Kinderbetreuung:Stadt schlägt Alarm: Grafing gehen die Kita-Plätze aus

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Die Stadt Grafing muss eilig zusätzliche Kita-Gruppen einrichten - unter anderem in den Räumen der Grundschule. Doch das gefällt einigen Eltern gar nicht.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Einer der neuen Begriffe, den die Corona-Pandemie in der Schulpolitik mit sich brachte, lautet: Korridorkinder. Genau genommen gab es ihn schon vor der Pandemie. Aber in der Pandemie werden die Auswirkungen deutlich. Das Kultusministerium hatte den sogenannten Einschulungskorridor zum Schuljahr 2019/20 eingeführt. Eltern können entscheiden, ob sie ihr zwischen 1. Juli und 30. September sechs Jahre alt werdendes Kind zum kommenden Schuljahr oder erst ein Jahr später einschulen. Jetzt muss Grafing dringend neue Kitagruppen einrichten.

Marietta Ernst arbeitet im Grafinger Rathaus an der Schnittstelle zwischen Stadt und Kitas. Wenn es also in der Stadt jemandem mit einem realistischen Blick auf die Lage gibt, dann ist es sie. Zu jenen, die vorschnell die Alarmglocke schlagen, gehört Ernst nicht. Beides ist voranzuschicken, um ihren zentralen Satz am Dienstag im Kultur- und Sozialausschuss treffend einzuordnen: "Wir haben echt ein Problem." Die Eltern seien richtig verunsichert, berichtete die Rathausmitarbeiterin. "Sie fürchten, dass ihre Kinder in der Grundschule einer höheren Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Deshalb lassen sie sie lieber noch ein weiteres Jahr in der Kita." Bedeutet für die Stadt: knapp drei Monate Zeit, zusätzliche Kitaplätze bereitzustellen. Und zwar so viele wie noch nie um diese Jahreszeit. Ernst zufolge zählt die Warteliste aktuell rund 40 Namen. Dazu kommen noch jene, die kurzfristig mit Kindergartenkindern über den Sommer nach Grafing ziehen. "Auch die haben natürlich einen Rechtsanspruch auf einen Platz."

Der Ausschuss reagierte mit zwei Projekten. Einmal soll die Großtagespflege "Knuddlwuddl" um einen dritte Einrichtung erweitert werden. Passende Räumlichkeiten, die Grafing nun anmieten will, gibt es an der straßenabgewandten Seite in der Bahnhofstraße 30 und damit in unmittelbarer Nähe zum Stadtbahnhof. Die 80 Quadratmeter im Erdgeschoss nebst 22 Quadratmetern Keller sind laut Beschlussvorlage mit einem separaten Zugang ausgestattet. Das Gebäude sei saniert sowie mit Bad, Dusche und neuer Küche ausgestattet. Lediglich eine Schrankwand müsse man noch als Raumteiler aufstellen. Dann sei für acht der 40 Wartekinder Betreuung geschaffen.

Während der Ausschuss die Vorlage ohne viel Federlesen einstimmig beschloss, wurde es beim zweiten Notprojekt etwas diffiziler. Hierbei handelt es sich um die vorübergehende Eröffnung einer Kindergarten- mit möglicherweise zusätzlicher Krippengruppe im Souterrain der Grundschule. Sie versteht sich als Übergangslösung für vielleicht nur ein Jahr, längstens jedoch bis zur Eröffnung des Kinderzentrums in der Forellenstraße. Nach aktuellem Stand soll der Betrieb im Herbst des Jahres 2023 starten.

"Wir haben aktuell 100 Kinder weniger in der Grundschule, als das, wofür wir sie mit dem Ausbau ausgelegt haben", erklärte Bürgermeister Christian Bauer (CSU). "Die Übergangslösung bietet sich einfach an." Der Hintergrund hängt ebenfalls wieder mit den Korridorkindern zusammen: Da mehr Kinder länger im Kindergarten bleiben, gibt es im September nur vier erste Grafinger Grundschulklassen. Die Zustimmung der Rektorin Christiane Goldschmitt-Behmer liegt dem Bürgermeister zufolge vor. Mit dem Roten Kreuz stünde auch schon ein potenzieller Träger der Einrichtung bereit. Im Vorfeld der Sitzung hatte es aus der Grundschul-Elternschaft allerdings Kritik an dem Kita-Vorschlag im Grundschul-Souterrain gegeben. Das sinngemäße Credo: Die Grundschule sei nicht für Kita-Kinder gebaut worden und die Kita-Kinder störten die Abläufe in der Schule.

"Ich hab mich schon sehr gewundert, was da zu hören war", setzte Bauer zur Gegenrede an. Weder würden die Kita-Kinder den Grundschul-Kindern Platz wegnehmen, noch gäbe es ein Problem mit der Mensa. "Die Kita-Kinder werden über eine Küche im Nebenraum versorgt." Als Außenspielfläche könnten sie den fast 400 Quadratmeter große Schulgarten nutzen. Auch auf den Pausenhof habe die Notlösung also keinen Einfluss. Den Kritikpunkt von unnötig ausgegebenem Geld für die Kita-Einrichtung wies er ebenfalls zurück. "Die Möblierung nehmen wir natürlich mit rüber ins Kinderzentrum." Mit zwei Gegenstimmen nahm der Ausschuss den Plan an.

© SZ vom 17.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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