Kommunalwahl in Ebersberg:Die jungen Milden

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Bei der Kommunalwahl im März treten auch viele Nachwuchspolitiker an. Sie formulieren Ziele, äußern sich aber zu den meisten Themen vorsichtig. Die Ebersberger SZ stellt einige der Kandidaten vor

Von Dorian Baganz

Was haben sich die jungen Leute in den vergangenen Jahren nicht alles anhören müssen! Sie seien wohlstandsverwöhnt, verweichlicht - und wegen alldem natürlich gänzlich unpolitisch. Es war das alte Märchen im neuen Gewand: der Generationenkonflikt.

Seit letztem Jahr lässt sich die Geschichte der apathischen "Millennials", wie man jene Kohorte nennt, die zwischen Anfang der 8oer und Ende der 90er-Jahre geboren wurde, kaum noch glaubhaft erzählen: Seit 2019 nehmen sie zu Hunderttausenden an den "Fridays for Future" (FFF) teil, gehen für mehr Klimaschutz auf die Straßen. Es scheint sogar, dass ihre Überzeugungen - wenn auch in stark abgeschwächter Form - in den Parteien Gehör finden. Wirft man einen Blick auf den Landkreis Ebersberg, stellt sich die Frage: Treten bei der Kommunalwahl im März mehr junge Menschen an als in den Jahren davor? Beim Projekt "Partnerschaft für Demokratie" in Ebersberg hat man dazu keine konkreten Zahlen. "Gefühlt" sei das aber der Fall, heißt es vonseiten einer Projektvertreterin. Und so brüsten sich auch die Vaterstettener Christsozialen damit, "die jüngste und weiblichste CSU-Liste aller Zeiten" zu haben. Die SZ Ebersberg stellt einige der politischen Newcomer vor. So viel sei verraten: Die Revolution fordert keine(r)...

Philipp Trepte (CSU)

Der 21-jährige Vaterstettener ist Kreisvorsitzender der Jungen Union (JU) und einer der Bewerber der Vaterstettener CSU: Er tritt auf Platz acht ihrer Gemeinderatsliste an. Zettelt er im Fall seiner Wahl eine Revolution der Junioren an? Nein, sagt Trepte, er wolle sich "in die bestehenden Strukturen einbringen", so der Jurastudent. Es gehe ihm um das "Klein-Klein" der Politik. Als Beispiele nennt er die vielfach thematisierten Müllsammelstellen in seiner Gemeinde, die - so lautet eine häufig vorgetragene Beschwerde - zu häufig verdreckt seien. Etwas, das er gerne ändern möchte.

Zu den geplanten Windrädern im Ebersberger Forst bezieht er indes nicht eindeutig Position. Fünf an der Zahl sind dort geplant, um die Energiewende in der Region zu wuppen. Naturschützer und Anwohner wehren sich gegen das Vorhaben, um das "grüne Herz des Landkreises" zu erhalten. Deswegen begrüßt Trepte den geplanten Bürgerentscheid in dieser Frage, der voraussichtlich 2021 stattfinden wird. "Dann haben wir ein klares Commitment."

Lukas Müller (SPD)

Betont ungezwungen tritt der 25 Jahre alte Grafinger Lukas Müller auf, der auf Listenplatz drei der SPD für den Stadtrat in Grafing kandidiert. Er ist ein humorvoller Typ, aber seine Anliegen sind ernst: Im Rahmen eines Praktikums hat er am "Meilensteinplan zur Energiewende" mitgearbeitet, der 2017 von der Ebersberger Energie-Agentur veröffentlicht wurde.

Die Jugend sei unpolitisch, hieß es immer wieder. Das haben die jungen Leute aber bei den "Fridays for Future"-Demonstrationen - hier im Mai 2019 in Grafing - deutlich widerlegt. Auch für Sitze in den Kommunalparlamenten bewerben sich junge Kandidaten, ihre Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich. (Foto: Matthias F. Döring)

Das habe ihn gelehrt, nicht nur auf Windkraft zu schielen, sondern obendrein den Ausbau "anderer erneuerbarer Technologien voranzutreiben". Denn der Plan zur Energiewende sieht vor, von 2030 an den Strom im Landkreis Ebersberg durch einen Mix aus Windkraft, Photovoltaik und Biomasse zu erzeugen.

Ende 2019 war öffentlich geworden, dass in einer Schülerchatgruppe am Grafinger Gymnasium Hakenkreuze und Gaskammer-Sprüche ausgetauscht wurden. Der Verein Jugendinitiative Grafing (Jig), bei dem sich auch Lukas Müller engagiert, kennt sich aus mit dem Problem namens Rechtsradikalismus: Regelmäßig klebten neonazistische Sticker mit Sprüchen wie "Gutmenschen? Nein danke!" an der Fassade des Jig, erklärt der Sozialdemokrat. Dem Soziologiestudenten fällt dazu in Anlehnung an ein Zitat des Sozialphilosophen Theodor W. Adorno Folgendes ein: "Wir leben in theorielosen Zeiten!"

Lena Huppertz (Die Linke)

Die Linkspartei in Grafing tritt das erste Mal bei einer Kommunalwahl mit einer eigenen Stadtratsliste an. Angeführt wird diese von der 27-jährigen Lena Huppertz. Manchmal hört sie sogar von Leuten in ihrem Alter, man habe "keinen Bock" auf Windräder im eigenen Sichtfeld. Huppertz' Antwort lautet dann meist wie folgt: "Sorry Leute, das ist kein Klimawandel, sondern eine Klimakatastrophe!"

Ihr liegen Fragen gesellschaftlichen Zusammenlebens genauso am Herzen wie das Thema Umwelt, sagt sie. Deshalb lautet einer ihrer Vorschläge, die Parkplätze auf der Mittelinsel am Grafinger Marktplatz abzuschaffen, "das hat ganz viel Potenzial als Treffpunkt!" Dieser Idee scheint auch der Stadtrat, in den Huppertz einziehen möchte, nicht allzu negativ gegenüberzustehen: Ende vergangenen Jahres nahm der Stadtrat einstimmig den Abschlussbericht des integrierten Stadtentwicklungskonzepts (Isek) an. Im Konzept wurde vorgeschlagen, die Parkplätze auf der Mittelinsel am Grafinger Marktplatz komplett abzuschaffen, um "die Dominanz des Kfz-Verkehrs" an diesem Ort einzuschränken "und diesen als Aufenthaltsort und Bewegungsraum für Fußgänger attraktiver zu machen". Ein konkreter Umbaubeschluss war dies aber noch nicht.

Antonia Schüller (Die Grünen)

Antonia Schüller ist eine leidenschaftliche Befürworterin von erneuerbaren Energien. "Fünf Windräder sind besser als nichts", sagt die Grüne, "wir bräuchten insgesamt dreißig." Die 19-Jährige ist das jüngste Mitglied der Ebersberger Grünen und kandidiert auf Listenplatz drei ihrer Partei für den hiesigen Kreistag - einer Institution, dessen Altersdurchschnitt derzeit noch bei 54 Jahren liegt.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Diese jungen Leute! Sie treten bei der Kommunalwahl im März für ihre Parteien als Kandidaten an: Philipp Trepte,...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

...Antonia Schüller,...

...Lukas Müller,...

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(Foto: privat)

...Timo Spirgatis,...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

...Lena Huppertz...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

...und Maximilian Sagner. Ihre Schwerpunkte sind indes unterschiedlich.

Bei FFF ist sie als Klimaaktivistin unterwegs, "still bleiben ist keine Option mehr", glaubt sie. Schüller studiert Rechtswissenschaft in Augsburg. Neben dem Klima der Erde liegt ihr auch das politische Klima am Herzen, wie kürzlich auf einer Diskussions-Veranstaltung der Grünen Jugend (GJ) in der Glonner Straße in Grafing zu bemerken war, die Schüller mitorganisiert hatte. Titel des Events war "Jugend in der Politik". Schüller unterbrach die anderen Jungpolitiker - darunter auch Trepte, Müller und Huppertz - nicht, sondern ließ sich vom Moderator des Abends das Wort erteilen. "Ich will mich der Diskussionskultur des Unterbrechens nicht anpassen."

Was an diesem Abend auffällig ist: Es ist kein Vertreter der AfD in die Glonner Straße gekommen. Die Grüne hat dafür eine schlichte Begründung: "Ich diskutiere nicht über Fakten und Gleichberechtigung!"

Timo Spirgatis (Pro Ebersberg)

Timo Spirgatis tritt für die neue Wählergemeinschaft Pro Ebersberg an. Allerdings ist der 23-jährige erst auf Platz zwölf der Stadtratsliste seiner Partei zu finden - kein besonders aussichtsreiches Unterfangen, sofern ihn die Ebersberger nicht weit nach vorne wählen. Einige Vorschläge hat Spirgatis trotzdem: So ärgert sich der Technik-Azubi über das "absolute Chaos" im Ebersberger Stadtverkehr und wünscht sich mehr Anliegerparkplätze für Bewohnerinnen und Bewohner. Auch die Bürgersteige sollten verbreitert werden, wenn es nach ihm geht. Und noch etwas stört ihn: Besonders Jüngere hätten es schwer, mit ihren Anliegen bei der Stadtverwaltung Anklang zu finden, sagt er, weshalb er sich ein "offeneres Rathaus" wünscht. Sein Vorschlag: eine Ebersberger Anlaufstelle für Jugendliche.

Maximilian Sagner (FDP)

Der 18-Jährige Maximilian Sagner kandidiert auf Platz zwei der Kirchseeoner FDP-Gemeinderatsliste. Ihm gehe es um Transparenz, sagt er. Politische Informationen - zum Beispiel Details über die Finanzen seines Marktes - aus dem Rathaus zu bekommen, bezeichnet Sagner als "grauenvolles Ding". Für den Fall seiner Wahl will er sich für mehr Offenheit einsetzen.

Das war es auch, was Ende letzten Jahres die dortigen Grünen anvisierten und einen Antrag im Gemeinderat stellten, das sogenannte "Ratsinformationssystem" (RiS) öffentlich zugänglich zu machen - sie scheiterten mit diesem Vorstoß an den Stimmen von CSU und Unabhängiger Wählergemeinschaft. In dem Schüler Sagner hätten die Freunde der Transparenz künftig einen weiteren Fürsprecher. Zurzeit sind die Freien Demokraten im Marktgemeinderat jedoch nicht vertreten. Ob sich das ändert, wird man am 15. März sehen.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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