Kabarett in Ebersberg:Bitter-süße Analyse

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In seinem vierten Solo "Moskauer Hunde" wagt der Münchner Kabarettist Max Uthoff einen Rundumschlag - und bringt damit das Publikum zum Beben

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Des Menschen bester Freund ist der Hund, heißt es zumindest. Warum das so sein soll, scheint dem Kabarettisten Max Uthoff jedoch schleierhaft. Das müsste jedem klar geworden sein, der am Donnerstagabend im Alten Speicher in Ebersberg den Worten des Münchners gelauscht hat. Denn im Grunde genommen seien Hunde ja wie Rudolf Heß. "Treudoof bis zum bitteren Ende, egal welches Arschloch am anderen Ende der Leine steht."

Es dauert nur wenige Minuten, bis Uthoff den ausverkauften Saal mit seinem vierten Soloprogramm "Moskauer Hunde" zum Beben bringt. Und das Beben bricht während der zweistündigen Vorstellung kein einziges Mal ab. Die Schlagkraft der Satire des 52-Jährigen gleicht den Treffern eines Wladimir Klitschkos in seinen besten Jahren. Im Stakkato schleudert Uthoff den Zuschauerinnen und Zuschauern die Pointen nur so um die Ohren.

Inhaltlich hat sich Uthoff, der seit 2014 mit seinem Kollegen Claus von Wagner durch die ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" führt, die ganz großen Themen und Probleme dieser Zeit vorgenommen: Klimawandel. Neoliberalismus. Medienkritik. Doppelmoral von Politik und Gesellschaft. Ein Rundumschlag also.

Doch Uthoff schafft es, auch in dieses üppige Konglomeratseinen roten Faden einzuweben: den Hund. Kein großes Geheimnis, schließlich verheißt schon der Titel des Programms, dass dem Hund darin wohl eine tragende Rolle zuteil wird. So streut Uthoff immer wieder kurze Episoden ein, in denen er über den besten Freund des Menschen spricht. Manchmal irritiert das. Es will nicht so recht zusammenpassen, wenn Uthoff zwischen Hieben gegen internationale Politiker und SUV-Fahrer über das Aussehen von Möpsen herzieht. Zunächst. Denn spätestens am Ende des Abends sollte klar sein, das Uthoffs Hundeexkurse basal für die eigentliche Aussage seiner Vorstellung sind. Aber dazu später.

Mit seiner typischen bös-sarkastischen und oft überzogen zynischen Art hält Uthoff einen Spiegel in den Händen, den er dem Publikum vorhält - metaphorisch gesprochen. Das Wunderbare dabei ist: Uthoff hält ihn so, dass auch er dabei sein eigenes Spiegelbild erblickt. Aus keinem seiner vielen Vorwürfe an die Gesellschaft und ihre Doppelmoral nimmt er sich aus; er spricht von "wir" und "uns Erwachsenen". Wahrscheinlich ist auch das ein Grund, weshalb seine Satire so zündet und, ja, schmerzt: Keine Spur von Überheblichkeit, kein "ich machs richtig, ihr alle nicht". Alle im Saal sitzen im selben Boot.

So erzählt Uthoff die Parabel eines Autounfalls, als er vom Klimawandel spricht. Ein Mensch wurde bei dem Unfall schwer verletzt und liegt blutüberströmt auf der Straße. Drei Gruppen von Menschen gibt es, so Uthoff, also drei mögliche Reaktionen. Die erste Gruppe ist angesichts der Verletzungen entsetzt, möchte sofort eingreifen und versucht, die umstehenden Passanten zum Mithelfen zu bewegen. "Das ist die Fridays for Future-Generation", so Uthoff. Der zweite Schlag von Menschen, für den Kabarettisten beispielsweise AfD'ler, reagiert etwa folgendermaßen: "Solange mein Auto nicht beschädigt ist, ist auch kein Unfall geschehen." Realitätsverweigerung.

Zuletzt macht Uthoff die dritte Gruppe aus, "die schlimmste" in seinen Augen. Anhänger dieser Fraktion sehen den Schwerverletzten und erkennen, dass ihm sofort geholfen werden muss. Trotzdem schreitet niemand ein. Erst einmal abwarten. Bestimmt wird etwas erfunden, das dem Verletzten viel besser und effektiver hilft als die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel. "Im Grunde genommen zählen wir alle zu dieser Gruppe", sagt Uthoff.

Belegt ist diese These für den Volljuristen etwa dadurch, dass alle den Umwelt- und Klimaschutz toll finden und im selben Atemzug die Grünen wählen - "Grüne, die so schwarz sind, dass sie im Kohlekeller Schatten werfen". Oder jeder die guten Vorsätze über Bord wirft, weil er geplagt von der Langeweile im eigenen Zuhause ist. Man reist, ständig, überallhin - anstatt das Leben so zu gestalten, dass es auch in den eigenen vier Wänden aufregend ist. Uthoff nimmt kein Blatt vor den Mund und trifft ein recht nüchternes Urteil: "Urlaub ist nur was für Menschen ohne Fantasie."

Und die Hunde? Uthoff erzählt von den vielen tausend Straßenhunden in Moskau. Es wurden immer mehr und mehr. Den Menschen war das egal, niemand tat etwas dagegen. Uthoff spricht leiser, langsamer, lakonischer - eine der wenigen Momente, in denen vom Publikum kein einziges Lachen oder Glucksen zu hören ist. Die Hunde entwickelten sich dahin zurück, von wo sie einst herkamen: zum Wolf. Sie taten sich in Rudel zusammen, versorgten sich selbst. Und wenn sie dann auf Menschen trafen, ihre einst besten Freunde, war alles anders. "Die haben einfach nicht mehr mit dem Schwanz gewedelt."

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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