Es waren klare Worte, die Finanzmanagerin Brigitte Keller im Jugendhilfeausschuss (JHA) am Mittwoch gesprochen hat: "Mit den geplanten Kosten sind wir bei weitem nicht ausgekommen." Für das Jahr 2020 musste der Landkreis Ebersberg wesentlich mehr Geld für die Jugendhilfe ausgeben als geplant, nämlich um beinahe 15 Prozent beziehungsweise 2,1 Millionen Euro mehr, insgesamt 16,3 Millionen Euro. Dafür gibt es insbesondere zwei Gründe: Die Fälle, in denen Jugendliche beispielsweise stationär untergebracht sind, werden stetig mehr, und auch die Betreuungskosten pro Fall steigen an. Dass die tatsächlichen Kosten die geplanten Ausgaben übersteigen werden, erwartet die Finanzmanagerin auch für das aktuelle Jahr, "das wird keinen Deut besser aussehen", sagte sie.
Die Gründe für diese Entwicklung der Kosten nach oben haben laut Keller eines gemeinsam: Der Kreis hatte und hat kaum Spielraum, um die Ausgaben niedriger zu halten. Denn weder hat er Einfluss auf die Höhe der Fallzahlen noch auf die Kosten pro Fall. Und genau hier liegen aber die Haupttreiber für die hohen angefallenen Beträge. So wurden etwa im Bereich der Förderung von Kindern in landkreiseigenen Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege knapp 200 000 Euro weniger eingenommen, weil es weniger Fälle gab als geplant - nämlich 17 statt 29. Gleiches gilt für die Fallzahlen im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Hier gab es 35 Fälle, geplant waren 44. Dementsprechend niedriger sind die Erträge aus der Kostenerstattung ausgefallen.
Hingegen andere Ausgaben sind gestiegen, hauptsächlich in den Bereichen der Heimerziehung, intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung sowie stationäre Eingliederungshilfe - dort sind die Fälle mehr geworden. So waren es bei der Heimerziehung elf Fälle mehr als geplant, bei der Einzelbetreuung 0,8.
Die tatsächlichen Kosten machten deutlich, so erklärte es Keller, dass die Komplexität der Probleme von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark zunimmt. Später ergänzte Martin Gansel, Teamleiter pädagogische Jugendhilfe I, dass das Jugendamt vermehrt Jugendliche mit seelischen Behinderungen und Suchtkrankheiten betreut. Dadurch wird die Betreuung umfangreicher und die dafür notwendigen intensiven Hilfearten werden mit sehr hohen Tagessätzen vergütet, wie Keller sagte. So seien die Tagessätze in den heilpädagogisch-therapeutischen Hilfen in Südbayern 2020 um 1,78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Außerdem habe es 2020 einige schwere Fälle gegeben, bei denen diese Unterbringungsformen nicht mehr ausreichten - es seien deutlich intensivere Betreuungen notwendig gewesen, was sich in Tagessätzen von stellenweise mehr als 450 Euro niedergeschlagen hat.
Es steigen aber nicht nur die Kosten pro Fall stetig an, sondern auch die Ausgaben für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Jugendhilfe-Bereich - und das, obwohl es im vergangenen Jahr 0,3 Vollzeitstellen weniger gab als 2019: Knapp 4,9 Millionen Euro entfallen auf Personalkosten, 6,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein etwa 200 000 Euro sind auf die 2020 eingeführte Großraumzulage zurückzuführen.
Die Möglichkeit, einfach weniger Unterstützungsmaßnahmen zu finanzieren und dadurch Kosten einzusparen, besteht laut Keller nicht. Zum einen wäre da klar der Rechtsanspruch auf die jeweiligen Hilfsangebote, zum anderen verweist die Kämmerin auf den Slogan der Bildungsregion Ebersberg: "Kein Talent darf verloren gehen." Dieses Ziel verfolge das Jugendamt vehement "und das kostet eben", so Keller weiter. Sie sprach sich dafür aus, langfristig weitreichende organisatorische Änderungen und neue Prozessabläufe bei den stationären Angeboten zu entwickeln, um den Veränderungen effektiv zu begegnen.
Trotz der hohen Ausgaben wies Keller darauf hin, dass der Landkreis im Vergleich zu den übrigen in Oberbayern sehr gut dasteht: Laut Bayerischem Landesamt für Statistik war das Ebersberger Jugendamt das fünft-günstigste im Jahr 2019, als das geplante Budget auch schon überschritten wurde, nämlich um rund 1,2 Millionen Euro. 15 Jugendämter hatten zum Teil deutlich mehr Ausgaben.
Ausschussmitglied Martin Riedl (CSU) fragte, weshalb nicht mit einem generell höheren Budget geplant werde, wenn doch die Fallzahlen steigen. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) verwies in diesem Zuge auf die Jahre seit 2007, in denen es vier Mal auch umgekehrt war: Der Landkreis hat weniger ausgegeben als geplant. "Es ist in diesem Bereich eben schwer planbar", sagte er. Die im Jahr 2020 außerplanmäßigen Kosten wurden einstimmig genehmigt.