Kreisklinik Ebersberg:Viele Patienten, viel Stress

Lesezeit: 3 min

Noch lenkt Stefan Huber die wirtschaftlichen Geschicke der Kreisklinik. Im Laufe des nächsten Jahres wird er allerdings nach Starnberg wechseln. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Pflegekräfte am Eberberger Krankenhaus sind auch ohne vierte Welle stark belastet. Damit sich die Situation entspannt, müsste sich laut Geschäftsführer Stefan Huber etwas Wichtiges verändern.

Interview von Barbara Mooser, Ebersberg

Viele Pflegekräfte in Kliniken überlegen, aus ihrem Beruf auszusteigen oder zumindest den Arbeitgeber zu wechseln: Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung, die der BR kürzlich in Auftrag gegeben hat. Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, aber dennoch aussagekräftig. Von 54 Befragten gaben nur drei an, mit ihren aktuellen Arbeitsbedingungen zufrieden zu sein. Etliche sprachen von Depressionen und Schlafstörungen in Folge der Überlastung. Ein Anlass, einmal in der Kreisklinik bei Geschäftsführer Stefan Huber nachzufragen.

SZ: Wie hat sich der Personalstand im Bereich der Pflege seit Anfang 2020 in der Kreisklinik entwickelt?

Stefan Huber: Ende 2019 haben 380 Pflegefachkräfte in der Kreisklinik Ebersberg gearbeitet, Ende Juli dieses Jahres waren es 364. Für uns ist das eine normale Schwankung: Pflegefachkräfte aus geburtenstarken Jahrgängen gehen in Rente. Da haben wir in Kliniken ein ähnliches Problem wie viele Unternehmen. Gut ausgebildete Fachkräfte sind rar.

Gehen jetzt, da sich eine mögliche vierte Welle abzeichnet, viele Kündigungen ein?

Kündigungen wegen einer möglichen, vierten Welle haben wir nicht. Wenn Pflegefachkräfte kündigen, und sie uns sagen, warum, dann ist es meistens, weil sie aus der Region wegziehen. Dass sich jemand beruflich komplett verändern möchte, ist in Einzelfällen auch mal der Grund. Und ich sehe momentan keine klinische vierte Welle. So sehen das auch viele Pflegefachkräfte im Haus. Es gibt ja auch etwas, das dafürspricht, dass die vierte Welle weniger heftig wird: Viele Menschen sind geimpft.

Gelingt es Ihnen, freie Stellen nachzubesetzen?

Nur sehr schwer. Das ist leider schon länger und ganz unabhängig von der Corona-Pandemie so. Es gibt einfach zu wenige Pflegefachkräfte. Viele gehen aktuell in Rente und gleichzeitig kommen nicht ebenso viele junge Pflegefachkräfte nach. Für uns kommt am Standort Ebersberg noch ein Problem dazu: die hohen Immobilien- und Mietpreise in der Gegend.

Können Sie jederzeit die Personaluntergrenzen in sensiblen Bereichen einhalten?

Größtenteils ja, aber nicht komplett. Es ist deshalb wichtig, die Pflegefachkräfte wo immer es geht, zeitlich zu entlasten. Bestimmte pflegerische Aufgaben, direkt an den Patientinnen und Patienten, können nur examinierte Fachkräfte erledigen. Anderes müssen sie nicht selbst erledigen. Verwaltende Tätigkeiten nehmen ihnen Stationssekretärinnen ab. Und Stationshilfen erledigen einfachere pflegerische Arbeiten.

Vom BR befragte Pflegekräfte sprechen von posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen und Schlafstörungen. Sind Ihnen solche Probleme bekannt? Gibt es beispielsweise Krankschreibungen deshalb?

Auf einer Krankschreibung steht nicht, warum jemand nicht arbeiten kann. Ich glaube aber, dass uns unsere Pflegefachkräfte sagen würden, wenn sie schwerwiegende seelische Probleme durch die Corona-Pandemie hätten. Wir haben uns auch bei den Pflegefachkräften umgehört. Diejenigen, die Kinder haben, haben uns beispielsweise berichtet, wie schwierig die Doppelbelastung mit Distanzunterricht sowie Notbetreuung und ihrer Arbeit während der Pandemie war. Eines ist klar: Insbesondere die Wellen der Corona-Pandemie mit vielen Patienten, die schwere Verläufe hatten und vielen Patienten, die verstorben sind, waren für alle Pflegefachkräfte und Ärzte eine massive Belastung. Nicht jeder kann das einfach verarbeiten. Pflegefachkräfte haben aber immer schon einen anspruchsvollen, fordernden Beruf gehabt. Auch vor der Corona-Pandemie und außerhalb von Corona-Stationen. Das wird leider oft übersehen.

Wie ist die Stimmung unter den Pflegekräften angesichts der Tatsache, dass sich die Lage in der Pandemie nicht so entspannt wie erhofft?

Nach allem, was ich aus dem Haus höre, ist die Stimmung normal und nicht stärker angespannt wegen einer bevorstehenden vierten Welle. Bei uns war die Lage in den letzten Wochen in Bezug auf Corona entspannt. Trotzdem haben wir, unabhängig von Corona, hohe Patientenzahlen, und das bedeutet viel Arbeit und viel Stress für viele Bereiche.

Was müsste Ihrer Überzeugung nach passieren, damit sich die Lage im Bereich der Krankenhauspflege nachhaltig entspannt?

Es müssten mehr junge Menschen in diesen Beruf gehen. Viele haben kein realistisches Bild von der Krankenpflege - wie fordernd, aber auch erfüllend sie ist. Selten wird deutlich, dass Pflegefach- kraft in einem Krankenhaus ein hochqualifizierter Beruf ist, in dem man Verantwortung für Patienten trägt, teilweise viel mit Technik zu tun hat und auch noch einfühlsam gegenüber anderen sein sollte. Wir in der Kreisklinik Ebersberg freuen uns deshalb sehr über die Kolumne "Auf Station" in der Ebersberger SZ. Darin erzählt eine Pflegefachkraft der Intensivstation aus ihrem Berufsalltag. Sowas ist gut für diejenigen, die überlegen, ob Pflege für sie als Beruf in Frage kommt. Wenn wir dauerhaft genügend Pflegefachkräfte in der Kreisklinik Ebersberg haben wollen, braucht es dringend sehr schnell auch erschwinglichen Wohnraum. Wer keine bezahlbare Wohnung in der Region findet, wird bei uns auch keine Stelle antreten.

© SZ vom 18.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: