Konzert:Der Brandner Kaspar und seine Enkel

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Jazz-Schlagzeugerin Carola Grey präsentiert im Alten Kino Ebersberg eine neue Rockband. Gast im Publikum ist Gregor Gysi, der zur Sonntagsbegegnung in den Landkreis gekommen war

Von Claus Regnault, Ebersberg

Wer unter uns in Bayern Beheimateten kennt nicht die Geschichte des Brandner Kaspar? Graf Pocci hat sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgeschrieben, Kurt Wilhelm hat daraus ein opulentes Theaterstück gestaltet, und derzeit läuft in Christian Stückls Volkstheater diese Story vor nie enden wollendem begeisterten Publikum. Der Witwer Brandner bekommt Besuch vom Tod, alias Boandlkramer, der ihn in die Ewigkeit abholen will. Aber der bauernschlaue Brandner verführt ihn zu einer Wette: Wenn er beim Karteln gewinnt, bekommt er noch eine Gnadenfrist. Und mit Hilfe mehrerer Stamperl selbstgebrannten Obstlers gewinnt er Wette und Weiterleben. Als die Frist abläuft, fügt er sich in sein Schicksal, wird im Paradies mit Glanz und Gloria empfangen und darf dort seine vorverstorbene Frau, deutlich verjüngt, in die Arme schließen.

Vielleicht hätte sich der Boandlkramer noch nachgiebiger gezeigt, hätte Kaspar ihn mit einer ordentlichen Rockmusik empfangen. Doch zu seinen Stärken zählten zu Lebzeiten mehr das Karteln und der Obstler, weniger die Musik. Dennoch hat sich die Sippe der Brandners im Lauf der Generationen durch den Beitrag musikalischer Frauen melodisch weiterentwickelt. Einer solchen Frau durfte man letzten Samstag als Chefin einer Rockgruppe von sage und schreibe fünf Brandners begegnen - Isolde Brandner, mit Künstlernamen Carola Grey, die den ganzen Abend mit Musik zu bairischen Texten versorgt hat. Eine grandiose fetzige Gruppe, die das vollzählig erschienene Publikum zu heller Begeisterung animierte. Das ist guter klassischer Rock mit der Besonderheit, dass Grey jazznahe, freche Schlüsse eingebaut hat. Rockmusik und dazu bairische Texte können leicht zu Klischees ausarten, aber Grey vermeidet dies geschickt durch ihr sprachliches und musikalisches Temperament, ihre eminente Begabung, die sich von ihrer eigentlichen Domäne, der Jazzmusik, herleitet. Beispiel dafür war ein Schlagzeug-Duell zwischen ihr und dem gewieften Rockschlagzeuger Gustl Brandner, in welchem die rhythmische und sprachliche Überlegenheit des Jazz über den Rock schlagend bewiesen wurde.

Alle sind sie prächtige Musiker, die den Rock verinnerlicht haben, Michel Brandner, Gitarre und Gesang, Bäda Brandner, Keyboard und Akkordeon, Luggi Brandner, Bass, und Gustl Brandner, Schlagzeug. Und da die Chefin ihre Gstanzl vorwiegend sang, wurde sie von ihren Mitstreitern unterstützt. Und so hörte man Songs wie "Wenn i di sig, kriag i Durscht". Höhepunkte waren das musikalisch "zwiderne" Porträt des "Grantlers" und die Geschichte der schönen Almwirtin Vroni, die sich einmal im Jahr ins Tal stürzt, um dort als "Wühltisch-Terminator" die Konkurrenz von der Ausverkaufsware wegzugiften.

Im Publikum saß an diesem Abend auch ein zierlicher Herr, der wie Gregor Gysi aussah. Darauf angesprochen, erwiderte er: "Der bin ich!" Gysi war anlässlich einer Politveranstaltung zusammen mit dem früheren Bürgermeister Bernhard Winter in Markt Schwaben Gast des Konzerts. Dem Vernehmen nach hat er die Absicht, seine Politkarriere als Bürgermeister von Markt Schwaben würdig abzuschließen. Er nimmt deshalb bereits Privatunterricht bei Isolde Brandner, um seine bis dato fehlende Kenntnis des bairischen Idioms an der Quelle zu erwerben.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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