Kreisklinik Ebersberg:"Die Notfallversorgung war noch nie gefährdet"

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Kreisklinik-Chefarzt Peter Lemberger über stockenden Nachschub, Vorräte für den Ernstfall und die Frage, ab wie vielen Litern Blutverlust es gefährlich wird

Interview von Michaela Pelz, Ebersberg

Mit Blutspenden kennt sich Peter Lemberger sehr gut aus, der Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin in der Kreisklinik ist als Transfusionsverantwortlicher für das gesamte Haus zuständig. Außerdem ist der gebürtige Regensburger Transplantationsbeauftragter der Klinik. Wie es dort um die Blutversorgung bestellt ist, erklärt er im Interview.

SZ: In Bayern werden offenbar die Blutkonserven knapp. Wie ist die Lage in Ebersberg?

Peter Lemberger: Kritisch. Tatsächlich bekommen auch wir derzeit weniger Blut als früher, weswegen teilweise schon geplante Operationen verschoben werden mussten. Wobei sich bei uns das OP-Aufkommen im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten nicht erhöht hat.

Wie viele sind das im Jahr?

Etwa 9000, rechnet man die geplanten Eingriffe und die Notfälle zusammen.

Hat sich der Rückgang der Blutspenden auch bei Letzteren bemerkbar gemacht?

Nein, die Notfallversorgung war bisher noch nie gefährdet. Dafür haben wir immer einen Vorrat von Konserven der Blutgruppe 0 in petto.

Das sind die Universalspender ?

Ja und nein. Wir unterscheiden bei den Blutprodukten "EK", also Erythrozyten-Konzentrat (rote Blutkörperchen), "TK" Thrombozyten (Blutplättchen)-Konzentrat und "FFP". Das steht für "Fresh Frozen Plasma". Das ist das, was übrig bleibt, wenn man die Blutkörperchen wegnimmt und verantwortlich für die Blutgerinnung. Universalspender sind Spender mit der Blutgruppe 0 nur bezüglich der Erythrozytenkonzentrate. Bei den FFPs sind Spender der Blutgruppe AB Universalspender, weil deren Plasma keine Antikörper gegen andere Blutgruppen enthält. FFPs sind eingefroren und jahrelang haltbar. Hier haben wir also bezüglich der Verfügbarkeit das geringste Problem.

Braucht man übers Jahr gerechnet von allen drei Produkten die gleiche Menge?

Nein. Den höchsten Bedarf haben wir an EK, da waren es im letzten Jahr 1907 Konserven. Hier können wir pro Gabe von einem Beutel mit 300 Milliliter einen ungefähr doppelt so hohen Blutverlust kompensieren, weil die roten Blutkörperchen in dem Präparat konzentriert vorliegen. An FFP haben wir 379, an TK 85 verbraucht.

Das klingt nach ziemlich wenig ...

Blutplättchen gibt man auch ganz selten - nach massiven Blutungen oder bei Bildungsstörungen im Knochenmark, beispielsweise Leukämie. Mit einem Konzentrat kommt man schon in den sicheren Bereich. Allerdings ist das Produkt auch sehr teuer, eine Konserve kostet mehrere Hundert Euro. Die Plättchen müssen bei Raumluft gelagert und ständig in Bewegung gehalten werden. Außerdem sind sie nur fünf Tage haltbar. Daher können wir sie nicht in unserem Blutdepot bevorraten, sondern müssen sie unmittelbar bei Bedarf beim Blutspendedienst anfordern. Innerhalb von einer Stunde sind sie dann bei uns.

Wie sieht es mit den anderen Produkten aus, wofür werden die eingesetzt?

Bei geplanten Operationen brauchen wir eher selten Blut. Häufiger wird es bei Notfalloperationen benötigt, etwa nach Unfällen. Wenn zum Beispiel ein Gefäß am Oberschenkel verletzt ist, können schnell mal einige Liter Blut verloren gehen. Häufig brauchen auch Patienten mit chronischen Erkrankungen Blut, etwa Patienten mit Störungen der Blutbildung. Wenn jemand Leukämie hat, muss er unter Umständen jahrelang immer wieder transfundiert werden. Auch nach Entbindungen kann es, wenn auch selten, zu massiven Blutungen kommen, die die Gabe von Blutprodukten erfordern.

Erinnern Sie sich da an einen bestimmten Fall?

Oh ja, es war nachts um zwei, eine junge Frau die nach der Geburt massiv aus der Gebärmutter blutete. Wir mussten bei der Operation mehrere EKs, FFPs und TKs und weitere Gerinnungspräparate geben, bis die Blutung stand. Die junge Mutter hat die Operation dank der Transfusion sehr gut überstanden, und die Gebärmutter konnte erhalten bleiben.

Bis zu welcher Menge spricht man von einem "normalen" Blutverlust?

Ein Hämoglobinwert von 13 bis 15 Gramm pro 100 Milliliter Blut (bei Männern mehr, Frauen etwas weniger) gilt als normal. Er ist ein Maß für die Anzahl der roten Blutkörperchen. Wenn Sie als gesunder Mensch ein bis zwei Liter Blut verlieren (auch unter einer Geburt) und der Wert auf acht bis neun Gramm pro 100 Milliliter Blut absinkt, dann werden Sie damit zwar keine Goldmedaille bei Olympia gewinnen, aber Sie brauchen keinen Ersatz.

Verglichen mit der Vergangenheit, wie stellt sich der Einsatz von Spenderblut dar? Braucht man mehr oder weniger?

Der Verbrauch von EKs und FFPs ist zurückgegangen - trotz der Tatsache, dass unsere Patienten im Durchschnitt immer älter und kranker werden. Noch vor einigen Jahren wurde großzügiger transfundiert. Man hat jedoch gelernt, dass vor allem Patienten ohne Begleiterkrankungen des Herzkreislaufsystems und der Lunge auch niedrige Hb-Werte gut tolerieren, ohne dass man damit ein Risiko eingeht. Zudem sind die Operationsmethoden moderner geworden mit weniger Blutverlust. Darüber hinaus vermeiden wir manche Transfusionen, indem wir die Blutbildung durch Eisengabe fördern, wenn ein Eisenmangel zugrunde liegt. FFP haben in der Behandlung von Gerinnungsstörungen an Bedeutung verloren zugunsten des gezielten Einsatzes von Einzelgerinnungsfaktoren, die die Gerinnung oft schneller und besser normalisieren. FFP müssen, um gut zu wirken, in relativ großer Volumenmenge gegeben werden (mindestens ein Liter), was manche Patienten nicht vertragen. Außerdem ist die Handhabung der FFPs schwierig, da sie erst aufgetaut werden müssen.

Sind Sie selbst Blutspender?

Nicht regelmäßig, aber ich habe schon mehrfach gespendet.

© SZ vom 24.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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