Mit der Volljährigkeit beginnt für Jugendliche der Schritt ins große Unbekannte. Wohl dem, der fürsorgliche Eltern hat, die ihre Kinder beim Übertreten der Schwelle zum Erwachsensein unterstützen. Doch nicht allen Heranwachsenden ist ein solches Glück beschert. Gerade für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche stellte der Übergang in ein selbständiges Leben bisher eine Herausforderung dar, denn die Hilfe durch das Jugendamt endete in aller Regel mit Erreichen des 18. Lebensjahres. Durch eine Gesetzesänderung sollen nun solche sogenannten "Care Leaver" weiterhin gezielte Unterstützung durch die Behörde bekommen - eine Praxis, die sich im Landkreis Ebersberg bereits immer mehr etabliert.
"Es kann nicht sein, dass wir mit 18 sagen, jetzt ist alles gut", sagte Dominik Hohl vom Kreisjugendamt in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschuss im Kreistag. Zusammen mit seinem Kollegen Florian Robida stellte er dort das Care-Leaver-Projekt vor, das in Ebersberg immer mehr Fahrt aufnimmt. Damit hat der Landkreis bereits einer Änderung des Sozialgesetzbuches vorgegriffen, die am vergangenen Donnerstag in Kraft getreten ist. Demnach soll jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, "wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist", wie es im entsprechenden Gesetzestext heißt. Die Heranwachsenden können nun auch nach Beendigung der Hilfe im notwendigen Umfang durch die Jugendämter beraten und unterstützt werden. Dass das dringend notwendig ist, davon ist man in der Ebersberger Kreisbehörde bereits seit längerem überzeugt.
"Eine Krise ist erwartbar", sagte Florian Robida über ein allzu abruptes Ende der Jugendhilfe. Eine gute Übergangsstruktur und Nachsorge seien für die jungen Menschen deshalb elementar wichtig. Zumal der Übergangsprozess vom Jugend- ins Erwachsenenalter heute ein längerer als früher sei. 25 ist das neue 18, sind Robida und Hohl überzeugt. Das Jugendalter habe sich aufgrund von Schule, Ausbildung und dem Übergang ins Berufsleben zeitlich entgrenzt. In dieser Phase dürfe man die Heranwachsenden nicht alleine lassen.
Das Ebersberger Jugendamt hat sich dazu bereits im Jahr 2016 zusammen mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter zur Errichtung einer gemeinsamen Jugendberufsagentur entschlossen. Diese ist eine Beratungsstelle, die unter anderem junge Volljährige beim Übergang von Schule über die Ausbildung bis zum Beruf unterstützt. Darüber hinaus bietet das Kreisjugendamt bis zu vier jungen Erwachsenen die Möglichkeit, im Nachgang zur Jugendhilfe ein Zimmer in den "Bunten Dächern" zur Untermiete zu beziehen, um dort in geschützter Umgebung die Ausbildung zu beenden. Zudem stellen Organisationen wie etwa der Verein "Brücke Landkreis" niederschwellige Hilfsangebote für junge Volljährige bereit.
Was das Ebersberger Jugendamt also seit einiger Zeit bereis freiwillig macht, wird nun rechtlich bindend. Mit der Änderung des entsprechenden Paragrafen im Sozialgesetzbuch, der nun explizit eine "Coming-Back-Option" für bedürftige Heranwachsende vorsieht, wird auch der Nachbetreuungsanspruch konkretisiert und der Kostenbeitrag von 75 auf 25 Prozent Eigenbeteiligung gesenkt. Diese Neuregelungen seien eine gesamtgesellschaftlich wichtige Sache, wie Florian Robida sagte. "Sonst wird der Zug am Anfang zwar richtig aufs Gleis gesetzt, wir wissen aber nicht, wo er hinfährt", so der stellvertretende Jugendamtsleiter.
Auch dessen Chef Christian Salberg begrüßte die Gesetzesänderung, die Jugendämter nun dazu verpflichtet, sich auch weiterhin um die Heranwachsenden zu kümmern. "Mich freut das", so Salberg. "Wir müssen dafür sorgen, dass Jugendliche später auf eigenen Füßen stehen können." Nennenswerte Mehrkosten für den Landkreis würden dem Amtsleiter zufolge dadurch aber nicht entstehen - eher im Gegenteil, wie dessen Kollege Florian Robida vorrechnete: "Wir investieren viel Geld und Zeit in die Jugendlichen. Das soll sich auch auszahlen." Man dürfe die jungen Menschen nicht einfach fallen lassen, ergänzte schließlich Dominik Hohl.
Eine Einstellung, die bei den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses natürlich gut ankam. So sprach etwa Silvio Gödickmeier, Geschäftsführer der Startklar Soziale Arbeit Oberbayern, von sehr gut investiertem Geld. "Die Welt ist komplexer geworden. Junge Menschen brauchen Orientierung." Begleitende Maßnahmen dürften deshalb nicht einfach radikal abgebrochen werden, so wie es bisher bei vielen Jugendämtern der Fall war. Dafür brauche es aber auch die entsprechenden Leute, wie Christian Salberg in Richtung Landrat Robert Niedergesäß (CSU) sagte. "Kinderschutz erfordert Zeit und gut ausgebildetes Personal", so der Jugendamtsleiter. Gute Sozialpädagogen aber seien nur schwer zu finden, hier baue man deshalb auch auf die Unterstützung der Politik. Denn das große Ziel sei es, wie Dominik Hohl sagte, dass "Heranwachsende ein eigenständiges Leben führen können".