Kabarett:Multiple Persönlichkeit

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Meister der Geräusche und Dialekte: Das Publikum im Alten Speicher hat Rick Kavanian schnell auf seiner Seite. (Foto: Christian Endt)

Komiker Rick Kavanian bietet im Alten Speicher Bewährtes

Von Anselm Schindler, Ebersberg

44 Jahre Lebenserfahrung reichen im Zweifelsfall, um schon mal Resümee zu ziehen. Erst recht, wenn man, so wie es bei Komiker Rick Kavanian der Fall ist, viele Charaktere auf einmal in sich vereint. So ein Resümee wäre dann auch die ideale Gelegenheit, Altes hinter sich zu lassen und Neues aufzugreifen. Doch das bleibt Kavanian sich und dem Publikum in Ebersberg schuldig, als er auf der Bühne des Alten Speichers steht.

In Ebersberg, dem "Vorort von München", wie er sagt, ist der Comedy-Star schon das zweite Mal: Bereits kurz nach der Eröffnung des Alten Speichers sorgte er dort für Grinsen, Schmunzeln und Lachen. Das ist inzwischen schon ein Jahr her - Zeit also, den eingeschlagenen Weg zu verlassen: Rick solle erkennen, was er ist - so jedenfalls wird das neue Programm "Offroad" angekündigt, das ja schon vom Namen her Unkonventionelles verspricht. Doch die vielen Charaktere, die Rick Kavanian in seinem Leben schon gespielt hat, erschweren ihm freilich die Suche nach sich selbst. Im Verlauf des Abends jedenfalls bleibt sie recht erfolglos. Rick, der mit seiner Frau im Münchner Stadtteil Milbertshofen lebt, bleibt seinen Rollen treu.

Die stammen zum Teil noch aus der Comedy-Show "Bully-Parade", mit der Kavanian und sein Kollege Michael Herbig im Jahr 1997 auf Sendung gegangen sind. Den Griechen "Dimitri", wohl die bekannteste Rolle Kavanians, erfand er bereits 1996 für die "Bully's Late-Light-Show" beim Radio-Sender Energy. Richtig bekannt werden "Bully", Rick und seine vielen Rollen jedoch erst einige Jahre später mit dem Kino-Erfolg "Der Schuh des Manitu". Mit diesem Film wird auch "Dimitri wirklich berühmt, "als echter Western-Malaka auf eine echte Eselmaul! Hellas!". Ihn lieben Kavanians Fans nach wie vor ganz besonders - der Komiker ist so sehr in dieser Rolle aufgegangen, dass viele Menschen dächten, er sei Grieche, berichtet der in München geborene Kavanian. "Hellas!" - keinen anderen Ausruf assoziiert man wohl so stark mit Kavanian.

Doch: "Worum geht es in Offroad? Das spielt keine Rolle" - so steht es schon in der Programm-Ankündigung. Wer sich nach der Vorstellung also über inhaltliche Belanglosigkeit beschwert, hätte nur nicht hingehen brauchen. Man wusste es ja vorher. Außerdem müssen es ja nicht immer die gesellschaftskritischen Nackenklatschen eines Volker Pispers sein. Schade ist es irgendwie trotzdem: Die Rollen, zwischen denen Kavanian nun schon seit fast einem Jahrzehnt im Minutentakt hin und her springt, sind zum Schreien komisch, doch ein Handlungsstrang, der über die Safari mit der Frau und Arztbesuche hinausgeht, würde ihnen gut tun. Aber vielleicht will sein Publikum Kavanian auch einfach so, wie es ihn kennt: lustig, ohne anzustrengen. Die Ebersberger hat er jedenfalls schnell auf seiner Seite.

Sicherlich, er könnte auch anders, hinter den vielen Masken verbirgt sich keine Leere. Kavanians Lebensgeschichte, die er auf der Bühnen in Anekdotenform dazwischen streut, hätte jedenfalls genug Substanz, um mehr inhaltliche Schwere zu tragen: Seine Eltern armenische Einwanderer aus Bukarest, er zu Teilen aufgewachsen bei seiner gläubigen und stark abergläubischen Großmutter, die ihn nicht ans Fenster lassen wollte, weil ihn da der Teufel hole. Von ihr habe er auch den "balkanoiden Aberglauben" übernommen: In der Tasche trägt er ein Nazar-Amulett. Das weißlich-blaue Glasauge, ein im Nahen Osten weit verbreiteter Glücksbringer, der böse Blicke abhalten soll, fällt bei Kavanians Halskette ungewöhnlich groß aus. "Das ist die Hip-Hop Version", erklärt er. "Du bist geschützt, aber dein Genick wird brechen".

Kavanian ist ein Meister der Geräusche - lässt mit seinen Lippen Flugzeuge landen und eine Urwaldkulisse entstehen - und der Dialekte sowieso. Das Publikum johlt, als er sich in den Ossi Jens Maul aus dem Film "(T)Raumschiff Surprise" verwandelt. Vielleicht gibt es gar keinen "wahren" Rick, nach dem gesucht werden muss, zumindest nicht auf der Bühne. Er ist und bleibt wohl einfach eine multiple Persönlichkeit.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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