Konzert:Botschafter des Bass

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Die Ebersberger Bass-Professorin Christine Hoock und die Pianistin Mari Kato erzeugen im Alten Kino Ebersberg einen Klang, der unter die Haut geht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Christine Hoock und "Bassiona Amorosa" zeigen im Ebersberger Alten Kino, dass das größte der Streichinstrumente seinen Geschwistern an klanglichem Reichtum in nichts nachsteht

Von Anja Blum, Ebersberg

Das Beste, was man normalerweise über den Kontrabass sagt, ist, dass er musikalischen Gebilden ein solides, klangvolles und rhythmisches Fundament verleiht. Sei es in der Klassik oder im Jazz. Für sich allein gesehen aber scheint dieses Instrument wenig sexy zu sein, kommt es doch meist tieftönend und träge daher. Doch weit gefehlt! Der Kontrabass steht seinen kleineren Geschwistern in nichts nach - das hat ein Konzert im Alten Kino nun unzweifelhaft bewiesen. Das Publikum erlebte dort einen Bass-Crash-Kurs erster Güte, besetzt mit sechs internationalen Spezialisten an dem mächtigen Streichinstrument. "Heute bekommen Sie zwei Konzerte zum Preis von einem", scherzte Angelika Kratzer, deren Kulturkreis die Veranstaltung mit der Musikschule organisiert hatte. Zu Gast waren die Bass-Professorin Christine Hoock samt Klavierbegleitung sowie das Ensemble Bassiona Amorosa. So konnten sich die Zuhörer im gut besuchten Alten Kino auf ein so hochkarätiges wie abwechslungsreiches Konzert freuen.

Der erste Teil des Abends gehörte der Ebersberger Bassistin Christine Hoock, Dozentin am Mozarteum in Salzburg, und der japanischen Pianistin Mari Kato. Sie gaben ein klassisches Programm zum Besten - und hängten die Latte hoch, verdammt hoch. Gleich mit dem ersten Stück, einem Allegro di Concerto "Alla Mendelssohn" von Giovanni Bottesini zeigte Hoock, dass sie in Sachen Virtuosität keine Wünsche offen lässt. Der italienische Komponist (1821 bis 1889), selbst als "Paganini des Kontrabasses" bezeichnet, schuf damit eine Reminiszenz an Mendelssohns Violinkonzert - das sagt vermutlich alles über den Anspruch, den jeder Interpret dieses schwermütig-romantischen Allegros mitbringt.

Hoock jedenfalls wird allen, wirklich allen Ansprüchen gerecht. Ihre zarten Finger flitzen mit traumwandlerischer Sicherheit über das lange Griffbrett des Basses, der Daumen verschwindet nicht, wie sonst üblich, hinter dem Hals des Instruments, sondern ist meist aktiver Teil des Spiels. Auch die Flageoletttechnik, sonst eher im Metier der Geiger angesiedelt, beherrscht Hoock, dass einem Sehen und Hören vergeht. Da sitzt jeder Ton, jeder fulminante Lauf gelingt, und überhaupt: Diese Solistin erzeugt einen Klang, der unter die Haut geht. Sei es in wuchtigen Tiefen oder in ungeahnten luziden Höhen, sie hat ihren Bass im Griff. Es scheint, als wäre ihr dieser zum Partner geworden, an den sie sich schmiegt, mit dem sie Zwiesprache hält. Als vom Bogen plötzlich ein Haar absteht, beißt sie es kurzerhand ab. Hoock und Bass, das ist Symbiose. Das Publikum - hingerissen.

Technisch etwas weniger spektakulär kommt das zweite Stück daher, "Kol Nidrei" von Max Bruch - im Original für Cello komponiert - doch hat es den Vorteil, dass seine getragene, seufzende Melodie Hoock mehr Raum lässt, ihren Klang zu entfalten. Aber auch vor Humoristischem macht die Bassistin nicht halt und beglückt die Zuhörer mit "Mozart new look" von Jean Françaix, einer kurzen, lebhaften Satire auf den Stil des Salzburger Meisters. Dieser folgt ein Juwel namens "Kicho", eine Hommage Astor Piazollas an einen argentinischen Bassisten, welche die Energie und die Melancholie des Tangos vereint. Vor der Pause leiten Hoock und Kato über zum zweiten Teil des Abends: Gemeinsam mit Onur Ozkaia von Bassiona Amorosa spielen sie Händels Triosonate in g-Moll, für Violine, Oboe und Basso Continuo geschrieben, die hier zu einem wunderbaren barocken Bass-Duett wird.

Danach stehen Performance und Unterhaltung auf dem Programm. Bei Bassiona Amorosa geht es weniger ernst, aber nicht minder professionell zur Sache. Bei manchen Stücken stehen nun fünf Bässe auf der Bühne - so wenig überseh- wie überhörbar. Da wird gestrichen, gezupft, auf Holz geklopft und sogar gesungen: Das Ensemble zeigt, was der Bass jenseits der Klassik noch so alles drauf hat. Ihren Namen hat die Männertruppe einem Stück von eben jenem Bottesini entliehen: Es heißt "Passione Amorosa" und zählt zu einem der Höhepunkte des Programms. Hinzu kommen Eigenkompositionen und Werke, die eigens für das Ensemble geschrieben wurden. Stilistisch bewegt es sich oft im Bereich des Jazz, vor allem Balkan- und Zigeunerklänge sind seine Spezialität, was dem melancholischen Temperament des Basses freilich entgegenkommt. So wie Hoock sind diese Musiker also vor allem eines: Botschafter eines zu Unrecht im Schatten stehenden Instruments, die es schaffen, dem Zuhörer ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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