Konzert:Bass, Bilder und Bier

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Inspiration in lockerer Atmosphäre bietet die Reihe "Kunst & Musik" in der Alten Brennerei in Ebersberg

Von Anja Blum und Thorsten Rienth

Einmal ist da dieser durchdringende, rhythmische Bass. Minutenlang und so roh und kalt, wie eine mit New Wave injizierte Punk-Basslinie eben sein kann. Sie kommt von Christian Schantz, einem Ebersberger Musiker, der seit Jahren in Berlin lebt. Daneben sitzt Jeremy Teigan, ein Ebersberger Gitarren-Genie, das Saiten schlägt wie zupft, einzelne Töne innerhalb der Melodie rhythmisch versetzt, ohne dabei aus dem Takt zu geraten. Beides zusammen nennen die beiden Musiker "Alte Deutsche Welle meets Life & Death Blues", uraufgeführt am Donnerstagabend beim Kunstverein in der Ebersberger Alten Brennerei.

Die Szene ähnelt dabei weniger einer klassischen Konzertbühne als einem lockeren Beisammensein von Musik- und Kunstinteressierten. An einer kleinen Bar gibt's Wein, Bier und Limo. Wer will, schnappt sich also ein Glas und schlendert zu Bass und Gitarre durch die Ausstellung. Zur Zeit sind in der Ebersberger Galerie stimmungsvolle Langzeitbelichtungen in Bewegung und bearbeitete Polaroids zu sehen, "Wald und Peripherie" nennt der Frankfurter Künstler Matthias Lyssy seine Schau.

Die Freude an Improvisation sowie eine kritische Weltsicht verbinden Gitarrist Jeremy Teigan und Bassist Christian Schantz, die zu "Alte Deutsche Welle und Life & Death Blues" fusionieren. (Foto: Christian Endt)

"Alte Deutsche Welle meets Life & Death Blues": Was Teigan auf den Flyer schreibt, ist kein Spruch, den Musiker mal so texten, weil er halt gut klingt. Sondern die akustische Klammer zweier Genres, die sonst herzlich wenig miteinander zu tun haben. Das aber gehört zum Konzept der "Kunst & Musik"-Reihe, die Teigan und der Ebersberger Kunstverein seit bereits zweieinhalb Jahren organisieren. Sie bietet jeden Monat Musik von "Jeremy & friends", sprich: Der Gitarrist lädt wechselnde Freunde ein, mit ihm in der Galerie zu spielen und zu jammen. Der Eintritt ist frei, doch wer mag, kann etwas in den Hut werfen.

"Jeremy hat einen Platz für seine Sessions gesucht, der Kunstverein wollte seine Galerie für ein neues Publikum öffnen", beschreibt der Vorsitzende Andreas Mitterer die Anfänge des Projektes, das er und sein Freund Teigan einst initiierten. Insofern hätten beide Seiten einen Nutzen davon. Vor allem für die Galerie sei "Kunst & Musik" ein großer Gewinn. "Es kommen an diesen Abenden zwar mal mehr, mal weniger Leute, aber das Ziel, auch mal weniger Kunstaffine anzulocken, haben wir definitiv erreicht", freut sich der Chef. Das Tolle an der Reihe: Dass sie so vielschichtig und ungezwungen sei, sagt Mitterer. "Wer mag, kann sich die jeweilige Ausstellung ansehen, wem die Kunst jedoch nicht gefällt, der kann sich ganz auf die Musik konzentrieren. Und wer auch das nicht will, kann einfach anderen Menschen begegnen und sich unterhalten."

Allerdings denken Mitterer und Teigan gerade über eine keine Kurskorrektur nach: Da die Sessions doch mit relativ viel Aufwand verbunden seien - allein was den Aufbau des Equipments angehe - werde man die Termine künftig wohl etwas reduzieren. "Bislang wurde jeden Monat gespielt, auch wenn keine Ausstellung war. Das wird es wohl nicht mehr geben", sagt Mitterer. Außerdem stehe die Idee im Raum, die "Kunst & Musik" auch mal mit Klängen aus der Konserve zu bestreiten. "Das sollen natürlich keine Partys werden, aber man könnte von Klassik bis Punk alles auflegen. Oder die Gäste bringen mal ihre Lieblingsplatten mit."

Teigan und seine Gastmusiker aber zelebrieren eine beinahe kindliche Freude an live gespielten Stücken, von denen auch immer ein Teil Improvisation ist. Wie auch sonst - wenn Schantz mittlerweile in der Hauptstadt deutsche Welle macht und Teigan in Ebersberg seinen Blues zelebriert.

Und doch ist da ein roter Faden, der sich durch den Abend zieht wie der Neonlichtschlauch vom Klosterbauhof zum Galerieeingang: Teigan und Schantz gemeinsam ist eine kritische Haltung, ihre Musik eine zweifelnde Reflexion der Welt da draußen, eine Anklage gegen Zubetonierung von Landschaften, gegen "die SUV-sierung meiner Heimat". Wie gut doch Reinhard Meys "Es gibt keine Maikäfer mehr" dazu passen würde! Die Grundhaltung pendelt dabei zwischen regionalem Frust und globaler Unschlüssigkeit. "Ich bin gut, die anderen stören; gut sind nur die, die zu uns gehören", singt Schantz. "Doch ist alles wirklich so leicht?"

Eigene Songs sind an diesem Abend genauso mit dabei wie Coverversionen - wobei letztere nicht immer so genau auszumachen sind, da vor allem Teigan Lieder gerne zerstückelt, wieder zusammensetzt und auch mal mit ungewohntem Instrumentarium spielt, einem Banjo zum Beispiel. Doch auch das ist hier stimmig: Wenn Schantz vom Wegrennen singt, legt Teigan einen Sound darunter, der prima passt zum Westernheld, der - den Sonnenuntergang vor Augen - noch ein bisschen weiter abhaut.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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