Klassische Musik in Ebersberg:Mit Mozart zurück ins Spiel gefunden

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Das Orchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham erfreut nach langer Spielpause wieder das Publikum.

Von Ulrich Pfaffenberger, Ebersberg

Wäre Franziska Padberg am Sonntag bei den Olympischen Spielen angetreten, eine Goldmedaille hätte sie sicher gehabt, egal in welcher Disziplin. Doch stand die Konzertmeisterin des Orchesters des Kulturvereins Zorneding-Baldham nicht auf dem Treppchen, sondern auf der Bühne des Alten Speichers in Ebersberg und glänzte als Solistin im Violinkonzert von Charles-Auguste de Bériot. Ein kurzweiliges Stück mit spektakulären Passagen, die das Publikum staunen ließen wie bei einer feurigen Jonglage, nur dass die Artistin keine Fackeln durch die Luft wirbeln ließ, sondern Töne. Das war, nach vielen Monaten der Abstinenz, dem Publikum im vollbesetzen Saal so viel Jubel und Applaus wert, dass es en suite mit einer solistischen Zugabe bedacht wurde.

Einmal mehr erwies sich bei dieser Gelegenheit das Orchester als zuverlässiger und konzentrierter Begleiter seiner Solistin. Mit knapp 30 Musikerinnen und Musikern nach wie vor gut bestückt, hatte Dirigent Andreas Pascal Heinzmann ganz offensichtlich bei den Proben ganze Arbeit geleistet, um den Klangkörper nach langer Aufführungspause wieder mit der nötigen Fitness und Leidenschaft fürs Konzertieren auszustatten. Pausen auf der Notenlinie steigern die Dramaturgie, Pausen im Zusammenspielen, vor allem die zwangsweisen, kratzen am Können, gerade bei einem Laienorchester. Davon war am Sonntag nichts zu spüren, auf diesem Niveau muss das Ensemble den Vergleich mit der eigenen Vergangenheit nicht zu scheuen.

Das gilt ebenfalls für die beiden aufgeführten Jugendwerke Wolfgang Amadeus Mozarts. Das Divertimento KV 113 des 15-jährigen und die Sinfonie Nummer 5 des 9-jährigen Wunderkinds waren beim Orchester prima aufgehoben. Man kennt das von früheren Auftritten und wünscht es sich für die künftigen: Bei Mozart blüht dieser Klangkörper auf wie selten sonst. Gerade beim Divertimento war es die reine Freude, dabei zuzuhören, wie die Bläser singen und die Streicher flirren. Eine dichte, geschlossene Performance, mit gut ausbalancierten Stimmen - wie aus dem Lehrbuch. Die Sinfonie stand dem in Nichts nach, die beiden flotten Allegro-Sätze in B-Dur kamen spielerisch-fröhlich, das g-moll-Andante sanft dazwischen eingebettet.

Allerdings war bei diesem Andante wie auch in anderen langsameren Passagen des Konzerts etwas zu spüren, was man im Sport als "Trainingsrückstand" bezeichnen würde. Betroffen davon waren Teile der Streichergruppe, die noch nicht wieder zu ihrer ursprünglichen Kraft und Sicherheit zurückgefunden haben. Vereinfacht gesagt: Abgesehen von der Celli-Bass-Gruppe waren einige in ihrem Spiel noch "zu nah am Blatt". Das ist, bei einem Orchester aus Laien, im Gefolge der pandemiebedingten Hürden beim gemeinsamen Erarbeiten des Stücks sowohl verständlich als auch verzeihlich. Das mitunter diffuse Klangbild, das aus diesem Grund entstand, hat den abschließend gespielten ersten beiden Sätzen der E-Dur-Serenade von Antonín Dvořák einiges von ihrer Lebendigkeit und Strahlkraft genommen. Der Dialog der Streichergruppen, von dem dieses Stück gerade am Beginn lebt, wollte nicht den nötigen Schwung gewinnen. Auch die theoretische Tanzbarkeit der eingewobenen Volksweisen und des Walzers war nur rudimentär spürbar. Hier braucht es wieder mehr Spielpraxis, um zur alten Klasse zurückzufinden.

Auch die Bläser, sonst durchgängig die sichere Bank bei den Auftritten des Orchesters, hatten am Sonntag einen durchwachsenen Tag. War es die ungewohnte Aufstellung, in der das Orchester wegen der Abstandsregelungen sehr tief gestaffelt aufgestellt stand? Fehlte es an der Tragkraft durch die Streicher? Hatten sie sich am Vortag beim Konzert in Zorneding emotional verausgabt? Oder hatte der Dirigent seine Tonangeber um Zurückhaltung gebeten, um unnötigen Druck von den Streichern zu nehmen? Vor allem beim ersten Satz aus dem Brandenburgischen Konzert No. 2, der das Konzert eröffnete, blieben die Glanzpunkte etwas zaghaft. Bei den beiden Mozarts wiederum waren Tempo und Temperament im vertrauten Maß vorhanden und die Bläser zurück in ihrer vertrauten Führungsrolle, allen voran die beiden Klarinettisten nahmen ihre Aufgabe so beherzt und gekonnt wahr, wie man sich das nur wünschen kann.

Am Ende gab es dafür reichen und kräftigen Applaus für die respektable Leistung von Orchester und Dirigent. Getragen von Wiedersehensfreude, Dankbarkeit für die Gelegenheit, live an einer Aufführung teilhaben zu dürfen, und Anerkennung für den gelebten Beweis musikalischer Lebensart vermittelte dieser Beifall eindeutig den Wunsch nach mehr.

© SZ vom 10.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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