Kandidatenvorstellung:Milde 13

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AfD-Stammtisch in Ingelsberg: Wolfgang Wiehle spricht, anschließend ist der zweite Referent Christoph Birghan (rechts außen) dran. Zehn Gäste und ein Pressefotograf hören im Lauf des Mittwochabends zu. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Beim Stammtisch des AfD-Kreisverbands Ebersberg in Zorneding passen die Gäste an zwei Tische. Die Redner wählen eher gemäßigte Töne und loben das Europawahl-Programm ihrer Partei. Über einen Abend im Nebensaal

Von Korbinian Eisenberger, Zorneding

Franz Bader ist wegen der bairischen Sprache hier. Sie verschwinde, sagt er, "eine ungute Entwicklung". In seinem Heimatort Markt Schwaben ist der frühere Gemeinderat bekannt wie ein bunter Hund, auch weil es ihm eines Tages zu bunt wurde. "93 bin ich aus der SPD ausgetreten", sagt er, nach 21 Jahren, wegen der damaligen Zuwanderungspolitik. Der 74-Jährige erzählt, wie er von den Sozialdemokraten zum Bund freier Bürger wechselte, eine Kleinpartei, über die in den 90ern gestritten wurde, ob sie eher nationalliberal oder rechtspopulistisch sei. Fast 30 Jahre später sitzt er nun hier, beim Stammtisch der AfD, er ist kein Parteimitglied, sondern Sympathisant. Es geht gerade um den sächsischen Genitiv, Bader erzählt von einem italienischen Betrieb in der Region, der sich "Sandro's Fahrschule" nennt. Was ihn denn am Sandro störe?, fragt einer. Bader sagt: "Der Apostroph."

Mittwochabend in Ingelsberg bei Zorneding. In der Gaststätte Hammerstuben kommen anlässlich des Stammtischs des Ebersberger AfD-Kreisverbands zwölf Gäste und ein Pressefotograf. Im Nebensaal des Gasthofs besetzen sie den größten Tisch und einen der sieben kleineren, die anderen Tische bleiben leer. Es sprechen der Münchner AfD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wiehle (er leitet den Ebersberger Kreisverband derzeit kommissarisch) und Christoph Birghan aus Steinhöring, AfD-Kandidat für das EU-Parlament aus dem Landkreis Ebersberg. Beide loben in ihren Reden das kürzlich erschienene Parteiprogramm für den Europawahlkampf.

Aus der AfD und deren Dunstkreis sind oft Polemik und rechtsextreme Vokabeln zu vernehmen. Beim Stammtisch in Zorneding schlagen die Teilnehmer weitgehend gemäßigtere Töne an. Wiehle geht dabei in die Offensive und attackiert den Verfassungsschutz für seine Aussage, dass die AfD ein Prüffall sei - ein Kritikpunkt, in dem das Verwaltungsgericht in Köln der AfD kürzlich recht gegeben hat. In einem etwas halbherzig wirkenden Versuch zur Selbstkritik geht Wiehle auf die Wortwahl von Parteikollegen ein "die mal ein wenig zu heftig in die Saiten gegriffen haben", was womöglich missverstanden werde. Solch strittige Aussagen seien vom Programm der AfD "in keiner Weise gedeckt", so Wiehle. Wessen Worte er zu welchem Thema meint, sagt er nicht. Auch spart er aus, dass pointierte Politikeraussagen in Zeitungen oder vor Kameras in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach präsenter sind als umfangreiche Parteiprogramme.

Als einzige Frau sitzt Brigitte Fischbacher mit an den Tischen, bekannt durch ihre AfD-Kandidatur für den Stimmkreis Ebersberg/Erding bei den vergangenen Bundestagswahlen. Vor einem Jahr hatte sie mit einem Facebookposting Aufsehen erregt, das ein Video mit Hitlerfoto und -zitat zeigte. Am Stammtisch hält sie sich mit eigenen Statements zurück. Sie verlässt die Veranstaltung noch vor dem Ende des öffentlichen Teils.

Referent Christoph Birghan ist nicht nur Politiker und Anwalt, sondern auch Hobbyjäger. Vor den Ende Mai anstehenden Europawahlen geht er nun auf Stimmenfang. Am Wahlprogramm seiner Partei habe er "ein ganz kleines Stück weit mitgearbeitet". Auf 86 Seiten wird eine strengere Asylpolitik gefordert, seine Partei favorisiere "eine deutsche Leitkultur" statt "multikulturellem Anything Goes", so Birghan. Weitere Ideen darin: die Rückkehr zur D-Mark und der Austritt der Bundesrepublik aus der EU. Auch dahinter stehe er, so Birghan. Der Steinhöringer kandidiert nun für ein Parlament, das er abschaffen möchte. Mit Platz 23 auf der AfD-Liste stehen seine Chancen sehr gut, dass ihm der Gang nach Brüssel erspart bleibt.

So geht ein Abend bei Knödel, Weißbier und Milzwurst zu Ende. Ein Abend, an dem Aktivisten Flugblätter mit der Aufschrift "Ebersberg bleibt bunt!" an die Autos auf dem Wirtshaus-Parkplatz heften. Ein Abend, an dem der Markt Schwabener Franz Bader erklärt, dass in den Neunzigern aus seiner Sicht zu viele Menschen aus Osteuropa über die Grenzen nach Bayern gelassen wurden. Bader, der frühere Lehrer, sagt aber auch: "Wenn es um die bairische Sprache ging, da waren die Albaner und Jugoslawen oft viel aufgeschlossener als die einheimischen Kinder."

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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