Landgericht München:Schwarzarbeit in großem Stil

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Unternehmer soll sich in 50 Fällen Sozialleistungen gespart haben

Von Hanna Emunds, Ebersberg/München

Die Liste der Schäden ist lang: Über Minuten rattert der Staatsanwalt im Landgericht München II immer größere Zahlenreihen herunter. Von 20 000 Euro ist da die Rede, dann von 30 000 Euro und am Ende schließlich der große Knall: eine Million Euro.

Was es mit den Zahlen auf sich hat? Es handelt sich bei ihnen um fehlende Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge, angesammelt über fast vier Jahre und nicht gezahlt von einem Unternehmer aus dem nördlichen Landkreis Ebersberg, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte mit eigenem Unternehmen im Bereich Metallverarbeitung sitzt und schweigt, während seine Dolmetscherin die Worte des Staatsanwalts übersetzt.

Von 2014 bis 2018 soll sich der 43-Jährige in 50 Fällen Sozialleistungen in Höhe von einer Million Euro gespart haben - Schwarzarbeit in großem Stil. Seine kriminelle Energie dabei stehe außer Frage, so die Staatsanwaltschaft. Denn um seine Taten zu verschleiern, habe der Angeklagte einige perfide Strategien entwickelt. So soll er die ausgezahlten Schwarzlöhne in bar vom Geschäftskonto abgehoben und den Arbeitern ausgezahlt haben.

Um diese Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung dann zu verstecken, soll er zumindest in den Jahren 2014 und 2015 bei zwei Servicegesellschaften sogenannte Abdeckrechnungen gekauft haben. Der Geschäftszweck dieser beiden Unternehmen war lediglich die Ausstellung dieser Scheinrechnungen. In weiteren Fällen, soll der 43-Jährige die Abdeckrechnungen von einem Unternehmen erworben haben, das bereits seit 2014 keinen Betrieb mehr hatte.

Aber was bedeutet das genau? Als eine Abdeckrechnung bezeichnet man eine Rechnung, die dazu dienen soll, Schwarzarbeit zu verschleiern. Dazu wird eine Rechnung gestellt oder erworben, um in der Buchhaltung die tatsächlich entstandene Ausgaben für die Schwarzarbeit mit dieser fingierten Leistung zu verdecken. In der Buchhaltung des Angeklagten tauchen diese Abdeckrechnungen als Subunternehmerkosten auf. Allerdings habe sein Unternehmen nie Subunternehmen beschäftigt, so die Staatsanwaltschaft.

An diesem ersten Verhandlungstag schweigt der 43-Jährige. Nicht weil er sich nicht äußern möchte, während der Verlesung der Anklage und später auch bei der Aufstellung der Beweismittel, dreht er sich einige Male zu seiner Dolmetscherin um, gestikuliert und möchte Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Doch seine Verteidigerin winkt ab. Noch sei nicht die Zeit dazu. Denn der Wahlverteidiger des 43-Jährigen fehlt an diesem ersten Verhandlungstag, er wird erst beim nächsten Termin in zwei Wochen anwesend sein. Dann werde der Angeklagte Stellung beziehen, so die Verteidigerin.

Was er dann sagt, wird wohl entscheidend sein. Denn wegen der hohen kriminellen Energie, die er bei den ihm vorgeworfenen Taten an den Tag gelegt haben soll, fordert die Staatsanwaltschaft drei bis vier Jahre Haft. Zu einer Bewährungsstrafe aussetzen ließe sich diese Forderung nur, wenn er ein umfassendes Geständnis ablege und zumindest einen Teil des entstandenen Schadens zurückzahle. Die Zahlung müsse aber mindestens im sechsstelligen Bereich liegen.

Bisher ist in dem Verfahren eine umfangreiche Beweisaufnahme vorgesehen, weitere elf Termine sind bis Mitte November angesetzt.

© SZ vom 08.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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