwächse bis zu 30 Prozent. Dafür sind uns die Messe-Transporte komplett weggebrochen, weil es keine Veranstaltungen mehr gibt."

Wie dem alteingesessenen Spediteur geht es gerade vielen Betrieben der Transport- und Logistikbranche im Landkreis. Auf der einen Seite brechen Transportketten komplett zusammen - zum Beispiel in der Automobilindustrie - auf der anderen Seite "geht's richtig rund", wie Thomas Thannhofer von der Josef Grabmeier GmbH in Reitgesing berichtet. "Überall werden Corona-Plätze hergerichtet, um zusätzliche Standflächen zu schaffen für Lagerräume oder zum Abstellen nicht auslieferbarer Waren - da sind unsere Transport-Lkws laufend unterwegs." Die Firma hat sich auf Erd- und Tiefbau spezialisiert, ist überwiegend in der Region und Südbayern unterwegs und achtet wegen der Bedrohung durch das Virus derzeit vor allem mit aktiver Vorbeugung darauf, "dass keiner ausfällt", sagt Thannheimer.

Schutzmasken und Desinfektionsmittel geben Hubert Hörndl (links) und Prokurist Benjamin Stein den Fahrern mit auf den Weg. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dass sich die Arbeitsbedingungen für die Fahrer derzeit gravierend verändert haben, bestätigen die Unternehmen durchaus. Weil viele der privaten Rasthöfe geschlossen haben, sei es eine große Herausforderung, bei langen Strecken eine ordentliche Versorgung und auch Gelegenheit für die tägliche Hygiene sicherzustellen. Da ist es "schon eine große Erleichterung, dass inzwischen wenigstens die Tank&Rast-Anlagen geöffnet sind, die dem Bund gehören", sagt Spediteur Georg Reischl aus Ebersberg. "Da gibt's dann auch kleine warme Mahlzeiten für die Fahrer und Dusch-Gutscheine." Er habe einen "Riesen-Respekt" für jeden, der gegenwärtig mit seinem Lkw unterwegs sei und sich mit Kompromissen abfinden müsse.

Diesen Respekt hatte unlängst auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger angemahnt, damit die "Helden" der Krise nicht unter unwürdigen Umständen unterwegs sein müssten. Was diesen Appell angeht, gibt es jedenfalls weitgehend Entwarnung seitens der Spediteure im Landkreis. So hat Benjamin Stein, Prokurist der Hubert Hörndl Transporte GmbH in Forstinning, die Erfahrung gemacht, dass sich viele Probleme durch rechtzeitige Kommunikation mit den Kunden lösen lassen. "Die meisten unserer Kunden kooperieren unkompliziert", berichtet Stein, zum Beispiel was Toilettenbesuche der Fahrer betrifft. "Außerdem haben wir jedem unserer Mitarbeiter ein Paket mit auf den Weg gegeben, mit Schutzmasken und Desinfektionsmittel, um hier gegebenenfalls geforderte Sicherheitsmaßnahmen zu erfüllen." Größere Hürden sieht er in der überbordenden Bürokratie, gerade bei Auslandstransporten kämen immer neue Formulare hinzu, die von Behörden gefordert würden. "Das beschäftigt uns sehr."

Georg Reischl beherbergt jetzt auch Seecontainer, weil Produktionen still stehen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Was für Stein in diesen Tag am meisten zählt: "Wir sind intern gut aufgestellt, jeder im Team zieht am gleichen Strang. Wir haben rechtzeitig alle darauf vorbereitet, dass wir gemeinsam diese Situation durchstehen müssen - und es auch können." Er sieht unter diesen Vorzeichen auch das positive Ergebnis all des Aufwands, "den wir in den vergangenen Jahren für Familienfreundlichkeit und den Wettbewerb ,Bayerns Best 50' betrieben haben. Das macht es uns heute leichter, in der Krise die menschliche Seite zu sehen und zu schützen."

Mit Blick auf Verkehrsströme sieht Georg Reischl derzeit die Luftfracht kritisch, "da haben wir Ebbe". Weil die internationalen Passagierflüge fast komplett gestrichen sind, gebe es kaum Kapazitäten für Fracht, die sonst im Bauch der Jets befördert wird. Reine Frachtflugzeuge seien überwiegend für Gesundheitsprodukte im Einsatz, der Rest der Fracht "staut sich". Was nach Reischls Angaben auch für Container zutrifft, die nach wie vor zuhauf mit dem Schiff ankommen: "Wir bekommen täglich sechs bis acht Seecontainer herein, deren Inhalt gerade nicht benötigt wird, weil Produktionen stillstehen. Das muss alles zwischengelagert werden." Es sei allerdings nun auch feststellbar, dass nach 14 Tagen Stillstand langsam wieder Bewegung in die Frachtketten kommt.

Auch die Lastwagen der Josef Grabmeier GmbH sind im Dauereinsatz. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Positiv bewerten die Unternehmen, wie schnell und unbürokratisch Politik und Verwaltung auf die veränderten Zustände reagiert haben. Ignaz Fuchs spricht dabei gezielt die zeitweise Lockerung der Lenkzeiten an und die Aufhebung des Fahrverbots an Sonn- und Feiertagen für Transporte relevanter Produkte. Das betreffe nicht nur Deutschland, sondern auch Transporte über Grenzen, die derzeit nur wenig durchlässig sind: "Alle Regierungen und Länder haben erkannt, wie wichtig unsere Arbeit ist. Wir fahren Milch und Sahne ohne Ende nach Italien. Aber wir bleiben von Österreich bis Bologna auch nicht mehr stehen, um die Fahrer zu schützen."

Worauf er und die anderen Spediteure jetzt hoffen: Dass durch die Leistung ihrer Fahrer und Flotten ein anderes Bewusstsein dafür entsteht, wie wertvoll eine reibungslose Versorgung "nicht nur mit Klopapier" ist. "Im Moment beklagt sich keiner darüber, wenn wir am Sonntag auf dem Betriebsgelände Geräusche verursachen", merkt der beschwerde-gestählte Unternehmer aus Nettelkofen an. "Wäre schön, wenn das so bleibt." Was die eigene Arbeit angeht, bleibt angesichts der sich laufend ändernden Lage allerdings nur eines: "Wir fahren", so Georg Reischl, "weiterhin auf Sicht."

© SZ vom 29.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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