Ehemaliges Bahnschwellenwerk:Die Jahrhundertaufgabe

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Hannes Neugebauer von der DB Netz AG erklärt die Anlage, die bis zu 95 000 Liter Wasser pro Stunde hochpumpen kann. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Auf dem Gelände des ehemaligen Bahnschwellenwerkes in Kirchseeon wird das Grundwasser gereinigt. Seit zehn Jahren läuft das Projekt - nun wurde die Filteranlage aufgerüstet

Von Wieland Bögel, Kirchseeon

Der starke Geruch nach Öl fällt sofort auf, wenn man die Halle betritt. In dem von außen unauffälligen Leichtbau stehen zahlreiche meterhohe Tanks aus Metall und Kunststoff, durch die Halle schlängeln sich Rohre, Leitungen und Schläuche, in der Luft hängt das Surren starker Elektromotoren. Sie treiben eine Reihe von Pumpen an, die Arbeit dieser Pumpen ist letztlich die Ursache für den öligen Geruch.

Gefördert wird hier, wenige Meter neben dem Kirchseeoner Bahnhof, aber kein Erdöl - zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Stattdessen pumpt die Anlage Grundwasser aus dem Boden, Wasser allerdings, das vermischt ist mit den giftigen Hinterlassenschaften des ehemaligen Bahnschwellenwerks. Jahrzehntelang, von 1869 bis Ende der Fünfzigerjahre, wurden dort Holzschwellen mit Teerölen behandelt. Tonnenweise gelangte der Stoff ins Grundwasser. Vor zehn Jahren nahm eine Anlage den Betrieb auf, die das Wasser reinigen soll. Vor Kurzem wurde sie erweitert und nun bei einem Treffen von Vertretern der Bahn, des Landkreises und der Gemeinde präsentiert.

95 000 Liter giftiges Wasser können pro Stunde durch die Anlage gepumpt werden

Die Arbeit, welche die Anlage im vergangenen Jahrzehnt geleistet hat, ist durchaus beachtlich. Die Zahlen dazu stellten Dagmar Vogel und Jan Jungblut von der Deutschen Bahn den Anwesenden vor: Demnach wurden seit 2005 insgesamt 10,6 Tonnen reines Teeröl und 4,7 Tonnen im Grundwasser gelöstes Teeröl entfernt - das entspricht etwa dem Inhalt eines Kesselwagens.

Pro Stunde wurden bis zu 35 Kubikmeter, also 35 000 Liter Wasser hochgepumpt und durch die Anlage geleitet, in einem Jahrzehnt wurden so 2,1 Millionen Kubikmeter Wasser behandelt. Im kommenden Jahrzehnt soll es noch deutlich mehr werden, nach ihrer Erweiterung ist die Einrichtung in der Lage bis zu 95 000 Liter pro Stunde zu fördern.

Wie das im Detail funktioniert, erklärten Jungblut, sein Kollege Hannes Neugebauer und Mehran Kamiab von der Fachfirma Büro für Umweltfragen bei einem Rundgang. Gefördert wird in verschiedenen Tiefen. Ganz unten, mehr als 35 Meter unter der Erde, hat sich reines Teeröl abgesetzt, dieses kann mit einer relativ einfachen Anlage abgepumpt und in einem Tank gelagert werden.

Ebenfalls eher unaufwendig ist die Entsorgung der Quecksilber-Rückstände im Boden. Diese befinden sich nicht im eigentlichen Grundwasser, sondern in einer Schicht etwa 15 Meter unter der Oberfläche. 6,1 Kilogramm des hochgiftigen Schwermetalls hat man in den vergangenen zehn Jahren geborgen.

Die Hauptarbeit der Anlage besteht aber darin, das eigentliche Grundwasser zu reinigen. Eine Probe des unbehandelten Wassers, ein recht unappetitlich aussehendes Gemisch aus Wasser und Öl, zeigte Jungblut vor dem Rundgang. Dieses wird in drei verschiedenen Abschnitten gereinigt. Zunächst gelangt die ölige Brühe in ein Abscheidebecken, dort findet eine mechanische Klärung statt, gröbere Bestandteile werden ausgefiltert.

Mikroorganismen helfen bei der Reinigung des verseuchten Wassers

Den Hauptteil der Arbeit leisten dann zahllose winzige Mitarbeiter: Mikroorganismen, die in der Lage sind, einzelne Bestandteile der Öl-Pampe zu verwerten. Gleichzeitig wirken die Bakterien auch als Grobfilter, an der Biomasse bleiben größere Schmutzteilchen hängen. Bis zu 90 Prozent des Teeröls können die Bakterien aus dem Wasser entfernen, den Rest übernimmt ein Aktivkohlefilter. Das Wasser, das am Ende aus der Anlage kommt, hat Trinkwasserqualität, sagt Jungblut.

Getrunken wird es dennoch nicht, nach der Behandlung wird das Grundwasser wieder zurück in die Tiefe gepumpt. Denn der eigentliche Zweck der Anlage besteht darin Schadensbegrenzung zu betreiben, wie Thorsten Akt, Leiter des Sanierungsmanagements der Bahn erklärt. Als man Anfang der Neunzigerjahre das Ausmaß der Verschmutzung erkannte, suchte man einen Weg, diese möglichst unter dem ehemaligen Schwellenwerk zu halten.

Dies sei bisher sehr gut gelungen, durch die verbesserte Anlage könne man nun sogar auf überraschende Schwankungen der Grundwassermenge, etwa nach Unwettern, reagieren. Eine Entwicklung die auch Landrat Robert Niedergesäß (CSU) lobte, genau wie die gute Zusammenarbeit aller an dem Sanierungsprojekt beteiligter. Es sei gelungen, "gemeinsam das Beste für Umwelt und Bevölkerung zu machen", so Niedergesäß, wobei hier das Beste gerade gut genug ist: "Beim Wasser als wichtigstem Lebensmittel, darf man keine Kompromisse machen." Auch für Bürgermeister Udo Ockel (CSU) ist das Projekt ein Erfolg, "es ist gut, dass es auf dieses Gelände begrenzt ist und nichts rauskommt, ich hoffe, dass wir es weiter im Griff haben".

Im Untergrund des Geländes schwappen die Altlasten. Das Bild von 2016 zeigt den damaligen Kirchseeoner Bürgermeister Udo Ockel zusammen mit Landrat Robert Niedergesäß und Mehran Kamiab vom Büro für Umweltfragen GmbH bei einem Ortstermin in der Reinigungsanlage. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie lange das von Ockel angesprochene "weiter" allerdings geht, ist völlig unklar. Man könne nicht einmal eine halbwegs verlässliche Schätzung abgeben, antwortet Jungblut, auf eine Frage von Landrat Niedergesäß. Denn zum einen gibt es keinerlei belastbare Daten, wie viel Teeröl überhaupt ins Grundwasser gelangt ist. Jungblut zeigt auf ein altes Foto von dem Gelände, dort stehen die Schwellen dicht an dicht, "die haben getropft vor Öl." Wahrscheinlich sind noch zehn Mal so viel Teeröl im Boden, wie bisher gefördert wurde, vielleicht auch mehr.

Zum anderen, und das könnte bei der Sanierung helfen, hat Teeröl die Eigenschaft, sich nach und nach zu verfestigen. Irgendwann könnte es sich zu einer asphaltartigen Ablagerung verdichten, die keine Schadstoffe mehr ans Grundwasser abgibt. Bis es soweit ist, werden aber wohl noch Jahrzehnte vergehen. Bei den Verantwortlichen zumindest rechnet man mit einem längeren Engagement: für die neue Anlage wurde nun eine Genehmigung für 20 Jahre Laufzeit erteilt - Verlängerung nicht ausgeschlossen.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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